Festival:

Berlin Swamp Fest

Festival vom 14.09.2017

Zum vierten Mal fand das Berlin Swamp Fest statt und bot eine reiche Auswahl an Bands aus dem musikalischen Untergrund. An drei aufeinander folgenden Tagen gaben Bands verschiedenster Rock- und Metal Genres ihre Musik im Tiefgrund sowie der Zukunft (man merke: schon die Namen der Clubs passen thematisch) zum Besten. Neben musikalischer Vielfalt wurde außerdem Bildkunst ausgestellt und schmackhafte Nahrung verkauft. Grund genug, sich das DIY-Festival zu Gemüte zu führen und sich eine eigene Meinung zu bilden.

 

Erster Tag

Der erste Tag des Festivals gibt schon einen Vorgeschmack auf das, was in den nächsten folgen soll. Den Auftakt geben ZWEIKANT: zwei Berliner Musiker, einer an der Gitarre, der andere am Schlagzeug, die mich am ehesten noch an And So I Watch You From Afar erinnern. Auf der großen Bühne sind dann NORKH mit klassischem Black Metal an der Reihe. Zwar ohne Corpse Paint (obwohl ich mich frage, ob das noch jemand vermisst), dafür werden aber selbst die Ansagen zwischen den Songs gekrächzt. Anschließend treten ZWEIKANT (die ihre Musik übrigens selbst als Doppelcore bezeichnen) zum zweiten Mal an diesem Abend auf – schön, dass das Thema der Band auch in der Planung des Line-Ups berücksichtigt wird. Eine runde Sache. So hundertprozentig versteh ich nicht, was das Ziel der beiden Künstler ist, aber genau das macht den Auftritt auch reizvoll. WOJCZECH spielen später oldschool Grindcore wie aus dem Bilderbuch. Tiefe Growls, die durch Screams abgelöst werden und ein durchgängig hohes Tempo – die ganze Palette wird bedient. Auf der kleinen Bühne treten GOSHAWK auf, deren Selbstbeschreibung als ‚Krach "Dyskalkulepsie" Trash Frickel Rock‘ den Nagel auf den Kopf trifft. Der verspielte sowie agile Instrumental Rock bietet einen schönen Kontrast zur vorangegangenen wie auch nachfolgenden Band. Den Abschluss des Abends machen TIDES OF SULFUR aus Groß Britannien. Sie präsentieren fies-düsteren Sludge Metal, der mit viel Groove daher kommt, durch kurze Blastbeat-Einschübe für Abwechslung sorgt und insgesamt eine wirklich gute Atmosphäre kreiert.

 

Zweiter Tag

Betritt man das Gelände am Freitag fällt direkt auf, dass sich einiges geändert hat. Zunächst gibt es nun drei Bühnen: eine befindet sich im Außenbereich und die kleine Bühne vom Vorabend wird ausgetauscht durch die im Tiefgrund, einem äußerst kleinen, kellerartigen Raum mit entsprechend rauem Ambiente und schlechter Luft.

Dort spielen auch BLACK SADHU aus Berlin. Und zugegeben: das Ambiente der kleinen Bühne passt hervorragend zur Musik, die sich im Bereich Stoner und Doom ansiedelt. Black-Sabbath-Assoziationen lassen sich nur schwerlich vermeiden, was wahrscheinlich einer der Gründe ist warum die Band punkten kann. Hier wird atmosphärische, schleppende Musik geboten. Doch während unten der dunklen Musik gefrönt wird, praktiziert man im Garten das Kontrastprogramm: SHAUN liefern schnellen, vitalen Rock ab, der ab und an in Instrumentalsessions ausufert und vom Publikum dankend angenommen wird. Die folgende Band ODDJOBMEN zeigt nicht weniger Spielfreude. Die Berliner spielen irgendwas zwischen Hard – und Stoner Rock (der vor allem an Queens Of The Stone Age erinnert) mit – ich kann es nicht besser beschreiben – ziemlich spacigen Einschüben. Doch dann endet der Auftritt im Garten und ein Bühnen- sowie Genrewechsel ist angesagt, denn auf der Main Stage treten SINNERS BLEED auf. Mit massig Blast Beats, einem oldschooligen und ordentlichem Death Metal schaffen sie es auch, ein relativ großes Publikum vor die Bühne zu scharren – zur Belohnung gibt es dann sogar (für Festivals ja eher untypisch) eine Zugabe.

Zeit für eine kurze Verschnaufpause. Abseits des Lärms, auf dem Weg zum nächsten Bier treten dabei mehr und mehr die anderen Aspekte des Swamp-Fests zutage: auf dem Weg zur Bar stechen die ausgehängten Bilder hervor und im Außenbereich warten neben den obligatorischen Merchandise-Ständen verschiedene KünstlerInnen mit ihren eigenen Schöpfungen, ein Stand mit veganem Essen sowie ein gemütlicher Sitzbereich.

Dann wird es wieder Zeit für Lärm. 100.000 TONNEN KRUPPSTAHL bieten eine Menge Blastbeats und Lärm. Leider scheint mir der Keller dafür nicht der geeignete Ort zu sein: Hall und Verzerrung sind jenseits des angenehmen oder wünschbaren Niveaus. RAGING SPEEDHORN gehen da einen leicht ähnlichen Weg: zwar wird auch hier viel gewütet, allerdings mit mehr Groove sowie einem Touch von klassischem Hardcore. Die vorletzte Band dieses Abends (MOTHER ENGINE) stellt für mich das Highlight des Abends dar. Der psychedelische Stoner Rock des Trios besticht vor allem durch abgefahren gute Riffs, spannend strukturierte Songs und einer trippigen Atmosphäre. Vom Groove nicht gepackt zu werden war mir nicht möglich. Den letzten Auftritt geben CRANIAL aus Würzburg. Auch hier bleibt nicht viel mehr zu sagen als: wow! Dichter, epischer Sludge Metal, der eine packende Atmosphäre schafft. Hier passt der Sound des Kellers interessanterweise Ideal, da man sich vom Sound umfangen fühlt. Wer auf Größen wie Neurosis, Isis oder Cult of Luna steht sollte hier auf jeden Fall reinhören. Deshalb: Hut ab, gelungener Abschluß!

 

Dritter Tag

Der letzte Tag beginnt für mich mit GLANVILLE, die mit ihrem Mix aus Heavy Metal und Hard Rock eine willkommene Abwechslung zum Rest des Festivals bieten. Musikalisch also irgendwo zwischen Led Zeppelin, Judas Priest oder Iron Maiden zelebriert das Quintett den Sound der 70er. Wunderbar! MALIGNANT TUMÖR – das „Ö“ ist ein guter Indikator – sind sowohl ästhetisch als auch klanglich nah an Motörhead dran: dreckiger, intuitiver Hard Rock / Metal, verpackt in einer Fuck-it-Attitüde, unterstrichen durch eine energiegeladene Bühnenpräsenz. So wurde deren Stil von einem anderem Konzertbesucher m. E. völlig zurecht als „Röad Metal“ bezeichnet. Im Keller präsentieren MOROS straighten, kompromisslosen Death-Thrash mit sehr gutem Sound – sowohl was den Klang als auch den Aufbau der Songs betrifft. Direkt im Anschluss spielen AGE OF WOE auf der großen Bühne. Stilistisch vereinen sie Elemente von Hardcore und (Doom) Metal in ihrer Musik. Das oftmals gedrosselte Tempo der Lieder sorgt in Kombination mit den Shouts und tiefgestimmten Instrumenten für eine packende Atmosphäre. Finster, episch, wütend – der Auftritt der in Göteborg ansässigen Band ist für mich deshalb der Beste des Festivals. 30 Minuten Später treten die vor Ort viel gepriesenen TONER LOW auf und zelebrieren Stoner Doom in Reinkultur. Der Sound ist derart zäh, hypnotisch und trippy, dass man über kurz oder lang gewissermaßen eingesogen wird; der Bass dabei so tief, dass man ihn selbst draußen noch problemlos vernimmt. Untermalt wird alles durch eine Videoprojektion hinter Band, die allerdings nur ein Motiv zeigt: sich drehendes Hanf. Ein schlüssiges Gesamtkonzept, da lässt sich nichts sagen. JEHACKTET bilden demgegenüber ein radikales Kontrastprogramm: den Berlinern gebührt der letzte Auftritt des Festivals, welcher unterm Banner des „Brutal Utta Utta Grind“ dargeboten wird. Deren Performance bietet zwar ein weniger episches Finale als das von CRANIAL, brilliert dafür aber mit mehr Humor, Punk und wesentlich mehr gespielten Noten pro Minute.

 

 

Alles in allem war das Berlin Swamp Fest 2017 äußerst gelungen. Musikalisch vereint es verschiedenste Stile, prinzipiell scheint jedes Genre – solang es denn noch was mit Rock oder Metal zu tun hat – zugelassen. Diese Haltung zeigt sich ebenso in der allgemeinen Stimmung: offen, entgegenkommend, sympathisch. Meiner Meinung nach ist eben diese angenehme Atmosphäre das große Plus vom Festival. Das Zusammenspiel aus ausgestellter Kunst, zahlreichen jungen sowie älteren Bands, die sich auch gern auf Unterhaltungen einlassen und nicht zuletzt einem äußerst angenehmen Publikum machen dieses Festival so reizvoll. Es ist das Swamp Fest als Gesamtkonzept, das überzeugt.