Review:

Afterlifelines

(RAGE)

TIPP

Die deutsche Metalinstitution RAGE ist nun auch schon stolze 40 Jahre im Geschäft. Zu diesem Jubiläum haben sich die Herren aus Herne etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Das neue Werk zu diesem Anlaß besteht aus zwei unterschiedlichen Teilen. “Afterlife“ und “Lifelines“ vereinen sich zu “Afterlifelines“ und ergeben ein echtes Doppelalbum (über 85 Min.) mit düsterem Konzept.

Der erste Teil (“Lifelines“) ist eher eine klassische RAGE-Scheibe und kann quasi als Fortsetzung des eingeschlagenen Weges, der eigentlich auf “Wings Of Rage“ begann, gesehen werden. Thematisch knüpft man aber mit dem aktuellen Longplayer an den Vorgänger “Resurrection Day“ an. Dort wurde die Menschheitsgeschichte skizziert, “Afterlifelines“ zeigt mit erhobenem Zeigefinger eine Gegenwart und dystopische Zukunft auf, in der alle Systeme kollabieren, wenn sich nicht grundlegende Dinge auf der Welt ändern. Musikalisch werden nahezu alle Register gezogen, die diese Combo groß gemacht hat. Nach einem epischen Intro konfrontiert uns “End Of Illusions“ brutal mit der Realität und beraubt uns schlagartig jeder trügerischen Hoffnung. Nachdem Peavy und seine Mannen auf “Under The Black Crown“ mit der Minderheit ins Gericht zieht, die den größten Teil des Geldes verwalten, verbinden sie Zukunft und Vergangenheit, sowie das Leben mit dem Tod über das Internet in “Afterlife“. “Mortal“ ist dann wieder so ein fabelhaft doomiger Track, wie man ihn immer wieder bei Rage findet und liebt. Alles in allem ist der erste Teil eine überaus abwechslungsreiche Darbietung, die neben fetten Riffs mit reichlich schicker Melodie um die Ecke kommt.

Das Sahnestück ist für mich aber definitiv Teil zwei: “Lifelines“! Dort wurden alle Songs mit Unterstützung des Keyboarders Marco Grassoff rundum stimmig orchestriert. Die Truppe experimentierte in der Vergangenheit schon einmal mit klassischen Elementen und es entstand ein Projekt mit dem Namen “Lingua Mortis Orchestra“. Damit konnte ich mich allerdings nie ganz anfreunden, die Art und Weise wie dies demgegenüber heuer umgesetzt wurde, haut mich schlichtweg aus den Socken. Es ist im Prinzip von hart bis zart alles dabei. Da findet man beim Thrasher “Cold Desire“ das eher dezente Streichquartett mit Klavierbegleitung, während bei “One World“ das komplette Ensemble zum Einsatz kommt. An dieser Stelle komme ich auch nicht umhin, das emotionale Gitarrenspiel vom einzig verbliebenen Axtman Jean Borman zu erwähnen. Sein Spiel fügt sich mit viel Pathos mühelos in dieses opulente Soundgewitter. Wie bereits im ersten Teil punktet das Trio mit unfaßbar viel Kreativität und Vielfalt, so daß es mir schwer fällt, echte Highlights herauszuheben....obwohl ein, zwei gäbe es schon. Mit “Dying To Live“ servieren uns RAGE eine kraftvolle Ballade, eingerahmt von zwei Violinen mit Klavier und “Interlude“ ist ein Instrumentalstück das Themen aus der Vergangenheit zitiert. Im Folgenden werden Klassiker wie “From The Cradle To The Grave“, “Turn The Page“, “End Of All Days“, “Sent By The Devil“, “Higher Than The Sky“ und “Don't Fear The Winter“ klassisch kombiniert.

Der Brückenschlag zur Vergangenheit wird im Übrigen auch durch das Cover-Artwork von Karim König visualisiert, dem es gelungen ist, das apokalyptische Szenario mit früheren RAGE-Covermotiven zu verknüpfen.

Vor der Wiederentdeckung des Vinyls waren Studio-Doppelalben stets etwas Außergewöhnliches und wurden aufgelegt, wenn die Künstler so viel zu sagen hatten, daß eben eine LP (mit einer Laufzeit von ca. 45 Minuten) nicht gereicht hat. Ich würde jetzt nicht ganz so weit gehen und “Afterlifelines“ auf eine Stufe mit “The Wall“ von PINK FLOYD, “Quadrophenia“ von THE WHO, das “Weiße Album“ der BEATLES oder “Physical Graffiti“ von LED ZEPPELIN zu stellen, etwas Besonderes ist es aber allemal.

 

 

 

 

 

Afterlifelines


Cover - Afterlifelines Band:

RAGE


Genre: Heavy Metal
Tracks: 21
Länge: 85:59 (2-CD)
Label: Steamhammer
Vertrieb: SPV