Review:

Vitalogy (Re-Release)

(PEARL JAM)

Wenn jemand das neu aufkommende Grunge-Genre Anfang der 90er Jahre aufgrund dieser Platte von PEARL JAM namens "Vitalogy", als Grund für eine etwas ablehnende Haltung für diese Musik angeben würde - ich könnte ihn gut verstehen.

Denn bei diesem Werk schieden sich schon immer etwas die Geister. Die erste Scheibe der Herren aus Seatle aus dem Jahr 1991 ,„Ten“, war wirklich ein geniales Werk - alles was danach kam war für meinen Geschmack deutlich schlechter, auch wenn man sich inhaltlich und auch stilistisch deutlich weg vom Grunge veränderte. Das Zweitwerk "Vs." vermochte ja noch annähernd zu zünden, aber mit "Vitalogy" konnte ich damals wie heute bis auf die Balladen nicht viel anfangen. Da ändert auch dieser Re-Release mit fast 20 Jahren Abstand nicht viel. Dieses Album war mir viel zu sperrig, vielfach unmelodisch, rau, schepprig, sehr experimentell und vom minimalistischen Aufbau her bot es Garagesound pur. Mitunter vor allem recht laut kommen die Songs daher, vieles klingt nach Wut und Ablehnung einer jungen Nachwuchsband, die viel lieber nach einem Songwriter wie Neil Young klingen wollte, als nach einer erfahrenen Kapelle, die schon Millionen von Alben verkauft hatte.

Aber gerade das veranlasste PEARL JAM wohl dazu, sich mehr und mehr medial zu verweigern, man wollte partout den Superstarstatus loswerden sowie das Mainstreampublikum (v)erschrecken. Dazu gehört natürlich auch viel Mut, den gilt es zu respektieren aber automatisch gut finden muß man dies ganz sicher nicht.

Passend zum 20-jährigen Bandjubiläum werden jetzt zuerst "Vs." und "Vitalogy" als Neuauflagen mit remastertem Sound und Bonustracks veröffentlicht. Beide Neuauflagen sind zusammen mit einer Live-CD von 1994 im Package erhältlich, außerdem sind aufwändige Luxusedition zu bekommen. Aber „Vitalogy“ ist und bleibt ein sehr verdaulicher Brocken, von der emotionalen Tiefe in den Songs mit dieser hymnenhaften Melancholie mit Kracher wie „Jeremy“ oder „Alive“ ist diese Platte leider mesit weit entfernt. Das Material klingt sehr roh, mit eher simplen Arrangements, ohne große Linie, unaufgeräumt und ja man scheint beinahe absichtlich wie eine kleine „Anfängerband“ klingen zu wollen, die ihre Scheibe in der heimatlichen Garage aufgenommen hat. Kaum zu glauben, dass auch hier "Vs."-Produzent Brendan O'Brien an den Reglern saß, die rumpelige und sehr noisy geprägte Ausrichtung klingt recht schepprig - scheint aber alles bewußt so gewollt zu sein.

Der Anfang mit "Last Exit" ist noch ganz o.k, aber hier geht einem der Drumsound schnell auf den Zeiger. Dann das ruppig-punkigen "Spin The Black Circle" ohne jede Melodie; einfach nur pure Wut und Chaos. Auch bei dem eher schleppenden „Tremor Christ" fehlt mir etwas Bleibendes, sehr schräge Gitarrenleads und psychedelische Vocals aus einer anderen Welt, aber ohne Zusammenhang. Die durchaus energiegeladenen "Whipping" und "Corduroy" zeigen mit ihren angedeuteten Hymenrefrains in Teilen zumindest noch etwas von der klasse Band, die man von „Ten“ her kannte. Absoluter Schrott dagegen sind Sachen wie „Bugs“ (klingt wie ein vierjähriger der schräge Akkordeontöne spielt und über seine Käfer erzählt) - dagegen ist Tom Waits ein genialer Sänger – echt grausig. Auch der Soundbrei von “Aye Davanita" in schierer Endlosschleife ist ziemlich daneben. Die absolute Krönung sind natürlich die sieben Minuten von“ Hey Foxymophandlemama, That's Me“ (der Song klingt so wie er heißt, nur noch mieser); hier wurden mit zahlreichen Sprachsamples von Insassen aus psychiatrischen Anstalten und seltsam gezogenen Klängen unnütz Zeit vergeudet.

Zum Abschluss auch noch was positives - es gibt einige gelungene Balladen, die beste ist ganz klar das folkige "Immortality", aber auch das sehr aufwühlende "Better Man" ist zu recht einer der beliebtesten PEARL JAM-Songs bis heute. Auf dem düsteren „Nothingman“ zeigt Vedder, dass er tatsächlich ein neuer Young sein kann, wenn er nur denn möchte.

Die Legacy-Edition von „Vitalogy“ enthält als Bonussongs den bisher unveröffentlichten Instrumental-Mix (Orgel und Gitarre) von "Betterman", eine unveröffentlichte Alternativversion von "Corduroy" aus den "Vitalogy"-Sessions, aufgenommen von Brendan O'Brian sowie eine unveröffentlichte Demoversion von "Nothingman".

Vitalogy (Re-Release)


Cover - Vitalogy (Re-Release) Band:

PEARL JAM


Genre: Rock
Tracks: 17
Länge: 68:35 (CD)
Label: EPC
Vertrieb: Sony Music