Rock Hard Festival 2024

"Deutschland wird im Wasser versinken", so oder so ähnlich heißt es in unseren heiß gelaufenen Medien. Das Pfingstwochenende soll sprichwörtlich ins Wasser fallen. Das mal vorweg, dies ist nicht geschehen. Einzig im schönen Saarland sind die Keller vollgelaufen, auf dem Rock Hard Festival bleibt es bis Sonntag trocken - mehr noch, es ist ausgesprochen angenehm und teilweise sogar richtig sommerlich. Aber das Wetter ist nur ein Bestandteil eines Festival-Wochenendes; Band, Location, Orga und Publikum sind die anderen, und die sind wieder mal hervorragend.
Freitag:
Unsere Anreise klappt ganz gut, ist aber doch nicht ganz staufrei. So ist unsere erste Band, der wir beiwohnen, die Schweden von UNLEASHED. Routiniert und energisch rollen die ihre Death Metal Walze über das Gelsenkirchener Publikum. Ich gestehe, meine Liebe zu dem Genre ist nicht sonderlich ausgeprägt und so fällt mir weiter nichts dazu ein, außer dass die Band spielfreudig und gut gelaunt rüber kommt. Das ist generell so ein wenig das Ding bei Rock Hard - hier spielt Hard Rock neben Death Metal, Black neben Classic Rock und True Metal neben New Metal. Manchmal muss man schon stark sein, um die verschiedenen Genres zu ertragen. Aber es gibt ja genug auf dem Festival zu entdecken, neben Merch-Ständen ist kulinarisch einiges geboten, und selbst eine kleine Kunstausstellung ist zu betrachten. Apropos entdecken: BRUTUS, das Trio aus Belgien, mit der singenden Schlagzeugerin, ist der Überraschungs-Act am Freitag. Mehr noch, das Publikum feiert die emotionale Darbietung, insbesondere Sängerin und Schlagzeugerin Stefanie Mannaerts punktet mit offenem Visier und viel Gefühl in ihrer Stimme. Die Band besteht seit 2013 und ich würde mich nicht wundern, wenn dieser Gig, zumindest in Deutschland, die Türen öffnen sollte. Ich für meinen Teil werde das Kollektiv, mit seinem sehr modernen und eigenständigen Sound, im Auge behalten und sicher bald auch hier auf Metalinside.de eine Review oder ähnliches anbieten. Danach ist AMORPHIS als Headliner auf der Bühne. Die Finnen können mit ihrem gefälligen, mit viel Keyboard und Folk-Anteilen gespickten Death Metal überzeugen. Die Show ist der eines Headliners angemessen, viel Farbe und atmosphärisches Licht füllen den sich eindunkelnden Nachthimmel über dem wunderschönen Amphitheater. Und auch der Sound ist allererste Güte, sehr modern, kraftvoll und transparent.
Samstag:
Der zweite Tag vom Rock Hard beginnt pünktlich mit der Dortmunder Doom Band WHEEL. Die Sonne scheint wieder recht ordentlich, trotzdem zieht Sänger Arkadius Kurek seine Kapuze nicht vom Kopf. Nette Performance, aber für meinen Geschmack doch ein wenig trivial. Danach ist Essenfassen angesagt. Die Preise schwanken von 5-10 €, vom Fischbrötchen, über die klassische Bratwurst bis hin zu Chinanudeln, Crêpes und Kartoffelpuffer ist einiges zu finden. Die Toiletten-Situation ist top, gerade die mit fließendem Wasser und recht gut belüfteten WC-Container sind beliebt. Pünktlich zu WALTARI geht es zurück ins Halbrund. Die finnische Rockband darf auf dem Billing durchaus als Exot bezeichnet werden. Lebhaft und gut gelaunt performt die knallige Band ihre Mischung aus Punk, Pop, Funk und Metal. Ich sehe einiges Kopfschütteln unter den Metalheads, aber ich höre auch Applaus - wie sagte treffend eine Zuschauerin und Kurzzeitgesprächspartnerin: "Ich empfand die irgendwie lustig und erfrischend". Darauf folgt der erste wirkliche Hard Rock und Classic Rock Act. VANDENBERG überzeugt mit seinem starken Sänger Mats Leven auf ganzer Linie und darf neben PRIMORDIAL als Tagessieger genannt werden, zumindest für mich. Der niederländische Ex-WHITESNAKE-Gitarrist spielt 6 Songs seiner ehemaligen Band und tatsächlich nur vier seiner Solo-Alben. Natürlich ist das kein Club-Tour-Gig, sondern ein Festival-Auftritt - das muss ich immer wieder den Leuten sagen, die gern mehr Songs von seinem starken aktuellen Album hören wollen. Songs wie "Fool for your Loving", "Give me All your Love" und das auf einer akustischen Gitarre eingeleitete und anbetungswürdige "Sailing Ships" sind Klassiker und zünden eben. Die starke Performance wird mit massig Applaus entlohnt. Und typisch Rock Hard gibt es nach Classic Rock "at it's best" doomigen, folkisch durchzogenen Black Metal. Warum auch nicht? PRIMORDIAL mit ihrem charismatischen, weiß bemalten und mit einem Galgenstrick geschmückten Sänger haben das Halbrund schon beim Betreten der Bühne auf ihrer Seite. "Are you with me?" ist dann auch die unnötige oft gestelle Frage von Alan "Naihmass Nemtheanga" Averill, diese ist rein rhetorisch und wird immer mit einem mächtigen "yeahh" beantwortet. Apropos mächtig, das trifft auf diese irische, ungemein dramatische und unfassbar mitreißende Band zu. Das sind die klaren Highlights (VANDENBERG & PRIMORDIAL) des Tages. Böse Zungen behaupten, dass auch die Thrasher von FORBIDDEN dieses Level halten und mit zu den Siegern zählen. Ich für meinen Teil kann dem aggressiven kalifornischen Thrash aber nichts abgewinnen. Ähnlich geht es mir bei der KK'S-PRIEST Show. Und dabei war ich erst im März bei JUDAS PRIEST und zähle mich zu einem großen Fan dieser Metal-Institution. Ich bin aber kein großer Anhänger von Tim "Ripper" Owens Gesang und auch die Show, mit einem klischeehaften Leinwand-Intro eingeleitet, empfinde ich als ideenlos und irgendwie infantil. Ob KK'S PRIEST überhaupt schon einen Headliner-Status hat, stelle ich in Frage. Aber man muss der Band zugute halten, dass viel eigenes Material gezockt wird und erst gegen Ende der Show mit "The Green Manalishi", "Breaking The Law" und dem starken "Victim Of Changes" einige der besten JUDAS PRIEST Klassiker ins Programm genommen werden. Dem Publikum gefällt der Gig, und so endet dann auch der Samstag überwiegen trocken und rockend.
Sonntag:
Der Sonntag beginnt zwar trocken, aber tatsächlich wird dieser Tag, wie angekündigt, doch etwas feuchter und schauriger. Den Beginn markieren die Amerikaner von WINGS OF STEEL, die schon auf dem K.I.T. ihre Visitenkarte hinterlegt haben und auch auf dem Rock Hard eine starke Performance ablegen. Während dem Gig erscheint ein Regenbogen über dem noch trockenen Rock Hard-Gelände, und das ist bereits ein klimatischer Vorbote und Fingerzeig, was noch kommen wird. Die Mädels von MAGGOT HEART rocken engagiert, können aber mit ihrem punkigen Rock bei mir keinen Eindruck hinterlassen. JOHN DIVA AND THE ROCKETS OF LOVE gelingt das um einiges besser. Das bunte Kollektiv legt sich mächtig ins Zeug, kommuniziert viel mit dem Publikum und kann mit seiner wenig originellen und musikalisch oft abgekupfert wirkenden Vorstellung doch punkten. CHAPEL OF DISEASE sorgen schon beim recht detaillierten Soundcheck dafür, dass sich zunehmend Publikum im Halbrund einfindet. Und auch die mit viel Vorschuss-Lorbeeren ausgestattete Bandankündigung, durch einen der Veranstalter, sorgt für Spannung - was die Kölner Band aber dann tatsächlich auch in der Lage ist, mit Inhalt zu füllen. Eine bluesige, gefühlvolle Gitarre, gepaart mit Death Metal Growls gibt es nicht alle Tage. Und ohne Zweifel ist das, was uns hier Laurent Teub und seine Mitmusiker bieten, große Kunst und eine gewagte, aber funktionierende genreübergreifende Glanztat. Ich sag' nur, ganz großes Tennis, meine Damen und Herren. Was CHAPEL OF DISEASE zu viel an Soundcheck hatten, haben DEMON zu wenig. So muss ich der englischen NWOBHM-Legende den schlechtesten Sound, zumindest zu Beginn des Gigs, attestieren. Und dennoch kann die Band trotz langsam einsetzenden Regens punkten. Allein die Setlist ist trotz nagelneuem Album nur mit Klassikern bestückt und die sorgen für Wohlwollen in Gelsenkirchen. Und dieser Umstand zeigt auch, dass Dave Hill und seine Mannen sich von ihrer stärksten Seite präsentieren wollen und eine Nummer, wie das tieftraurige und wunderschöne "Remembrance Day" nur für frenetischen Beifall sorgen kann. Somit haben DEMON bis auf den fehlenden oder zumindest mangelhaften Soundcheck alles richtig gemacht. EXHORDER gehen dann leider bei einem festen Regenguss, zumindest bei mir, verloren. RIOT V hätten vielleicht so etwas wie ein geheimer Headliner auf dem Rock Hard sein können, wenn da nicht der Regen und die wunderbaren D.A.D. gewesen wären. D.A.D. ist der mit Abstand beste Headliner des Festivals. Nicht nur, weil die Bühnenkulisse mit dem atmosphärisch angeleuchteten Stierschädel (Logo) und dem auf einer Torte platzierten Schlagzeug (das ging später nach oben) einfach allererste Sahne ist. Nein, auch weil D.A.D. unfassbar starke Songs im Köcher haben, aber viel mehr noch, da die Band einfach authentische Freude und Spaß ausstrahlt - trotz nassem Gelände und "eingetütetem" Publikum. Allein die Ansagen von Jesper Binzer im dänisch-deutschen Kauderwelsch sind so charmant und unfassbar komisch, schon diese Idee verdient Applaus. Ich kann Euch nur raten, schaut euch den Gig (siehe unten) unbedingt an und ihr werdet verstehen, was ich meine. Tolle Show, großartige Band und ein würdiger Abschluss.
Das Rock Hard ist mit seinen ca. 7000 Besuchern ein eher kleines Festival. Die Location, das Gelsenkirchener Amphitheater, ist eine der schönsten Spielstätten der Republik. Aber das besondere an diesem Festival ist sein Publikum. Hier schließt man Freundschaften für ein Gespräch, für einen Augenblick. Hier findet man Ruhe und Stille bei Dezibel und Paukenschlag. Hier darf und ist man, wenn man das möchte, für sich und trotzdem eingebettet und ja, fast behütet in einer Gemeinschaft unter Gleichen. Das Rock Hard ist für mich persönlich trotz seiner sagen wir mal etwas schwierigen und unharmonischen Besetzung eines DER Festivals in Deutschland, und dazu trägt das wunderbare Publikum einen großen Anteil. Vielen Dank an alle Teilnehmer!
