Interview:

2020-01-21 VUG

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Spätestens mit dem Ende November erschienenen zweiten Album „Onyx“ hat das Berliner Quartett VUG klar gemacht, dass es durchaus dazu fähig ist, zu einer weiteren Größe im Feld des Retro-Rock heranzuwachsen und auch den Vergleich mit bereits etablierten Bands nicht scheuen muss. Im Interview erklären Gitarrist/Sänger Felix, Gitarrist Max und Bassist Phil unter anderem, was bei den Aufnahmen für „Onyx“ im Vergleich zum Debüt anders gelaufen ist, was die ewigen Vergleiche mit KADAVAR für sie bedeuten und was es überhaupt mit diesem Bandnamen auf sich hat.Interview

Was genau bedeutet eigentlich euer Bandname? Steckt dahinter eine tiefere Bedeutung in Bezug auf eure Musik?

„VUG", englisch für „Druse“, ist eine Steinspalte, in der sich, durch Mineralisierung, Kristalle bilden. Der Name stammt von einem Song-Titel von ATOMIC ROOSTER. Uns war unklar, für was „Vug“ steht oder warum der Song so benannt wurde. Felix hat es kurzerhand nachgeschlagen und wir waren von der Bedeutung begeistert, und da es nur eine Christen-Rock-Band gab, die bis dato diesen Namen trug, haben wir ihn uns geschnappt. Fun-Fact: Unser erster Facebook-Kommentar kam von der genannten Christen-Rock-Band: „Rot in hell, you bastards“. In Bezug auf die Musik hat der Name aber nur eine geringe Auswirkung. Einige Lyrics richten sich danach („Inside yourself is a mysterious shine, the outside is hard, the inside is bright“), und unser zweites und aktuelles Album ist nach einem Stein, „Onyx“, benannt.

Wie habt ihr euch als Band gefunden? Wart ihr vorher schon in anderen Formationen aktiv?

Felix und Phil kennen sich schon seit ihrer Jugend, da sie beide in der Nähe von Limburg aufgewachsen sind und im gleichen Proberaumkomplex, dem Kalkwerk, angefangen haben, sich das erste Mal an Instrumenten auszutoben. Max ist erst in Berlin dazugestoßen. Phil und Max haben sich durchs Tätowieren kennengelernt, über Musik gequatscht und beschlossen, sich mal im Proberaum mit Felix zu treffen. Anfangs haben regelmäßig die Leute hinterm Schlagzeug gewechselt und es hat etwas gedauert, bis Nick (DiSalvo, Sänger und Gitarrist der Prog-Psych-Heavy-Rock-Band ELDER; Anm. d. Red.) sich endlich entschlossen hat, nach Berlin zu ziehen, um das erste Jahr ein Teil der Band zu sein. Diesen hatte Max zuvor bei einem Schüleraustausch 2007 in seiner Heimat kennengelernt und war seitdem stetig in Kontakt mit ihm. Gespielt haben wir alle schon in den verschiedensten Projekten. Ob Punk, Pop-Punk, Doom oder Metal. Aber leider alles kleinere Bands oder eher Jam-Projekte … Im Proberaum treffen, um mit viel Bier verdammt laut Musik zu machen!

Wer sind eure musikalischen Haupteinflüsse? Sind auch Bands oder Musiker darunter, an die man aufgrund eures Stils nicht direkt denken würde?

Getroffen haben wir uns auf der Basis mit all den Bands, die in den Jahren vor 2015 aktiv und in der Szene vertreten waren. Also schon alles im Heavy-, Stoner-, Metal-Spektrum, wie GRAVEYARD, HIGH ON FIRE, WITCHCRAFT, THE SWORD, ASTEROID, DEAD MEADOW … Natürlich waren alle alten Größen auch dabei, wie SABBATH, IRON CLAW, Rory Gallagher, Beefheart, ZEPPELIN, DARK (liegt gerade auf dem Plattenteller während wir, Max, Felix und Phil, die Fragen beantworten) … Seitdem beeinflussen wir uns gegenseitig sehr, was neue Musik angeht oder was wir gerade als Inspiration nutzen. Zur neuen Platte haben wir alle verdammt viel HORISON, THIN LIZZY, WOLF PEOPLE und HÄLLAS gehört, aber natürlich hat auch jeder von uns so seine guilty pleasures … Da läuft gern mal alles, von Deutschrap über Screamo und NuMetal bis Pop-Punk. Eine Band, auf die wir uns aber immer einigen können, ist THE HELLACOPTERS!

Was ist in der Zeit nach der Veröffentlichung eures Debüts alles passiert? Unter anderem habt ihr ja jetzt einen neuen Schlagzeuger. Wie kam das?

Endlich Plattenvertrag, die erste eigene Vinyl in der Hand und ab on the road und touren. Das war der Plan und es hat auch halbwegs geklappt. Wir haben sehr viel gutes Feedback erhalten und hatten Bock, die Musik überall live zu spielen. Nur haben wir die Rechnung nicht ganz mit Nick und seinem Hauptprojekt (ELDER) gemacht. Natürlich hatte er Bock, mit uns zu touren und eine gute Zeit zu haben, aber leider hat sich sehr viel überschnitten und seine Wahl fiel dann auf ELDER. Den ersten Sommer haben wir dann mit Markus Töpfer von der Berliner Band HEAT gespielt, zumindest immer, wenn Nick nicht konnte. Das ist aber ziemlich schnell sehr anstrengend geworden, da immer mit unterschiedlichen Drummern geprobt werden musste und diese ja auch ihre eigenen Dynamiken mitbringen. Markus konnte leider auch kein volles Mitglied werden, da er ja in der genannten Band HEAT spielt und zudem auch bei TRAVELING JACK angefangen hatte. So sind wir dann zu Leo Vaessen gekommen – eine alte Studiobekanntschaft, die sich über die Jahre zu einer guten Freundschaft entwickelt hatte. Leo als beruflicher Fulltime-Schlagzeuger war sofort Feuer und Flamme und ist bei uns eingestiegen.

Meiner Meinung nach klingt „Onyx“ noch einmal eine ganze Ecke ausgereifter als euer Debüt, sowohl hinsichtlich der Songs als auch des Sounds. Was habt ihr beim Songwriting und bei den Aufnahmen zu „Onyx“ anders gemacht als bei eurem Debüt?

So gut wie alles. Das Songwriting lief bei der ersten Platte eher so ab, dass einer von uns eine Riff-Idee mit in den Proberaum bringt und wir dann gemeinsam daran basteln, was meist Felix zu Hause zu Ende führt und Texte darüber legt. Das ist heute im Groben auch noch so, nur treffen Max und Felix sich nun häufiger, um gemeinsam an den Ideen zu schrauben. Texte werden mehr abgesprochen und es gibt auch mal kleine Hausaufgaben. So ist z. B. „Easy“ entstanden. Die Idee war, dass innerhalb einer Woche jeder einen kompletten, einfachen Song schreibt und wir dann einen der vier Vorschläge nehmen. Im Grunde ist die Veränderung unseres Songwriting der Veröffentlichung der ersten Platte geschuldet. Wir haben einfach einen anderen Anspruch an uns bekommen. Angefangen haben wir eher als Jam-/Proberaum-Band. Nach nur zwei, drei Konzerten haben wir uns entschlossen, unsere derzeitigen Songs mal als „bessere“ Demo in einem Studio aufzunehmen und durch einen Freundschaftsdeal innerhalb von 48 Stunden kurzerhand die erste Scheibe live eingespielt. Dadurch klingt diese natürlich auch viel roher, dreckiger, aber auch sehr energetisch. Noisolution war darauf nach einer unserer Shows in Berlin sehr interessiert und wollte diese Aufnahmen ohne Wenn und Aber direkt veröffentlichen. Geil! Bei der zweiten Platte haben wir uns dann mehr Zeit genommen. Leo hat sich in den letzten Jahren ein eigenes Studio aufgebaut und so konnten wir stressfrei alles ausprobieren, worauf wir Lust hatten. Daher haben wir z. B. die Akustik-Songs im Wintergarten aufgenommen, um die „Außenwelt“ mit einzufangen, Synthesizer oder andere versteckte Kleinigkeiten eingebaut. Die Main-Tracks aber immer live eingespielt. Der Sound ist auch Leo und anderem Musik-Equipment geschuldet.

Seht ihr euch mehr als Live-Band oder stehen für euch die Studioaufnahmen im Mittelpunkt?

Wir sind eher eine Live-Band! Wir haben aber an allem Spaß.  Studiozeit ist ja leider immer begrenzt und sehr teuer, aufgrund fehlender Einkünfte selbst im eigenen Studio … Daher ist das mehr Mittel zum Zweck. Wir wollen raus, auf die Bühne oder im Proberaum an Neuem tüfteln. Unsere Aufnahmen können daher auch mehr als Momentaufnahme gesehen werden, sie sind ein kurzer Ausschnitt in unserem Prozess, gemeinsam Musik zu machen.

Obwohl ihr einen ziemlich düsteren Sound spielt, scheint ihr euch selbst nicht immer zu 100 Prozent ernst zu nehmen, wie man im Video zu „Easy“ sieht. Wie passt das für euch zusammen? Viele Bands, wie z. B. KADAVAR, ziehen ihr Image ja über sämtliche Kanäle (Fotos, Artworks, Video-Clips etc.) durch …

Düsterer Sound bedeutet für uns nicht automatisch, auch ein düsteres Image pflegen zu müssen. Generell geht es uns mehr um den Spaß an der Musik, die gemeinsame Zeit. Wer uns mal live gesehen hat, kann das eventuell auch besser verstehen, vor allem in Bezug auf das Video. Das ist auch eher ein Einblick in unseren Tourbus, wenn wir auf der Autobahn hängen und es mit uns durchgeht. Wir nehmen uns nicht zu ernst, die Sache bzw. Musik, die wir machen, aber schon. So gesehen sind wir auf der Bühne zu 100 % wir selbst, genauso, wenn man uns in der nächsten Eckkneipe antrifft. Als gutes Beispiel einer Band, bei der das genauso ist, ist vielleicht RED FANG zu nennen.

Wahrscheinlich werdet ihr oft mit anderen Bands aus der gleichen musikalischen Richtung in einen Topf geworfen, besonders die bereits erwähnten KADAVAR liegen als Vergleich relativ nahe. Nervt euch das?

Naja, es ist ja irgendwie klar, dass wir mit Bands aus dem gleichen oder einem ähnlichen Genre verglichen werden. Wir sitzen ja alle im gleichen Sumpf. Das stört uns natürlich nicht. In der Szene ist die Suche nach Vintage-Sound ja einer der Grundpfeiler und so ist das bestimmt auch irgendwie bei uns oder KADAVAR. Die Einflüsse sind zumal ja auch meist die gleichen. Vor Kurzem ist Felix mit Sid Vicious verglichen worden und wir als Ganzes mit einer Blues-Punk-Band à la SEX PISTOLS. Den Vergleich finden wir eher unpassend. Klar haben wir auch unsere Punk-Wurzeln, aber es liegt einfach viel näher und ist auch stimmiger, uns mit KADAVAR in einen Topf zu werfen, auch wenn das nun schon sehr oft geschehen ist. Die sind derzeit nun mal die Erfolgreichsten in dem Genre und allseits bekannt.

Berlin war ja jahrelang vor allem für seine elektronische Musikszene bekannt, später natürlich auch für Deutsch-Rap. In den letzten Jahren scheint sich das aber geändert zu haben, denn es kommen immer mehr Berliner Bands an die Oberfläche, die harte Gitarrenmusik spielen. Erlebt ihr das auch so, oder ist das nur die Wahrnehmung von außen?

Wir denken nicht, dass Berlin von dem Rap- oder Electro-Image gelöst werden kann, aber ja, es gibt einen großen Output an Berliner Rock-Bands. Es sind nicht unbedingt mehr Bands geworden, zumindest ist die Szene nicht viel gewachsen, aber die Bands die es über die Stadtgrenzen schaffen, werden qualitativ immer besser (siehe HEAT, TRAVELING JACK, WEDGE etc.). Shows laufen aber immer noch recht überschaubar ab, man kennt sich, es sind die gleichen Läden, viele Leute gründen neben ihrer Hauptband noch Nebenprojekte … aber leider gibt es noch keinen Rock´n´Roll- Übernahmen für Berlin. Schön wäre es: „Berlin Rock City“. Wir können hier aber auch nur für die Retro-Rock-Szene sprechen, wenn überhaupt. Es gibt immer Veränderung, es ziehen neue Leute in die Stadt oder gründen neue Bands, daher kann es gut sein, dass wir auch gar nicht alles mitbekommen.

Das Cover zu „Onyx“ hat euer Bassist gestaltet. Ist er nebenbei Grafiker oder Künstler?

Phil ist Tätowierer und hat sein eigenes Studio in Neukölln. Daher ist er schon auf eine Art Künstler. Das Cover ist eher durch Zufall entstanden. Wir waren bei Steve Burner (hat das Layout für „Onyx“ gemacht) zu Hause und haben an Cover-Ideen getüftelt. Zuerst sollte es eine Fotografie werden, aber wir waren zunehmend unzufriedener mit der Idee. Eine Kiste Bier später hat Steve eine Leinwand und Ölfarben ausgepackt und Phil hat angefangen zu malen.

Ich nehme an, dass ihr (noch?) nicht von eurer Musik leben könnt. Womit verdient ihr euer Geld?

Derzeit stecken wir noch mehr in die Musik als wir bekommen, hoffentlich nicht mehr lang. Zumindest haben wir die Absicht, weiter und mehr dafür zu arbeiten und irgendwann mal davon leben zu können. Zumindest zeitweise. Wenn man nicht 200 Shows im Jahr spielt, wird das in der Gitarren-Musik ja auch schwer. Felix ist Barkeeper und arbeitet in einer Kneipe in Kreuzberg, Phil ist wie gesagt Tätowierer und kann davon gut leben, Leo hat sein Studio und ist auch Berufsmusiker und spielt viel mit größeren Projekten zusammen, Max hatte bis vor Kurzem seine eigene Bar, aber fängt jetzt bei Noisolution an zu arbeiten und ist nebenbei noch Booking Agent.

Habt ihr schon Pläne für die Zeit nach der laufenden Tour? Werdet ihr weitere Konzerte spielen? Und wollt ihr euren Radius auch noch mehr in Richtung Ausland erweitern?

Weiter, weiter, immer weiter. Wir wollen natürlich noch mehr Konzerte spielen. Wir haben schon wieder neue Songs geschrieben und arbeiten auf die dritte Platte hin. Derzeit sind wir etwas in einer Ruhephase angekommen und werden wohl erst ab März/April wieder eine Bühne betreten, aber wer weiß, was noch kommt. Derzeit nutzen wir die Zeit, um neue Ideen umzusetzen, sei es im Songwriting oder für die Bühnenpräsenz. Auf der letzten Tour haben wir uns mal über die BRD-Grenzen gewagt und eine Show in Amsterdam und eine in Linz gespielt. Die waren soweit gut. Also werden wir definitiv versuchen, mal eine Europa-Tour aufzustellen, oder mehrere kleine in Skandinavien, Osteuropa und Südwesteuropa. International ist es derzeit noch etwas zu schwierig. Die Kosten sind zu hoch und die Gagen zu gering. Aber der Wille ist vorhanden. Eines Tages werden wir auch das meistern!

Vielen Dank für eure Zeit und die ausführlichen Antworten!

Besten Dank für deine Fragen! Hatten Spaß, sie zu beantworten und haben uns so auch mal etwas mehr über unsere Pläne ausgetauscht! Hoffentlich auf bald mal, Cheers! VUG



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