Interview:

2014-01-19 Alcest

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by Gast
Das Jahr 2013 neigt sich dem Ende, die Tage werden schon wieder länger, die Erwartung steigt: Denn der Jänner 2014 bietet weit mehr als Eis und Kälte, ist das neue Album „Shelter“ von ALCEST doch ein willkommener Zufluchtsort davor. Wir hatten die Gelegenheit mit Neige zu telefonieren und uns mit ihm über das strahlende Artwork und das lyrische Konzept von "Shelter", britische Gast-Musiker, Indie-Rock und Live-Shows zu sprechen. InterviewSalut Neige, wie geht es dir?


Gut, natürlich! Das Album ist ja endlich fertig!


In der letzten Woche warst Du in Amerika. Was hast Du dort gemacht?


Ja, ich war in Canada in der letzten Woche. Und jetzt habe ich in den USA unseren Drummer besucht. Ein bisschen Urlaub, also.


Du hast gerade die Aufnahmen des kommenden ALCEST-Albums „Shelter“ zu Ende gebracht. Es ist das erste Mal in der Bandgeschichte, dass Du einem Album einen englischen Titel gibst, ansonsten hast Du stets deine Muttersprache ‒ Französisch ‒ verwendet. Wieso diesmal Englisch? Willst Du international verstanden werden?

Ja, es ist der erste englische Album-Titel in der Diskographie von ALCEST. Es ist die Bedeutung, die das Wort „Shelter“ in sich trägt, welche für den Titel verantwortlich ist. Im Französischen hätte das Album „s’abriter“ geheißen, was weitaus weniger schön klingt.


Nun, auch die Lyrics von „Away“ sind in Englisch geschrieben … Klänge dieses Lied in Französisch ebenfalls merkwürdig? Und wieso hast Du hierfür Neil Halstead hinter das Mikro geholt? Wie kamst auf die Idee ihn singen zu lassen und es nicht selbst zu übernehmen?

Die Lyrics von „Away“ sind auch Englisch, richtig. Sie sind englisch, weil ich Neil Halstead, den Sänger der britischen Indiegruppe SLOWDIVE für den Song gewinnen konnte. Sehr glücklich bin ich darüber! Da Neil aus Großbritannien kommt und Englisch spricht, erklärt sich die hier angewandte Sprache von selbst, denn Französisch wäre da ja unauthentisch.


Dennoch verwendest Du beim Songwriting meistens die französische Sprache. Fühlst Du eine tiefe Verbundenheit zu Frankreich?

Ja, natürlich, es ist meine Heimat und französisch meine natürliche Sprache. Es ist viel einfacher in Französisch Texte zu schreiben, als in Englisch und zudem einfach natürlicher. Auch fiele mir kein Grund ein in Englisch zu schreiben. Man muss ja schließlich nur „ALCEST ‒ Lyrics ‒ English“ im Internet eingeben und findet überall gute Übersetzungen. Auch stehen die Texte meist in Französisch und englisch im Booklet der CDs.


Wie viel Zeit nahm der Schreibprozess für „Shelter“ in Anspruch?

Viel weniger als üblich! Es hat nur etwa vier Monate gedauert das Album zu schreiben.


Wie kann man sich den Prozess des Schreibens, Komponierens und Aufnehmens eines Albums bei Dir vorstellen? Was ist zuerst da ‒ die Musik oder der Text?

Zuerst komponiere ich die Musik, dann ergänze ich die Lyriks, wenn ich es für sinnvoll halte und es die Aussage der Musik untermauert. In vielen Fällen ist es ja so.

Und woher nimmst Du deine Inspiration? Was inspiriert dich?

Das variiert stark … Niemals inspiriert mich etwas Bestimmtes, nie das Selbe bei zwei verschiedenen Liedern. Oft inspiriert es mich, wenn ich mich am Meer aufhalte.


Ist „Shelter“ ein weiteres Kapitel der Kindheit-Traumwelt-Memoiren? Womit befasst sich das Album im Genaueren, wofür steht es?

Der Album-Titel “Shelter” dürfte die Thematik trefflich beschreiben. „Shelter“ ist ein Konzept-Album: Es geht darum Zufluchtsorte zu finden und sich zu Verbergen, der Welt und dem Unglück zu entfliehen. Wenn Du einen Freund verloren hast, Jemanden, den Du liebst … „Shelter“ ist so ein Zufluchtsort. Und Du kannst sagen, es ist das Meer. Denn für mich ist das Meer ‒ mein Zufluchtsort.


Tatsächlich wirkt es auch so, als seien die Songs Hymnen für die See. Ist das der Grund, weshalb „Shelter“ in Island aufgenommen wurde?

Ja, das passt. In der Tat war Island irgendwie ein Zufluchtsort für uns alle. Alles war dort anders, ganz anders als zu Hause. Wir waren weit weg von unserer Heimat, fern unserer Freunde und dem Alltag.


Aber nun sag mir: Wieso wird es zunehmend ruhiger auf „Shelter“? Anleihen zum Metal sind nur noch sehr wenige vorhanden, auch Screams sind keine vorhanden, ausschließlich werden Clean-Vocals verwendet. Gibt es Gründe für diese Entwicklung?

Nun, Schreie sind so unnatürlich. Selten schreien die Menschen, wenn sie verzweifelt sind und Zuflucht suchen. Da ALCEST verstärkt auf der Gefühlsebene arbeitet passt das nicht so gut. Ferner entwickelt sich die Band eher weg vom Metal und in Richtung Indie-Rock, wo Screaming auch eher unüblich ist.


Bald würde ich sagen, dass „Shelter“ ALCEST’s farbenfrohstes Album ist, von der Musik, dem Artwork ‒ und auch der Clip von „Opale“ ist sehr farbenfroh und beinahe fröhlich, während der Clip zu “Les Voyages De L'Âme” viel düsterer und mystischer war. Was ist die Intention von deiner ersten Single „Opale“? Und was bedeuten diese dampfenden Farben im Video, was ist es?

Das verrate ich nicht. Ich könnte Dir jetzt meine persönliche Interpretation nennen, aber das tue ich nicht … Jeder sollte hier seine Interpretation finden.


Interpretation ‒ Wo wir bei diesem Stichwort sind, lass uns über das Artwork sprechen. Während “Souvenirs d’un Autre Monde” ein wenig melancholisch in dunklem grün daher kam und die Bilder von „Les Voyages de l’Âme” und „Les Voyages de l’Âme” an eine dunkle Märchenwelt erinnerten, ist „Shelter“ wie ein gellender Blitz in deiner Discographie. Helles weiß, der Betrachter wird von der Sonne geblendet. Als ich die Cover des Albums und der Single erstmals sah, dachte ich an eine Techno-Pop-Band aus Kalifornien, nicht aber an ALCEST. Wie reflektiert dieses Cover das Konzept von „Shelter“?

Tatsächlich ist es ein Urlaubsbild von mir, das während meines letzten Urlaubs am Strand entstanden ist. Auch Urlaub ist eine Art dem Alltag zu entfliehen. Außerdem sieht es sehr einfach und modern, ja ein Bisschen elektronisch aus. Wir wollten uns ein Wenig von dieser düsteren Märchen-Welt-Malerei distanzieren und moderner werden.


Ist es deine Hand auf dem Bild?

Ja, das ist meine Hand.


Das zeigt dann wohl mal wieder Dein Herzblut, das in ALCEST fließt. Doch Du bist ein Vollzeit-Musiker und bist und warst in sehr viel Bands und Projekte involviert. [Amesouers, Les Discrets, Old Silver Key, Phest (aufgelöst), Lantlôs, Glaciation, Empyrium and Mortifera…] Nimmt das irgendwelchen Einfluss auf die Musik von ALCEST?

In der Tat gibt es viele verschiedene Bands, die Einfluss auf ALCEST nehmen, mich inspirieren und hier für Weiterentwicklung sorgen. Allerdings nicht von dieser Seite, vielmehr aus dem Indie-Rock-Bereich.


Früher spieltest Du Schlagzeug bei PESTE NOIR (französischer BM (Anm. d. Red.)). Gibt es da noch Beziehungen?

Nein, gar nicht.


Welche Musik hörst Du privat?

Gar nicht viel Metal … Manchmal nur. Öfter höre ich Indie, ein Wenig Gothic und vor allem viel neue Musik. Ich bin da sehr offen und versteife mich nicht auf bestimmte Genres.


Gut, gut. Lass uns über Live-Shows sprechen! Während Du als Ein-Mann-Projekt mit ALCEST gestartet hast, hast Du nun viele Gast-Musiker und bist auch viel unterwegs. Magst Du es live zu spielen?

Zu Beginn stand ich sehr ungern auf der Bühne, weil ich eher der introvertierte Typ, denn der geborene Entertainer bin. Doch mit der Zeit habe ich immer mehr an Selbstvertrauen gewonnen und fühle mich auf der Bühne zunehmend wohler.


Denkst Du, dass die „Shelter“-Songs gut für Live-Darbietungen sind?

Wir haben auf unserer letzten Tour schon „Shelter“-Songs gespielt. Und zwar „Opale“, die Single, und das epische und ausladendere „Déliverance“. Auch das kam live hervorragend.


Zu guter Letzt: Wenn Du die Wahl hättest, wo würdest Du spielen? Was wäre die perfekte Location einen ALCEST-Song zu performen?

Tatsächlich ist es mir egal, solange ich Zuhörer habe spiele ich überall gleich gern. Aber wenn ich es mir wirklich aussuchen könnte, dann irgendwo in der Natur. Im Wald vielleicht, oder am Strand, das wäre sehr schön.


Am Strand, das dachte ich mir fast. Das würde sehr gut passen! Nun, vielen Dank für deine Zeit dieses Interview mit Metal-Inside zu machen. Au Revoir und einen schönen Urlaub!

Bitteschön und Ciao, hoffentlich sieht man sich mal bei einer Live-Show!

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