Review:

Brutal

(Chaosbreed)

TIPP
Sie haben nichts und niemandem zu viel versprochen, es ist alles noch viel besser als es zu erwarten war: "Brutal" ist tatsächlich die Zeitmaschine ins parallele, glorifizierte Jahr 1990/91 geworden, alles inklusive: Rotziger Death Metal, total verdrehte, kreischende Gitarren - genau um ein genialisches Bisschen neben der Spur, treibendes Riffing, rumpelndes Schlagzeug, stumpfe Rhythmus-Gitarre. Außerdem bedrohlich langsame Doom-Parts, ironisch alles wieder auflösende Bass-Läufe als Übergang zur nächsten Attacke. Jeden (Schweden-) Death Metal Loonie ab Ende 20 bringt dieses Album dazu, vor seiner Plattensammlung hin und her zu tanzen, von jedem seiner Lieblingsalben sind Zitate en gross in diesem Musik-Ratespiel versteckt, als Organspender stellten sich zur Verfügung: "Clandestine" und "Left Hand Path" von ENTOMBED, "Like an Everflowing Stream" von DISMEMBER, "South of Heaven" von SLAYER, AUTOPSY, "Lost Paradise" von PARADISE LOST oder "Pentecost III" von ANATHEMA. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, jeder andere alte Sack, der gerade in mein Zimmer reinhört, hat noch je mindestens drei Platten mehr erkannt. Der Sound hört sich zwar genauso an, wie man den glorreichen Sunlight-Sound im Hinterkopf hat - im direkten Vergleich klingt "Brutal" aber eine ganze Ecke fetter. Die Neunziger kann man also nicht ganz zurückholen, sondern eher besser. Nächste gute Nachricht: Taneli Jarva brüllt und singt bedrohlich - richtig variabel hoch und tief - aber mit so viel Whiskey-Timbre wie er auf den frühen SENTENCED-Platten gar noch nicht hatte - auch noch nicht haben konnte. Esa Holopainen (AMORPHIS), Olli-Pekka Laine (ex-AMORPHIS, MANNHAI), Marko Tervonen (MOONSORROW) und Nalle Östermann haben es irgendwie geschafft, die Zeitleiste mit dem gesammelten Wissen von heute anzubohren - aber auf ein paar Dinge fürs Nostalgie-Gefühl konnte einfach nicht verzichtet werden: Century Media verlosen Mixtapes (Mixtapes!!! Die gibt es sonst nur noch in Uni-Vorlesungen und alten Kinderzimmer-Kisten), es gibt Vinyl mit Bonus-Tracks (auf der CD sind dafür "Rotting Alive" und "F/C/D/C" als Live-Clips), und ein Verriss im Metal-Hammer ist nach über 10 Jahren mal wieder ein echtes Kauf-Argument. Literweise Herzblut stecken hörbar in dieser Dreiviertelstunde Musik - aber genauso viel Spaß, Augenzwinkern, 1000 Weißt-du-nochs und genauso viel Bier und Nackenschmerzen am nächsten Tag. Der Vorteil gegenüber anderen Death Metal-Wiederbelebungsversuchen der letzten Zeit: Das Ärzte-Team hat nicht nur im sterilen OP (will sagen: im Studio) zusammengearbeitet und läuft nun mit Soundfiles in der Hand wieder auseinander, sondern der halblebendige Patient wird jetzt gehätschelt und gepflegt, im Sommer sollen sogar Konzerte bei uns folgen. Laßt euch schon mal die Haare wieder wachsen!

Brutal


Cover - Brutal Band:

Chaosbreed


Genre: Death Metal
Tracks: 10
Länge: 40:30 (CD)
Label: Century Media
Vertrieb: SPV