Festival:

Rock Hard Festival 2023

Festival vom 26.05.2023

Das Rock Hard Festival gibt es heuer 20 Jahre, somit wurde es höchste Zeit, das alteingesessene Festival im Herzen des Ruhrgebiets einmal zu besuchen. Metalinside rückt in Zwei-Mann- Stärke an, und passend zum Jubiläum zeigt sich die Sonne in Topform und komplett die drei Tage.

Das Gelsenskirchener Amphitheater gehört sicher zu den schönsten Locations in Deutschland. Der Rhein-Herne-Kanal fließt direkt hinter der Bühne vorbei und die stufig angelegte Bauweise sorgt für perfekte Sicht von nahezu jedem Platz. Man kann stehen, wenn man möchte, man kann sitzen, wenn einem die Beine müde werden. Und der Sound war die drei bzw. zwei Tage wunderbar, druckvoll und transparent, was sicher auch zum Teil der trichterförmigen Arena geschuldet ist.

Nach der nicht ganz staufreien Anreise packten wir es, immerhin noch pünktlich zum VICIOUS RUMORS Gig. Die amerikanische Power Metal Legende liefert eine routinierte und lebhafte Performance ab. Gegen Ende der Show werden verstärkt Songs aus dem Debüt und dem großartigen "Digital Dictator" zum Besten gegeben. Und diese verfehlen ihre Wirkung nicht, das Publikum wird zunehmend lauter und lebendiger im Halbrund. Einziges Urmitglied und Mastermind Geoff Thorpe bedankt sich mehr als herzlich bei den Fans und zeigt sich erfreut über die Publikumsreaktionen.

Anschließend schlendern wir über das Festival, treffen ein, zwei Bekannte, chillen kurz im schattigen Biergarten und genießen das vielfältige, auch vegane, kulinarische Angebot. Die Atmosphäre ist gelinde gesagt Weltklasse. Es gibt jede Menge Stände, gerade auch Bierstände, so ist ein langes Anstehen nicht nötig. Das Publikum strahlt eine lässige Ruhe und Unaufgeregtheit aus, die einfach nur zum Entspannen einlädt. Und obwohl hier heute der dunkelste und böseste Death, Thrash und Black Metal im Angebot ist, begegnen einen nahezu nur relaxte und fröhliche Gesichter. Die Toiletten-Situation ist mit mobilen Pissoirs und Dixi-Klohäuschen optimal gelöst, Schlangen habe ich keine einzige gesehen. Im VIP-Bereich, der nahezu nicht kontrolliert wurde, und so quasi für jedermann und -frau zugänglich war, gab es noch einen Toilettenwagen (inkl. Spülung und Waschbecken). Während unseres Rundgangs spielte die Birminghamer Death-Metal Institution von BENEDICTION. Und die Briten ließen nur verbrannte Erde zurück. Die Band zeigte sich spielfreudig und hatte sichtlich Spaß bei der Performance. Die Bühne glühte förmlich vor Kraft und Energie, und es war die richtige Einstimmung für die Schweizer Kultformation TRIPTYKON.

Das Rock Hard 2023 punktete nicht mit einem besonders reizvollen Billing, zumindest nach meinem Gusto. Nehmen wir nur mal die Headliner vom Samstag und Sonntag als Beispiel - TESTAMENT und MSG -, so sind das alte Bekannte in Germany und recht häufig auf Tour oder zumindest oft auf Festivals anzutreffen. Der exklusive CELTIC FROST Gig von TRIPTYKON ist sicher das stärkste und reizvollste Headliner-Angebot in diesem Trio. 

Und so füllte sich auch das Amphitheater bei TRIPTYKON zum ersten Mal richtig, nahezu bis zum Rand. Der Gig befriedigte die CELTIC FROST Fans vollständig. Tom G. Warrior war bei bester Laune, kommunizierte auf deutsch mit seinem Publikum und bedankte sich herzlich für das Abfeiern. Es wurden fast alle Klassiker in chronologischer Reihenfolge zum Besten gegeben. Die Bühne mit dem CELTIC FROST Artwork zu "To Mega Therion" von H.R. Giger und dazu die wechselnde atmosphärische Beleuchtung leisteten ihren Beitrag zu einem mehr als gelungenen Tagesabschluss.

Der Samstag hatte einige kleine Umstellungen in der Running Order zur Folge. Das lag zum einen an der Absage von EXODUS und DISCHARGE und zum anderen an Anreise-Schwierigkeiten von NESTOR. So war der Gig und die "Wiedergeburt" von DEPRESSIVE AGE bereits um 14:30h an der Reihe. Das Kollektiv zeigte sich spielfreudig und gerührt von dem Andrang der Fans. Die Berliner überzeugten mit einem klasse Sound, viel Interaktion mit dem Publikum und einem "Best of"-Set. Die Überraschung des Tages war der Gig von VOIDVOID. Die kanadische Band mit ihren Thrash-, Industrial-, Electro- und Prog Metal-Einflüssen war sicher nicht jedermanns Sache, aber zumindest interessant war das Schauspiel, das die vier in Gelsenkirchen abzogen. Für mich folgten nun die Highlights dieses Festivaltages. BRIAN DOWNEY´S ALIVE AND DANGEROUS mit ihrer THIN LIZZY-Verneigung war ein pures Hard Rock bzw. Classic Rock-Schmankerl. THIN LIZZY Gründungsmitglied BRIAN DOWNEY heuerte mit Sänger/Bassist Matt Wilson einen Phil Lynott-Klon an, den ich am Anfang zu nahe am Original empfand, aber gegen Mitte und Ende einfach nur abfeiern konnte. Zu schön, fast schon rührend und stimmig, war sein Nachstellen der Legende, und das dargebotene Set war einfach nur perfekt.

Eine Besonderheit und so von mir noch nicht erlebt, war die Serviceleistung der mobilen "Bierstationen". Dieses Servicepersonal mit den "Bierrucksäcken", immer bereit, den Zuschauer mit frischem, kühlen Gerstensaft am Platz, quasi per Augenkontakt oder Zuruf zu versorgen, war bemerkenswert und mehr als willkommen. Man musste zum Teil nicht einmal aufstehen für ein "frisch Gezapftes". Hier nochmal ein dickes Dankeschön an diese immer freundlichen und geduldigen Mitarbeiter, denen kein Gang zu weit war und die mit ihrer Präsenz, bei andauerndem Sonnenschein, nicht hoch genug gewürdigt werden können.

NESTOR boten nach BRIAN DOWNEY´S ALIVE AND DANGEROUS perfekt inszenierten AOR. Die Schweden sorgten mit ihrem Keybordsound, den rosa Hemdchen und grünen Bändern zwar bei hartgesottenen Metal Fans für Kopfschütteln, gleichwohl war hier der Besucherandrang am Samstag bis Dato am größten. Und bei der abschließenden Whitney Houston Covernummer "I Wanna Dance With Somebody" sang und tanzte nahezu das ganze Rock Hard Festival mit. Starker Auftritt und tolle Songs!

Unsere letzte Band des Festivals war SODOM, die für EXODUS kurzfristig einsprangen. Und das war ein mehr als würdiger Abschluss. Die Gelsenkirchener Band, quasi in ihrem Stadion, als "Heimspiel" zu erleben - und das nach dem sicheren Abstieg von Schalke 04, der ebenso am Samstag Tatsache wurde - war schon was Besonderes. Eine fast schon intime und innige Freundschaft verband das Publikum mit der Band. Diese Atmosphäre war im ganzen Stadion spürbar, und auch wenn ich mit den Thrash-Salven der Kapelle wenig anfangen konnte, so riss mich der emotionale Gig doch mit und ich spürte, SODOM gehört hier dazu wie SCHALKE 04, der Rhein-Herne-Kanal, die Trinkhallen und wie das als letztes gespielte "Steigerlied".

Aus persönlichen Gründen mussten wir das Festival am Samstag beenden. Es war unser erstes ROCK HARD Festival, aber mit Sicherheit nicht unsere Letztes. Die Location und die Atmosphäre gehören für mich mit zum Besten, was man im Festival Sommer in Deutschland erleben kann. Ein Festival eingebettet in einer Ruhrpott-Metropole, voller Flair, Charme, kontra grauem Beton und Arbeiterstadt, hat schon was. Die Organisation war routiniert und unaufgeregt, die Größe des Festivals trifft ein richtiges Maß von nicht zu groß und nicht zu klein. Die Preise sind angemessen, wenn man den tollen Service und die Personaldichte mit einbezieht. Wenn jetzt das Billing vielleicht noch etwas mutiger und bunter wird, kann sich das ROCK HARD, mit seiner wunderschönen Location und genialen Atmosphäre, auch ohne die ganz großen Headliner mit jedem Festival in Europa messen.

Text: Marco Berghammer    Fotos: Michael Berghammer