Interview:

2003-07-15 Cosmotron

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Kuschelige 30° im Schatten. Da wir aber wahre Männer sind setzen wir uns natürlich in die pralle Sonne - also um die 50°, "gefühlte Temperatur" sicher mehr wie es so schön heißt... In der Mitte Eis und Schlagsahne, wobei vor allem ersteres die hohen Temperaturen nur in Maßen abkann und sich nach und nach verflüssigt. Der Schauplatz des dramatischen Eissterbens ist das Neuenheimer Feld, Campus der altehrwürdigen Heidelberger Uni. Das "Rock Im Feld" lädt und COSMOTRON kamen um zu rocken.Interview"Vor zwei Tagen in Münster auf dem Campusgelände haben wir angefangen und dann war eben dieser Gig hier in Heidelberg gebucht. Gestern hatten wir eigentlich frei aber haben uns da noch einen Hippie-Gig in Trier geangelt."

Und geangelt hat den Gig Rodeostar Promoterin Stef, ebenfalls Studentin, ebenfalls am Eis lutschend. -muss ja eh weg bevor es schmilzt, ist der einhellige Tenor.



Vor Studenten zu spielen bedeutet für Frontmann André viel.

"Ich denke, dass Studenten diejenigen sind, die unsere Musik am ehesten mögen. Viele von uns sind ja selber noch am studieren. Und so haben wir uns überlegt, dass es ganz cool wäre an Unis direkt Konzerte zu geben um auch direkt an die Leute ranzukommen."



Und auch altersmäßig passt diese Zielgruppe ganz gut.

"Wir sind keine Band die für 15 jährige Kiddies spielt, sondern dass ist eher Musik die man so vielleicht zwischen 18 und 30... oder 35 hört."



Aber was ist nun überhaupt "der" typische Student? In Heidelberg zumindest suche ich den vergebens! André sieht das etwas anders...



"Also bei uns in Bremen finde ich durchaus, dass es den typischen Studenten gibt.. Der typische Student, der viel Musik hört, der auch offen ist für vieles. Ich denke, dass man sich als Student anders verhält als jemand der ganz normal jeden Tag seiner geregelten Arbeit nachgeht. Man ist doch irgendwie freier, man ist selbstständiger in bestimmten Bereichen. Daher denke ich doch dass es ihn gibt, den typischen Studenten - und das sieht man den Leuten dann auch meistens an."



Aber was hört denn der typische Student denn nun für Musik? Die gute Laune Songs um abzuschalten oder anspruchsvolles um weiter zu denken?



"Ich glaube nicht, dass man das in gute Laune oder nicht gute Laune einteilen kann. Ich glaube dass man je älter man ist einfach wählerischer wird. Man hört nicht mehr alles nur nebenbei. Man hört einfach bewusster die Musik. Und ich denke dass unsere Platte genau das anspricht, es ist keine Platte die man besonders gut nebenbei beim Socken bügeln (Anm. des Verf.: Du bügelst Deine Socken? Hölle.) hören sollte. Sie geht doch tiefer, es gibt Stimmungen wo man genauer hinhören muss. Stücke wie "Tram" beispielsweise oder auch "The Indication Of One´s Baser Instincts", da muss man sich richtig reinhören bis man wirklich rankommt. Und natürlich haben wir auch diese Stücke die ein bisschen leichter zugänglich sind, wie "The Dog Show".



Gerade im Stück ""The Indication Of One´s Baser Instincts” steckt vielleicht mehr als man im ersten Moment vermutet, wie Gitarrist Thomas erzählt.

"Wir haben uns da wirklich tierisch reingekniet. Es gab Situationen im Studio wo wir dann unterm Pult lagen und irgendwelche Effekte aneinandergeschraubt haben und uns lange an Details richtig aufgehalten haben. Kleinigkeiten eben, aber wenn man sich richtig darauf einlässt kann man auch viel entdecken."



Und auf der anderen Seite dann aber diese unglaublich eingängigen Songs wie "The Dog Show"... wo bleibt denn hier der Anreiz mich durch einen sperrigen Song zu arbeiten den ich erst 15 mal hören muss um ihn zu verstehen?

"Es gibt doch nichts schlimmeres als diese Platten, die man zweimal hört, dann in den Schrank stellt und dann vielleicht als Rentner wieder herauskramst. Da finde ich es doch gut, wenn man eine Platte vor sich hat, die wie der Albumtitel schon sagt, Gegensätzlichkeiten innehat. Wo Stücke drauf sind, die sofort zugänglich sind, wo aber auch Stücke drauf sind, die man erst entdecken muss. Und das ist doch grade das Spannende! Und ich denke schon dass die Leute sich die Zeit nehmen und das auch zu schätzen wissen. Denn das sind doch die spannenden Sachen, die man längerfristig hört. Die man vielleicht am Anfang nicht so mag, die man aber dafür umso länger hören, und irgendwann wohl auch genießen kann. Ich kenne mich ja selber als Hörer, die Stücke die ich erst nicht gerne mag sind dann die, die sich später als die entpuppen die ich am geilsten finde!


Also ist die Antiparalle auf jeden Fall auch musikalisch zu sehen...


"Gerade die Stimmungen der Songs drücken die Gegensätze aus. Von Himmel hoch jauchzend bis wirklich zu Tode betrübt - und das ist eben Antiparallel. Was für uns dahintersteckt ist für uns die Vorstellung in zwei verschiedenen Richtungen zu gehen, Wege die sich nie kreuzen. Stell Dir vor zwei Menschen starten in Deutschland. Der eine reist über Asien, der andere über Amerika. Und irgendwann trifft man sich wieder, hat unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Man ist unterschiedliche Wege gegangen und trifft sich dann doch irgendwann wieder und tauscht sich aus. Erfahrungen die man vielleicht auf unterschiedliche Art und Weisen gemacht hat. Und das ist für uns eine ganz wichtige Sache, dass man von Dingen Abstand nimmt, sich ergänzt. Es ist eine schöne Lebensweise, dass man sich nicht in Dingen verliert. Ohne einen gewissen Abstand verliert man oft den Spaß und auch den Respekt vor einer Sache. Ob das zum Beispiel die Beziehung zu einem anderen Menschen ist oder zur Musik."



Aber darin liegt doch ein gewisser Widerspruch, denn ohne sich auf eine Sache einzulassen kann man doch die wahre Tiefe höchstens erahnen...


"Einlassen auf eine Sache muss man sich auf jeden Fall! Aber man muss auch immer wieder Abstand gewinnen können. Ist es gut was ich mache - diese Frage sollte man sich immer wieder stellen. Man muss kritisch bleiben bei allem was man tut. Wer denkt dass alles supergeil ist was er macht, der verrennt sich. Und irgendwann kommt die genau gegenteilige Erkenntnis. Man merkt das alles Scheiße ist und wirft dann alles hin. Ein gesunder Abstand ist in jedem Fall wichtig. Wie in einer Beziehung. Stell Dir vor man macht alles parallel, man tut immer dasselbe, man teilt jedes Hobby. Über kurz oder lang würde man sich nur noch ankotzen! Man kann sich nicht mehr sehen und nicht mehr hören. In dem Moment wo man aber Abstand gewinnt, sich vielleicht mal eine Woche nicht sieht, mag man sich danach doch wieder umso mehr."

Und auch auf dem Cover manifestiert sich in Andrés Augen genau dieser Umstand, das immerwährende Bild der Antiparallele. Die mechanische Welt der Technik die man eben braucht um die Musik machen zu können und das emotionale, der Mensch, der die Musik dann schlussendlich macht. Und es funktioniert eben trotzdem beides zusammen!



Bei der musikalischen Umsetzung saß mit Manne Uhlig ein eigentlich eher im Metal/Gothic Bereich beheimateter Mensch hinter den Reglern... und auch J.P. Genkel, der das Album gemastered hat, ist eher im Zusammenhang mit THERION oder COF zu nennen. Thomas erinnert sich an die Zeit im Studio.


"Manne war im Gespräch als Produzent und wir haben ihn dann einfach mal zu uns in den Probenraum eingeladen und haben dort sehr schnell gemerkt, dass es menschlich einfach passt und er auch musikalisch gleiche Vorstellungen hat wie wir. Im Impuls Studio war das dann recht amüsant, als man an den Wänden die ganzen Bilder von MEDUSA und den anderen uralt Metalbands sah, mit ihren Schnurrbärten und Vokuhila."

Sänger André nutzte diesen Umstand auf eine eigenwillige Weise...

"Beim Einsingen für "The Dog Show" habe ich mir die Pinnwand geschnappt um in die richtige Stimmung zu kommen. Was uns eben generell an dem Studio gefallen hat ist die Atmosphäre. Es ist keins von diesen kalten Studios, in die man reinkommt und alles ist steril und man könnte sozusagen eine Operation am offenen Herzen durchführen. Vom Feeling her ist es eher so, dass man sich wie im Wohnzimmer fühl - mit Playstation, einer Theke mit ner schönen alten Flasche Whiskey. Diese gemütliche Stimmung hat uns gefallen. Nicht die Glaswände hinter denen ein feiner Herr sitzt und die Regler dreht, sondern Rock´n Roll eben! Wir wollten außerdem schon immer analog aufnehmen und das Equipment hat uns gut gefallen. Und Manne hat unsere Musik so verstanden wie wir sie verstehen, uns aber auch weitergebracht und seine Visionen mit eingebaut. An manchen Stellen hat er vielleicht das theatralische rausgenommen aus unseren Songs, wovon wir an manchen Stellen vielleicht etwas zu viel hatten, was uns aber nicht aufgefallen war. Im Nachhinein war das aber genau richtig und steht den Songs auch gut!"



Restlos aufgeputzt wurde die Theatralik dann aber doch nicht, denn "Tram" oder "The Antiparallel" besitzen immer noch reichlich Pathos...


"Pathos gehört hier auf jeden Fall auch mit rein, aber er hat eben das Auge drauf gehabt und uns geholfen zu erkennen um was es geht. Nicht im Sinne eines bösen Produzenten der die Songs verbiegt, überhaupt nicht. Aber man braucht Leute von außen, die kritisch an die Sache herangehen. Und das war eben Mannes größter Anteil. Mit seiner ruhigen und natürlichen Art lag er bei uns genau richtig."



Da wird also in einem professionellen Studio gearbeitet, ein fetter Sound inklusive, eine Clubtour steht an... und dabei ist dieser Teil des Business auch für COSMOTON noch recht ungewohnt.

"Wir haben zwar schon alle vorher in Bands gewerkelt, aber das war eben alles doch sehr hobbymäßig."

André hat in seiner Vergangenheit von einer deutschsprachigen Rockcombo, über Bryan Adams Cover bis hin zur Heavy Metal Band a la FEAR FACTORY einiges an der Gitarre und dem Mikro erlebt. Für Grohmi sind die anderen Bandmitglieder sogar alte Bekannte:

"Also mit Thomas hab ich schon häufiger zusammen gespielt auch mit Poldy, das war so was in der Ecke melodiöser Punk. Wir hatten mit der Band auch mal eine kleine Tour ..."



Und trotzdem oder genau deswegen genießen sie es den harten steinigen Weg zu nehmen und sich ohne bekannte Namen in der Hinterhand nach oben zu spielen...

"Ich hasse genau diese Bands die von heute auf morgen bekannt werden. Obwohl man sich auf der anderen Seite auch immer freuen kann, dass sie übermorgen wieder verschwunden sind. Ich mag das, wenn man langsam nach oben kommt. Das Gefühl, dass man etwas dafür tut nach oben zu kommen! Es fällt einem nicht einfach etwas zu, niemand steckt dir was in den Arsch. Mit dem was man tut erreicht man auch etwas - nimm eine Band wir MOTOPSYCHO, sie haben sich langsam nach oben gearbeitet. Im Laufe von 15 Jahren haben sie Kultstatus erreicht, immer ausverkaufte Clubs. Und natürlich kennt sie nicht jeder, aber sie leben gesund damit, sie leben auf der Bühne ihre Musik aus. Und vor allem wird es diese Band in zehn Jahren immer noch geben, solange sie Spaß dran haben und genug Geld damit verdienen. Dafür zieh ich allemal eher den Hut als vor Alexander dem Superstar, den dann nächstes Jahr zum Glück auch keiner mehr kennt."

Grohmi spricht einen weiteren wichtigen Punkt an...

"Dieses miteinanderspielen, dieses Stück um Stück besser werden, es ist eben das Schöne, dass wir alle homogen wachsen an dieser Sache."

Und das ganze in Bremen... einer Stadt die außer einen wenigen Deutschrockbands und SCHWARZ AUF WEIß nicht viel zu bieten hat...

"Angeblich soll Bremen eine recht ausgeprägte Hardcore Szene haben, aber das muss aus der Vergangenheit kommen. Es gibt einfach nicht viele Clubs in Bremen in denen man auftreten kann. Proberäume zu bekommen ist schwierig, keiner featured einen. In sofern ist es für kleine Bands echt schwer in Bremen. Es gibt kein Management in Bremen, Plattenfirmen sowieso nicht... es gibt wenig Infrastruktur für Bands. Unser Management und Label sitzt auch in Hamburg. Aber dennoch bleiben wir definitiv alle in Bremen wohnen, weil wir da doch ganz glücklich sind!"



Beim gleichen Label in Hamburg, Rodeostar/Sony sind auch die Kollegen DIVA INTERNATIONAL, die bei einem Song Vocals beisteuerten.

"Der Schlagzeuger der Band ist ja Manne, unser Producer. Und es ergab sich im Studio dass Arne bei "Picturefreak" mitgesungen hat. Diese schöne tiefe Stelle..."



Neben erwähnten MOTORPSYCHO geben die Jungs dann erstaunlicherweise auch MASSIVE ATTACK und DJ SHADOW als Einflüsse an.

"Natürlich wirst Du bei uns keine Scratches, keine Plattenteller finden wie bei DJ SHADOW, aber eine ähnliche Atmosphäre gibt es manchmal. Mit wenig viel machen. Beispielsweise bei "Cheap Parfume" gibt es im Prinzip nur eine Bassline, ein Stil den MASSIVE ATTACK oder DJ SHADOW sehr oft verwenden. Wir sind natürlich nicht diejenigen die elektronisch an die Sache rangehen, aber das Minimalistische gefällt uns. Diese Einflüsse mag man vielleicht auf den ersten Drücker nicht hören, aber wenn man weiß, dann hört man es auch."



Der Vollständigkeit halber nötigten wir auch André zu einem Kommentar zur neuen METALLICA, und es fiel durchweg positiv aus... In diesem Sinne wünschen wir COSMOTRON bei der anstehenden Tour volle Häuser und mächtig viel Spaß! Rock on!

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