Festival:

M´era Luna 2018 - Sonntag

Festival vom 12.08.2018

Am Sonntagmorgen hatte sich der Wind gelegt, die Sonne lachte über dem Festivalgelände und verwandelte im Laufe des Tages manche vornehm kultivierte Blässe in flammendes Rot. Den Anfang des Programms machten SCHATTENMANN. Die Band um Ex-Stahlmann-Gitarrist Frank Herzig ließ es mit Neue Deutsche Härte-Songs wie „AMOK“ von Anfang an richtig krachen und lockte damit zunehmend Zuschauer aufs Veranstaltungsgelände, welche die nachfolgenden Kreuzritter von HEIMATAERDE gerne übernahmen. Die stampften sich mit „Wie Ein Tier“ und „Hoch Hinaus“ mit Schwert, Schild und Kettenhemd bewaffnet durchs Set, was angesichts der schnell ansteigenden Temperaturen sicherlich kein reines Zuckerschlecken war. Mit „Tanz“ war auch neues Material vertreten und zur Krönung des Auftritts hatte man bei „Hick Hack Hackebeil“ noch eine kleine Hinrichtung am Start, bei der das Kunstblut nur so spritzte. Wen es mehr nach Dark Wave oder auch einfach nur nach Schatten gelüstete, den zog es in den Hangar zu MASSIVE EGO, wo man sich zu den Klängen von Songs wie „Low Life“ und „For The Blood In Your Veins“ ein wenig von der direkten Sonneneinstrahlung erholen konnte.

 

Ruhiger und streicherlastiger ging es unterdes auf der Main Stage zu, wo DIE KAMMER aufspielten und zum entspannten sonntäglichen Picknick auf der Wiese vor der Bühne einluden. Die nachfolgenden Kollegen von BANNKREIS hatten zunächst mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen, in Folge derer einige Minuten lang gar nichts mehr ging, was die Band schließlich zum allgemeinen Bedauern zwang, ein Lied aus ihrem Set zu streichen. Die Kombo bestehend aus vier SUBWAY TO SALLY-Musikern (darunter auch Sänger Eric Fish) und Sängerin Johanna Krins lieferten trotz Sabotage durch die Technik einen runden Auftritt ab und überzeugten mit schönen, folkigen Melodien und Songs wie „Rabenflug“ und „Hilf Mir Zu Glauben“. Mit dem aus „Die Tribute von Panem“ bekannten „The Hanging Tree“ und „Sweet Dream (Are Made Of This)“ fanden sich zudem zwei Coversongs im Set, denen die Band mit deutschen Texte erfolgreiche eine eigene Note verliehen hatte.

 

Anschließend stand Gothic Rock auf dem Programm: LACRIMAS PROFUNDERE übernahmen die Bühne, bei denen das Festival Schauplatz eines einschneidenden Moments der Bandgeschichte wurde: angekündigt worden war der bevorstehende Sängerwechsel bereits im Vorfeld, vollzogen jedoch wurde er live auf der Bühne des M´era Luna. Die Band startete mit Sänger Rob Vitacca am Mikrofon, der diesen Platz über 10 Jahre lang erfolgreich ausgefüllt hatte und das Publikum auch diesmal mit Songs wie „Dead To Me“ in Stimmung brachte. „Es ist immer wieder eine Ehre, hier sein zu dürfen“, bedankte er sich höflich. Und sprach schließlich, nach etwa der Hälfte des Sets, selbst das Ende seines Weges mit LACRIMAS PROFUNDERE an: „Ich bin eigentlich nicht der Typ für Abschiedsworte, aber ich muss sie hier irgendwie formulieren. Wir spielen jetzt noch einen Song und dann wird Julian übernehmen.“ Sprach´s und stimmte mit Akustikgitarre bewaffnet „Hope Is Here“ an. Der anschließende Wechsel ging fast schon erschreckend nüchtern und unspektakulär von Statten: ein bisschen Schulterklopfen von zwei der Bandkollegen, dann war der Sänger weg. Keiner der Kollegen fand den Weg ans Mikrofon, um dem langjährigen Mitstreiter ein paar warme Worte zu widmen, niemand forderte das Publikum zu einem durchdringenden letzten Applaus auf, obwohl dieser wirklich verdient gewesen wäre. Stattdessen erschien Julian Larre auf der Bühne und stürzte sich direkt mit großem Elan und tiefschwarzer Sonnenbrille in seine neue Aufgabe, die er mit einer fast schon an die SISTERS OF MERCY erinnernden stimmlichen Grabestiefe erfolgreich meisterte – etablierte Songs wie „My Release In Pain“ funktionierten auch in der neuen Besetzung problemlos. Der Sänger genoss sein Bad im Rampenlicht sichtlich und wurde auch vom Publikum enthusiastisch aufgenommen: LACRIMAS PROFUNDERE haben ein neues Kapitel in ihrer Geschichte aufgeschlagen, wenngleich man das alte zweifellos etwas glanzvoller hätte beenden können.

 

Währenddessen lustwandelte das Festivalvolk fröhlich über das Gelände, labte sich an Speis und Trank auf dem Mittelaltermarkt und kurbelte auf den Shoppingmeilen die Wirtschaft an. Am offiziellen Festivalmerchandising-Stand waren einige Teile bereits ausverkauft und auch die in der Gothic Fashion Town verkauften Drachenhörnchen hatten offenbar reißenden Absatz verzeichnet, zweifelsohne sehr zur Freude ihrer Hersteller. Überhaupt konnte man das M´era Luna als äußerst „tierfreundliches“ Festival bezeichnen, war doch auf dem Festivalgelände eine breite Palette verschiedener zweibeiniger Vertreter des Kostüm-Tierreichs anzutreffen: die Bandbreite reichte von einer Ratte über eine äußerst fotofreudige Fledermaus bis hin zu einem am Zügel durch die Gegend geführten Pferd.

 

Während FROZEN PLASMA mit Tracks wie „Saving This Moment“ und „Tanz Die Revolution“ im Hanger die Menge zum Zappeln brachten, wurde auf der Main Stage für L´ÂME IMMORTELLE aufgebaut. Leider lies das Ergebnis in Punkto Mix etwas zu wünschen übrig, denn der Gesang ging im musikalischen Background eher unter und gab überdies Anlass zu der Frage, ob Sängerin Sonja Kraushofer diesbezüglich über die Monitore nicht das gleiche Problem hatte und sich selbst nicht richtig hören konnte, denn das Duo – eigentlich versierter Festivalstammgast – hatte schon stärkere Performances abgeliefert, auch auf dem M´era Luna. Nichtsdestotrotz wurde der Auftritt wohlwollend aufgenommen und das Set umfasste mit „Stumme Schreie“, „Fallen Angel“ und „Unendlich“ sowohl Klassiker als auch neues Material.

 

Im Anschluss stand auf der Main Stage ein wahres Urgestein der Szene auf dem Programm: Peter Heppner. Seit mittlerweile über einem Jahrzehnt als Solokünstler unterwegs, hatte Heppner das M´era Luna schon seit einigen Jahren nicht mehr beehrt und wurde entsprechend mit Spannung erwartet. Er erfüllte die Erwartungen vollauf, wartete mit Songs wie „I Won´t Give Up“, „Alleinsein“ und „Kein Zurück“ auf und zog schließlich als ultimative Überraschung noch ein besonderes Ass aus dem Ärmel: einen Gastauftritt von Joachim Witt, der mit ihm „Die Flut“ und „Was Bleibt“ performte – ersteres mittlerweile stolze 20 Jahre alt, letzteres gerade erst am Freitag veröffentlicht und nun in Form einer Live-Premiere mit Special Guest vorgestellt.

 

Danach stand der nächste Mittelalter Rock-Ausflug an: SALTATIO MORTIS brachten sich mit reichlich Pyrotechnik in Gefechtsposition. Mit neuem Album bewaffnet enterten die Spielleute die Bühne und legten mit „Früher War Alles Besser“, „Idol“ und „Wo Sind Die Clowns“ los. Eine deutliche Schlagseite hin zu neuem Material war nicht zu übersehen, trotz einer Geschichte von mittlerweile stolzen 18 Jahren waren im Set gerade mal drei Songs zu finden, die nicht von den letzten beiden, kommerziell erfolgreichsten Alben stammte. Ein bisschen mehr hätte man die eigene Vergangenheit bei aller Liebe zum jüngeren Erfolg dann doch feiern dürfen. Mit „Große Träume“ war selbstredend die aktuelle Single am Start, die Tote Hosen-Stadion-Mitsing-Flair aufs Festivalgelände brachte, zudem die mittelalterlich-nordische Perle „Heimdall“ und das ebenfalls neue, musikalisch aber eher in der alten SALTATIO-Tradition stehende „Brunhild“. Einen überraschenden Ausflug in ältere musikalische Gefilde stellte das in letzter Zeit eher selten zu hörende „Koma“ dar, die Bandklassiker „Prometheus“ und – natürlich—der „Spielmannsschwur“ wurden von allen Seiten mit großem Einsatz gefeiert und letzterer noch lange nach seinem eigentlichen Ende vom Publikum weiterskandiert – zur großen Freude der Spielleute, die sich aufrichtig für das große Engagement trotz hoher Temperaturen bedankten.

 

Liebhaber härterer und elektronischer Gangarten kamen im Hangar auf ihre Kosten, wo nacheinander erst ATARI TEENAGE RIOT und dann die Mexikaner von HOCICO ihre volle musikalische Brachialität entfesselten. Weitestgehend zeitgleich ging es bei FRONT 242 auf der Mainstage zumindest ein kleines bisschen ruhiger zu, während das M´era Luna auf den heutigen Headliner und damit auch sein sonntägliches Finale zusteuerte: EISBRECHER. Die legten mit „Sturmfahrt“ und „Das Gesetz“ direkt druckvoll los, nahmen sich das ganze Konzert über jedoch regelmäßig die Zeit für einen netten Plausch mit dem Publikum – ob als kleiner, zum Text passender Flirt während eines Songs („Prototyp“), als ausdrückliche Danksagung an die gesamte Festival-Crew oder – besonders schön – als Verweis auf die mutmaßliche Allmacht von Bühnentechniker Martin, nachdem dieser zu „Eiszeit“ Schnee auf die Bühne gezaubert hatte: „Fragt uns nicht, wie wir das machen – das ist der Martin, der ist da hinten und der hat einen ganz, ganz heißen Draht nach ganz oben. Vielleicht geht ihr da mal hin – der kann es schneien lassen, da kann er vielleicht auch die eine oder andere Sünde verschwinden lassen! Mir ist schon ganz leicht ums Herz!“. Selbstredend umfasste das Set neben neuerem Material auch etliche Live-Klassiker wie „Miststück“(laut Sänger Alex in der Vergangenheit nur allzu oft falsch verstanden und keineswegs ausschließlich auf das weibliche Geschlecht gemünzt), „This Is Deutsch“ und „Zum Glück Bin Ich Verrückt“, wobei man sich in den Mitsingpassagen auch Nicht-Fans gegenüber ausgesprochen benutzerfreundlich präsentierte: „Wer den Text nicht kennt, schenkt uns ein „Lalala“!“. Bei so viel Spielfreude kann die Bezahlung schon mal zur Nebensache verkommen: Drummer Achim Färber, der bereits einige Stunden zuvor mit PETER HEPPNER auf der Bühne stand, entgegnete auf die Frage seines Sängers hin, wo er denn eigentlich mehr verdienen würde, nur staubtrocken: „Wenn ich eine Bank überfalle…“. Generell feierten sich Band und Publikum gut gelaunt durch das gesamte Konzert, das nach „In Einem Boot“ mit der Vorstellung der Bandmitglieder und der Verteilung einiger EISBRECHER-Plüscheisbären zu den Klängen von „Junge, Komm Mal Wieder Nach Haus“ aus der Konserve ausklang und dem M´era Luna einen würdigen Abschluss verschaffte.



Heimataerde Heimataerde Bannkreis Bannkreis Lacrimas Profundere L´Ame Immortelle L´Ame Immortelle Saltatio Mortis Saltatio Mortis Hocico Eisbrecher Eisbrecher