Band:

Dover

BiografieDie richtig guten Rock’n’Roll-Alben sind schon immer eine Sache von circa dreißig Minuten gewesen. Kurz, knackig, kompromisslos. Zwölf Songs à zweieinhalb Minuten – und die Scheibe war im Kasten. Passgenaue Glücksgefühle durch die richtigen Gitarrenriffs zur richtigen Zeit. Das war schon in den Sechzigern bei den Beatles und den Stones so und hat erst jüngst durch Bands wie die Libertines und die Strokes eine wahre Renaissance erlebt. Nun sind auch Dover, Spaniens führende Band in puncto Rock’n’Roll, dieser klassischen Doktrin gefolgt und veröffentlichen mit „The Flame“ eines jener Alben, auf denen Straßenstaub und Studioglanz die perfekte Liaison eingehen. Ein sattes Dutzend Lieder aus der Feder des derzeit wohl besten weiblichen Geschwisterpaars des zeitgenössischen Gitarrenrocks: Cristina und Amparo Llanos. Unterstützt von den beiden langmähnigen Schießbuden-Desperados Alvaro Díez (Bass) und Jesús Antúnez (Schlagzeug), fackeln die beiden Llanos-Schwestern diesmal nicht lange und bringen in exakt 30 Minuten und fünf Sekunden alles auf den Punkt, was die Zunft heuer an höllisch heißem Rock’n’Roll aufbietet.


Seit ihrem Debütalbum „Sister“ aus dem Jahr 1995 verteilen die aus Madrid stammenden Dover ihre musikalischen Visitenkarten zunehmend in aller Welt. Nachdem ihr in knapp drei Wochen produziertes Low-Budget-Album „Devil Came To Me“ in Spanien mit über einer halben Million verkaufter Scheiben zum erfolgreichsten nationalen Indie-Album aller Zeiten avanciert war, gab es kein Halt mehr. Nicht nur auf dem europäischen Kontinent sind Dover mittlerweile bekannt wie ein bunter Hund. Die bissige Stimme von Cristina, die bei aller Schärfe auch immer so süß klingt wie knuspriges Karamel, ist längst bis ins tiefste Mexiko vorgedrungen und so landeten sie denn auch auf dem Soundtrack des mexikanischen Kultfilms „Amores Perros“. Für die Aufnahmen ihrer letzten beiden Alben, „Late At Night“ aus dem Jahr 1999 und das vor zwei Jahren veröffentlichte „I Was Dead For 7 Weeks In The City Of Angels“, waren sie sogar in die Staaten gegangen. Doch bei aller Klasse dieser Alben, die in Seattle respektive Los Angeles entstanden und ihnen sogar einen MTV Europe Award einbrachten, haben Dover erst jetzt, vor der eigenen Haustür, ganz zu sich selbst gefunden.


„The Flame“ entstand in gerade mal zwei Monaten im Sommer dieses Jahres in einem Studio in Boadilla del Monte, einen Steinwurf entfernt von den eigenen Proberäumen und Wohnungen in Madrid. Am Mischpult saß der amerikanische Produzent Rick Will, dessen Agenda von Ben Harper bis Incubus, von Fear Factory bis Ziggy Marley reicht. Mit seiner Hilfe ist es der Band gelungen, ihre Songs so konzentriert und kompakt wie nie umzusetzen. Kein Riff zu viel, keine unnötigen Schnörkel verstellen den Blick auf dieses wie entfesselt aufspielende Quartett. Dovers untrügliches Merkmal war schon immer eine furiose Mischung aus europäischer Pop-Explosion der Sixties (Fab Four forever!) und amerikanischer Punk-Explosion der Eighties (Social Distortion in dulci jubilo!). In diesem Geiste treten Dover auch diesmal den Marsch durch die internationale Rock’n’Roll-Gemeinde an. Cristina stürzt sich mit einem Elan durch prächtigen Power-Pop wie das autobiographische „27 Years“ („’Band On The Run’ was all that I could sing“) und „Mi Sombrero“, dass selbiger Hut glatt fliegen geht. Ganz zu schweigen von Punk-Attacken wie „My Fault“, „Afterhours“ und dem sprichwörtlichen „Die For Rock & Roll“. Zicke, Zacke, Herzattacke. Dover brennen!


„The Flame“ bietet jede Menge dieser kleinen dreckigen Hymnen samt Miniatursoli, Wahnsinnsbreaks und Durchdrehgarantie, Songs, denen man die brennende Leidenschaft der Band einfach anmerkt. Selbst auf der einzigen akustischen Preziose „Someone Else’s Bed“ glühen und vibrieren Dover. Das Album schließt mit „All My Money“, einem mächtigen Finale, das nur ein einziges Verdikt erlaubt: Jeder Rock’n’Roll-Schnappschuss trifft hier ins Schwarze. Dover brillieren so wild und ungezügelt wie auf der selbst gefertigten Collage aus Polaroids, die Cover und Booklet ziert und die Band und ihre Marotten lust- und liebevoll dokumentiert. Fazit: Großer Pop, der mit wahrhaft schönen Songs von einer Kraft und Vitalität aufwartet, die jegliche Befürchtung, dass solch ebenso zeitlose wie zeitgenössische Rockmusik jemals aussterben könnte, mit einem Mal entkräftet. „The Flame“ erscheint bei uns zwar als Nachzügler des Jahres 2003 erst zu Beginn des neuen Jahres, liegt aber musikalisch ganz weit vorn.


„Rock & Roll ist meine wahre Leidenschaft. Und wenn ich mal mies drauf bin, denke ich wirklich, dass es das Einzige wäre, wofür zu sterben sich lohnt.“

Cristina Llanos, Dover
Quelle: http://www.capitolmusic.de/Discografie2004 The Flame

2002 It´s Good To Be Me

2001 I Was Dead For 7 Weeks In The City Of Angels

1999 Late At Night

1999 Devil Came To Me www