Festival:

Rock Hard Festival 2022

Festival vom 04.06.2022

Mit Recht hat sich das Rock Hard Festival zu einer festen Größe etabliert. Jahr für Jahr pilgern Metaler an Pfingsten von weit und breit ins Ruhrgebiet und frönen hier dem gepflegten Krach. Das Publikum schätzt nicht nur das abwechslungsreiche Line-up, sondern vor allem die entspannte Atmosphäre im Gelsenkirchener Amphitheater direkt am Rhein-Herne Kanal. Nach der Corona-Zwangspause sind die Leute heiß auf Live-Musik und heiß auf die beginnende Festivalsaison. Und wo kann man den Festivalsommer besser starten, als auf dem charmanten Rock Hard Festvial:

„Heavy Metal Breakdown“ anstatt „Dicke Titten Kartoffelsalat“

Fernab von Ballermann-Junggesellenabschieds-Tourismus gibt’s hier die für einen Rauschzustand ausreichende Dosis Heavy Metal. Ich reise Samstag an und werde auf dem Campingplatz entsprechend begrüßt: „hey du bist spät, du hast schon voll viel verpasst“. Die Festivalbesucher konnten sich am Vortag die Gehörgange bereits von Kapellen wie NIFELHEIM, AXXIS, HEATHEN und SACRED REICH freipusten lassen. Den Zeltaufbau versüßt mir der griechische Psychedelic Folk Rock von VILAGERS OF lOANNINA CITY, welcher vom mit gegrilltem Fleischgut verfeinerte Sommerwind über den Platz getragen wird. Höchste Zeit für ein kühles Pils und es geht, vorbei an dem reichhaltigen Angebot der Merch-Stände, ins Amphitheater, wo ATLANTEAN KODEX loslegen. Die Bayern klingen ein wenig nach ICED EARTH und können das Publikum mit klassischen Heavy Metal-Songs wie „Twelve Stars and an Azure Gown“ und „The Atlantean Kodex“ begeistern. Die Sonne scheint, die Stimmung ist gut und nach nur kurzem Umbau laden THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA ein, die verstaubten Stiefel aufzuziehen und in die Tanzschühchen zu schlüpfen. Die Truppe um den schwedischen SOILWORK-Fronter Björn Strid hat Arena Rock und zuckersüße Wohlfühlhymnen am Start. Das Projekt begann als spontane Schnapsidee und inzwischen veröffentlichte die Band ihr sechstes Studioalbum „Aeromantic 2“. Songs wie „White Jeans“ und „West Ruth Ave“ machen Laune, die Mucke ist aber auch ziemlich kurzweilig und seicht mit poppigen Disko-Einflüssen. Das Amphitheater ist in Bierlaune, das Tanzbein wird geschwungen und die Polenese ist auf dem Weg nach Blankenese. 

Mit GRAVE DIGGER wird es bodenständiger und die Truppe hat nicht nur eine Dudelsack- und Trommelkombo, sondern auch reichlich gute Laune mitgebracht. Nach „The Dark of the Sun” und “Excalibur” heist es “The Clans Will Rise Again”. Frontmann Chris Boltendahl und Gitarrist Axel Ritt posen um die Wette. „Lions of the Sea”, „The Ballad of Mary”, “The Heart of Scotland”, “Highland Farewell”: eine Setlist, wie ein Geschichtsbuch. Der Auftritt mündet in den Highlights “Rebellion (The Clans Are Marching)” und natürlich “Heavy Metal Breakdown”.

Auch abseits der großen Bühne wird einiges geboten: „Kumpels in Kutten“ haben TOM ANGELRIPPER & ANDY BRINGS zu Gast und ERNIE fachsimpelt bei Krachmucker TV.

Es hat sich inzwischen rumgesprochen und man hört viele enttäuschte Stimmen: PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS haben kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Auch ich hatte mich auf amtlichen MOTÖRHEAD-Sound gefreut, denn es war ein MOTÖRHEAD-Set angekündigt.

Das ROCK HARD konnte aber einen guten Ersatz herbeischaffen und das in kürzester Zeit: ASPHYX bringen etwas deftige Härte ins Billing des Festivaltages. Zudem präsentieren sich die Niederländer durchaus sympathisch und Sänger Martin van Drunen bezieht Stellung zum Ukraine-Krieg und lädt das Gelsenkirchener Publikum zum gemeinsamen „Putin – Hurensohn“-Sprechchören ein. Kriegsthematisierender Death Metal muss keineswegs kriegsverherrlichend sein. Die Band startet mit „Botox Implosion“ und stampft mit Tracks wie „Wasteland of Terror“ und „Necroceros“ alles in Grund und Boden. Besonders stark werden ASPHYX, wenn der grollende Doom regiert. Mit dem Nackenbrecher „Last One on Earth“ schließen sie den Gig ab.

Pünktlich um 21:30 Uhr ertönt das Schlachten-Intro von „Into the Storm“: Es ist Zeit für den Samstags-Headliner BLIND GUARDIAN! Das Publikum streckt zu „Welcome to Dying“ die Fäuste empor und singt textsicher „Nightfall”. Hansi Kürsch beweist auf ein Neues seine eingeschränkten Entertainer-Qualitäten: Steif läuft er von rechts nach links und beglückt uns mit langsam gesprochenen Ansagen wie „Rock Hard – ihr seid vorbereitet und wir sind auch vorbereitet - darauf lässt sich durchaus aufbauen“. Aber Schwamm drüber! Weiter geht’s mit „Time Stands Still (At the Iron Hill)” und dann haben BLIND GUARDIAN eine Überraschung! Anlässlich des 30-Jährigen Jubiläums ihrer vierte Platte „Somewhere Far Beyond“ spielen sie das Album heute zum ersten mal komplett live. Die Jubiläumstour musste verschoben werden und steht für September auf dem Programm. Tracks wie „Time What Is Time”, „Journey Through the Dark”, “Ashes to Ashes” sind super Live-Songs, die Ballade “Black Chamber” wird zum allerersten mal live gezockt. Das Publikum dankt es der Band mit vielen „Guardian – Guardian“-Sprechchören. Natürlich wird vor allem “The Bard's Song - In the Forest” lautstark zelebriert und von Anfang bis Ende mitgesungen, bevor „Valhalla - Deliverance: Why've you ever forgotten me“ noch lange nachhallt und nach „Mirror Mirror“ schließlich Schicht im Schacht ist. In Sachen Spielfreude überzeugt vor allem Drummer Frederik Ehmke.

Ein schöner Tag auf dem Rock Hard Festival geht zu Ende; ich könnte mir locker noch ein zwei Bands ansehen, aber als Trost steht Aftershow-Party DJ „Partymonium-Crüe“ bereit. Zudem können sich die Gelsenkirchener Kurgäste noch auf Sonntag mit NIGHT DEMON, ACCEPT und Co. freuen.

Text und Photo Credits: Erik Bosbach, All rights reserved

 



Rock Hard Erik Bosbach