Konzert:

Spock’s Beard, Enchant, California Guitar Trio - Aschaffenburg, Colos-Saal

Konzert vom 14.10.2003Das man vor dem Aschaffenburger Prog-Tempel Colos-Saal schon mal eine Weile anstehen muss um Augen- und Ohrenzeuge ein Liveerlebnisses der Extraklasse zu werden ist nichts ungewöhnliches. Das aber vor dem Eingang Absperrungen aufgebaut waren, das schon mal erlebt zu haben kann ich mich nicht erinnern. Und die Heerscharren der Progies bildeten dann auch bereits zum Beginn des Einlasses um kurz vor 20 Uhr, erwartungsgemäß äußerst zivilisiert, eine schöne lange Warteschlange - und dass bei Außentemperaturen von knapp über dem Gefrierpunkt.


Und ein Standardärgernis mal vorneweg - nicht zum erstem Mal begann die erste Band des Abends in Aschaffenburg vor der bekannten Startzeit um 21 Uhr. Eine volle halbe Stunde früher startete der Abend, und logischerweise waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle Kartenbesitzer anwesend - so was muss nicht sein. Obwohl Stammgäste des Colos-Saal sich dieses Sachverhaltes durchaus bewusst sind, und deswegen in schöner Regelmäßigkeit einfach entsprechend früher in der Location aufschlagen.


Der Opener CALIFORNIA GUITAR TRIO war mir bis zur Bekanntgabe des Billings der InsideOut-Jubiläumstour (10-jähriges) kein Begriff. Mir war nur die Info zuteil geworden, dass das Trio (für seine musikalischen Ausritte mit drei Akustikgitarren bekannt ist, und sich dabei manchesmal auch der Unterstützung von Bassist Tony Levin (King Crimson, Peter Gabriel) versichert. Der war allerdings im Colos-Saal am heutigen Abend nicht zugegen. Das in Kalifornien beheimatete Trio (Bert Lams aus Belgien, Hideyo Moriya aus Japan und der Ami Paul Richards) bot vor allem Auszüge aus ihrer momentan Best Of-Scheibe "The First Decade". Und dies war mal was echt ausgefallenes und nicht alltägliches –auf musikalisch höchstem Niveau. Besonders der Schluss ließ die Anwesenden mit offenen Mund nach vorne starren. Der letzte Ausritt des CALIFORNIA GUITAR TRIO war eine klassischen Interpretation auf den drei Akustikgitarren, welche mit Beethovens Toccata usw. (bevor ich mich als endgültiger Klassikignorant oute belassen wir es mal dabei) begann und über Mozart und "Freude schöner Götterfunken" einige Gassenhauer in komplett neuem Gewande präsentierte. Nach 30 Minuten war Schluss und verdienter Beifall des mittlerweile übervollen Colos-Saal entließ die drei Akustiker in die (kurze) Umbaupause für ENCHANT.


Die bereits angesprochenen Außentemperaturen von knapp über Null machten ENCHANT dann auch sofort vergessen. Nach 2-minütigen Anlaufschwierigkeiten, die Vocals des Eröffnungssongs drangen kaum merklich durch das losbretternde Soundgewitter, hatten die Jungs aus dem sonnigen Schwarzenegger-Staat den im Colos-Saal gewohnt hervorragenden Klang bei einer verdammt guten Lautstärke. Wie bei allen Bands an diesem Abend braucht man auch hier über die musikalischen Qualitäten eigentlich kein Wort zu verlieren. Sänger Ted Leonard und Gitarrist/Cheffe Douglas A. Ott waren ständig im Kontakt mit dem Publikum, ohne auch nur einen Moment den Faden verlieren. Besonders Bassist Ed Platt zeigte an diesem Abend was er drauf hat - und war auch entsprechend gut abgemischt worden - starker Basssound. ENCHANT spielten einen Mix aus einigen Songs der neuen Scheibe "Tug Of War", dem Vorgänger "Blink Of An Eye" und vor allem älteren Tracks von den ersten Scheiben - eigentlich ausschließlich Highlights. Und "Under Fire" war einer dieser Highlights, welcher einem förmlich durch die Ohren hindurch ins Hirn und da nicht mehr raus wollte - klasse Mit der lautstark verlangten Zugabe ging dann ein ungemein starker, knapp 55-minütiger Auftritt zu Ende, welcher frenetischen Beifall erntete. Es gab einige Anwesende, welche meinten ENCHANT hätten heute und hier einen der unglaublichsten Gigs ihrer Karriere abgeliefert, wenn auch zu kurz. Da war es dann auch nicht verwunderlich, das bei der schon 10 Minuten nach dem Auftritt stattfindenden Autogrammstunde am Merchandising die Hölle los war und noch ein ganze Menge von CDs an den Mann bzw. Frau gingen.


Die Heroen des Abends traten also nach ENCHANT einen an sich schweren Job an - nämlich nachlegen zu müssen. Wenn man allerdings auf den Namen SPOCK’S BEARD hört, sollte dies kein Problem sein - und dies war es auch nicht. Nach dem (ungewolltem) Abgang von Mastermind Neal Morse war Nick D’Virgilio an das Mikro gerückt und man hatte sich für die Tour mit einem Gastschlagzeuger verstärkt. Und eins mal vorweg: der Mann hinter der Schießbude machte seine Sache ausgezeichnet; und Nick ließ es sich nicht nehmen immer wieder mal das zweite Schlagzeug zu besetzen und dann zu Zweit ein Drum-Feuerwerk loszulassen. Das obligatorische Schlagzeugsolo war dann natürlich auch Bestandteil des fast zweieinhalbstündigen Sets. Auch am Mikro bestätige Nick, dass man hier keine Verstärkung von außen braucht - der "neue" sang nicht nur die Stücke des letzten Albums "Feel Euphoria", sondern meisterte auch die Songs der Vorgängeralben meisterhaft. Hier war auch ohne Neal alles im Grünen. SPOCK’S BEARD präsentierten natürlich in erster Linie die neuen Tracks - das praktisch in abgewandelter Form fast vollständig gespielt wurde. Dabei ragten vor allem "Carry On", The Bottom Line" und natürlich "Shining Star" und "East Of Eden, West Of Memphis" heraus - aber was schreib ich - dies ist eine total subjektive Auswahl - Ausfälle gab’s hier nämlich nicht. Das Vorgängeralbum "Snow" wurde mit einem Medley gewürdigt und ging dann in einem der weiteren Höhepunkt des Abends (also jener der aus allen anderen Höhenpunkten herausragte) über. Das war dann eine überlange Version von "Devil’s Got My Throat" - zum niederknien. Man spielte sich, teilweise ausgesprochen improvisierend, dann durch älteres Material und man merkte SPOCK’S BEARD eins den ganzen Abend lang deutlich an: Spielfreude pur - und die immer wieder auftauchenden mehrstimmigen Gesangpassagen waren einfach göttlich. Ryo Okumoto ließ es sich wie immer nicht nehmen faxen zu machen und auch mal einen Seitenhieb auf ehemalige Bandmitglieder vom Stapel zu lassen. Nach einigen der ausufernden Keyboardpassagen musste das kompletter Teil vom Personal zwischendurch mal wieder komplett neu justiert werden. Gittarist Alan Morse hängte als mal den Rockstar raus und ging bei den Solos ab wie Harry, während sich Bassist Dave Meros wie gewohnt solide im Hintergrund hielt. Na ja, wer was von Musik versteht schwankte zwischen bewundertem Staunen und Ungläubigkeit, wie abgedreht und zugleich genial SPOCK’S BEARD immer wieder die Kurve kriegt und zum eigentlichen Song zurückfindet. Wer nicht da war, hat definitiv was verpasst, einschließlich dem kultigen Ende mit "The Light".


Zum Schluss muss dem obig erwähntem einzigsten Ärgernis aber doch noch ein Zweites hinzugefügt werden. Nicht nur die Spielzeit für ENCHANT war erheblich zu kurz - nach Meinung aller hätten SPOCK’S BEARD ruhig auch noch einiges dranhängen können.

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