Festival:

Summer Breeze Open Air 2022 - Freitag

Festival vom 19.08.2022

Der Wettergott hatte es bisher gut mit uns gemeint. Vom „sehnsüchtig erwarteten“ Regen gab es bisher kleine sporadische Dosen, mit denen wir prima klar kamen. Dies sollte sich heute bedauerlicherweise schlagartig ändern.

Kurz bevor die EMIL BULLS die Bühne enterten, war Schluss mit lustig. Der Himmel öffnete seine Schleusen und lies alles raus, was er hatte und das war verdammt viel auf einmal. Es dauerte nicht mal so lange wie der erste Track “The Ninth Wave“ und ich war nass bis auf die Unterwäsche. Die Münchner Truppe wirkte, als seien sie deswegen ebenfalls ziemlich angepisst. Vor guter Laune strotzten sie jedenfalls anfangs nicht. Auf irgendeine Weise hatte die Szenerie demgegenüber insgesamt etwas Stimmiges. Der Himmel war grau, die Bühne war grau/schwarz, die Musiker waren schwarz/weiß und auch die Bühnenbeleuchtung schaffte es nicht, Farbe in den Auftritt zu bringen. Das einzig Bunte waren die Regenponchos der Unerschütterlichen auf dem Battlefield.
Die Bulls sind eine Band, die mich vor allem Anfang des Jahrtausends begleitete. Bei diversen Gelegenheiten, wie z.B. Sound Of Frankfurt oder Open Your Eyes konnte ich sie live erleben, habe aber so um 2010 den Kontakt verloren. Deshalb war es mir wichtig, Wolkenbruch hin oder her, diesem Auftritt beizuwohnen. Da abgesehen von den ersten drei Songs, die ich leider nicht kannte, der komplette Rest auf der “XX“ (lief bei mir auch später eine Zeit lang rauf und runter) zu finden war, fand ich mich recht schnell wieder im Bullschen Kosmos ein, vor allem als “Here Comes The Fire“ und “Nothing in This World“ vom Stapel gelassen wurde. Ja klar, “Smells Like Rock 'n' Roll“ ist da auch nicht drauf, stammt aber vom Debüt, welches für mich der Einstieg in die Musik der Skate-Rocker war.
Als Christoph von Freydorf (Gesang) die Anwesenden irgendwann aufforderte sich hinzusetzen, dachte ich er reist einen Witz. Der Untergrund war mittlerweile eine schön schlammige Brühe und es machte selbstverständlich zunächst keiner Anstalten, seiner Aufforderung nachzukommen. Die Stimmung stieg nichtsdestotrotz während des Gigs vor und auf der Bühne, so dass es sich Christoph später nicht nehmen ließ, ein Bad in der feuchten Menge zu nehmen und alle waren wieder versöhnt.

 

 

Gleichzeitig mit dem verstummen der Musik merkte ich erst, wie pitsche patsche nass ich (und mein Fotoequipment) war und just in diesem Moment ergoss sich erneut ein Sturzregen, was meine Laune so stark in Mitleidenschaft zog, dass ich diesen gastlichen Ort sofort verlassen musste. Eine halbe Stunde später war ich wieder trocken, frisch eingekleidet und hatte einen Äppler in der Hand. Der Platz unter dem Pavillon war trocken, also wurde jetzt erst mal gegrillt...seltsamer Weise das erste Mal an diesem Wochenende. Einer der netten Nachbarn gesellte sich hinzu, was ihm ein paar Hähnchenteile und mir ein paar Kuba Libre einbrachte. Eigentlich war der Plan zu ALESTORM wieder aufzuschlagen, die zwei Stunden reichten indes nicht aus, den Himmel und die Stimmungslage vollständig aufzuhellen. Als neues Ziel einigten wir uns recht schnell auf WITHIN TEMPTATION, was uns weitere zwei Stunden geselliges Beisammensein ermöglichte.

Mittlerweile hatte sich der Regen auf ein erträgliches Maß eingegroovt, ist auch gut möglich, dass der Äppler seine Wirkung nicht verfehlt und ich letztendlich die nötige Gleichgültigkeit hinsichtlich der Wetterlage hatte.
WITHIN TEMPTATION, die wiederum mit ihrem Symphonic Metal einen willkommenen Kontrast zu dem bisher Erlebten darstellten, hatten den Tisch reichlich gedeckt. In der Mitte des spektakulären Bühnenbildes befand sich ein riesiger Kopf mit leuchtenden Augen. Rechts und links davon waren kreisförmige Bildschirme, auf denen u.a. die Gesangskollegen zu sehen waren, mit denen Sharon Janny den Adel Duette zum Besten gab. “Paradise (What About Us?)“ mit Tarja war als zweiter Song dann auch schon ein erstes kleines Glanzlicht. Von diesen Zwiegesängen sollten noch einige folgen. Frau Adel trug zu Beginn nebenbei bemerkt so eine Art Krone, die einen augenblicklich an Lady Liberty im Big Apple erinnerte.
Aus der neuen EP “Don't Pray For Me“ standen ursprünglich vier Songs auf der Setlist, von denen der Titeltrack aus technischen Gründen abgebrochen wurde. Dafür war als einziger Gastsänger Christoph Wieczorek (ANNISOKAY) leibhaftig zugegen, um mit Sharon zusammen “Shed My Skin“, ein weiterer Track aus der EP, vorzutragen. “Raise Your Banner“ nahm die Band zum Anlass, ihre Verbundenheit zur Ukraine zu zeigen und Sharon schwenkte eine blau-gelbe Flagge mit den Worten: “We stand with Ukraine!”
Auf “What Have You Done“, mein persönliches Highlight, im Original mit Keith Caputo jetzt Mina Caputo (LIFE OF AGONY), musste ich eine Stunde warten, gefolgt von “Ice Queen“ endete sodann der erste Akt. Im Zugabenteil wurde es anschließend emotional, denn mit “Supernova“ kam eine Nummer, die mit der Verarbeitung des Todes von Sharons Vater zu tun hatte, wie sie uns erklärte. Das Grande Finale wurde wenig überraschend mit “Mother Earth“ pompös zelebriert. Insgesamt wurde nicht nur im Finale reichlich gezündelt und geraucht.

Mittlerweile hatte sich der Untergrund auf dem Gelände in eine zentimeterdicke Schlammschicht verwandelt, was jedwedes Bewegen auf der selbigem zum Eiertanz machte. Bier holen oder der Toilettengang wurde dabei zum Abenteuer, denn gerade die Wege waren besonders glitschig.
Der Regen war jedoch nicht für alle schlecht. Offensichtlich hatten viele dieses Wetter nicht auf dem Schirm und mussten, zum Klamotten wechseln T-Shirts und vor allem Kapus und Jacken käuflich erwerben. Nicht so schön fand ich, dass Regenponchos zwei Tage zuvor noch für 2 EUR zu haben waren, in der Notsituation aber 8 EUR und mehr kosteten.

AMORPHIS mag ich prinzipiell sehr gerne und hatte sie zwar in Vergangenheit schon ein paar Mal gesehen, muss aber zugeben, dass ich doch einiges von ihnen nicht kenne. “Under The Red Cloud“, “Silent Water“ und “Circle“ sind die Alben, die ich teilweise rauf und runter gespielt hatte, leider war davon überhaupt nichts im heutigen Programm. Da hatten die mich glatt auf dem falschen Fuß erwischt, störte mich aber eigentlich nicht groß. Ich kann mich schon dafür begeistern, mit welcher Leichtigkeit Sänger Tomi Joutsen sich auf der Bandbreite seiner stimmlichen Fähigkeiten bewegt. Bisher verwendete er dabei immer ein schickes Retro-Mikro, das er heute allerdings nicht dabei hatte. Der Großteil der Songs kam vom neuen Werk “Halo“ und vom Vorgänger “Queen Of Time“. Stimmung, Musik und Wetter griffen auf eine besondere Art und Weise ineinander und Mr. Joutsen freute sich einfach, dass wir noch am Leben waren (O-Ton: It’s nice to see you’re still alive). Zu “Among The Stars“ bei dem auf der Platte Anneke van Giersbergen (THE GATHERING, AGUA DE ANNIQUE) als Gastsängerin mit am Start ist, wurde wie zuvor bei WITHIN TEMPTATION auch, der Gast auf Video eingespielt. Mit den Worten „We haven’t played that song much. It’s a duet with a beautiful lady from Holland. Unfortunately she’s not here today“ kündigte Tomi dies an. Direkt im Anschluss bekamen wir das extrem düstere “Black Winter Day“ aus dem Jahre ´94 zu Gehör und am Ende schickten uns die Finnen mit “House of Sleep“ ins Bett....endlich wieder einer, den ich kannte.

Da wir bereits am Samstag Vormittag wieder abreisen mussten, war das für uns das Ende eines Festivals, das mit seinen Vertretern aus den mannigfaltigsten Genres für reichlich Abwechslung gesorgt hatte. Die richtig großen Namen waren zwar dieses Mal nicht am Start, gerockt haben es aber definitiv alle Akts, die wir uns angesehen haben und wir waren richtig happy wieder da gewesen zu sein.