Interview:

2004-07-20 Stray Cats

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In den frühen 80ern belebten die STRAY CATS den Rockabilly der 50er wieder und feierten damit erst in Europa und dann auch in den USA große Erfolge, landeten in Europa und den USA mit drei Singles in den Top Ten und verkauften insgesamt über 7 Millionen Platten. 1994 kam es zum Bruch und die drei Musiker gingen getrennte Wege: Drummer Slim Jim Phantom eröffnete eine Bar, Kontrabassist Lee Rocker gründete eine eigene Band und Gitarrist Brian Setzer setzte erneut Maßstäbe, indem er mit seinem BRIAN SETZER ORCHESTRA eine bisher nie gehörte und einzigartige Mischung aus Rockabilly und Big Band-Swing schuf, die maßgeblich das Swing-Revival in den USA beeinflusste. Nach über zehn Jahren standen die STRAY CATS im Sommer letzten Jahres für ein Konzert zum ersten Mal wieder zusammen auf der Bühne. Und das hat die drei selbst so gerockt, dass sie in diesem Jahr direkt eine komplette Europa-Tournee spielen - und das auch noch rechtzeitig zum 25jährigen Bestehen der Band. Anlässlich des Konzerts in Hamburg lud Bassist Lee Rocker zum Gespräch ins Atlantic und berichtete über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der STRAY CATS und seiner eigenen Combo:InterviewWann warst Du das letzte Mal in Deutschland?


Mit den STRAY CATS vor ungefähr 12 Jahren. Mit meiner eigenen Band war ich noch mal vor ungefähr drei, vier Jahren hier.


Also kennst Du Deutschland schon ein bißchen...


Nicht wirklich. Aber an Hamburg kann ich mich noch gut erinnern.


Wie war die Tour bis jetzt? Was für ein Gefühl ist es für Dich, wieder mit Deiner alten Band auf der Bühne zu stehen?


Bis jetzt war die Tour großartig. In fünf Städten haben wir schon gespielt, insgesamt werden es siebzehn sein. Es war wirklich erstaunlich. Wir trafen uns und mussten zwei, drei Dinge klären, aber nach all den Jahren kam alles, die ganze Musik, sofort zurück. Es ist, als ob keine Zeit vergangen wäre, wirklich erstaunlich. Wir haben grade letzte Nach darüber gesprochen. Wir kommen einfach wieder zusammen und spielen - und es fühlt sich an, als ob wir nie aufgehört hätten. Wirklich cool!


Gibt es einen Grund dafür, dass Ihr nur in Europa tourt? Eure amerikanischen Fans müssen sehr enttäuscht sein...


Ja, den gibt es irgendwie schon. Letztes Jahr haben wir ja zum ersten Mal wieder zusammen gespielt, und zwar in den USA auf dem Hootenanny Festival, und das war wiederum der Grundstein für die jetzige Tour. Aber dieses Jahr ist für uns besonders, denn vor 25 Jahren haben wir uns gegründet, wir feiern also ein Jubiläum. Und obwohl wir in den USA mit den STRAY CATS angefangen haben, sind wir zuerst in Europa entdeckt worden. Also dachten wir uns, dass es am Schönsten wäre, wieder dahin zu gehen, wo alles angefangen hat: nach Europa.


Ist es eine große Umstellung für Dich, nach zehn Jahren, während der Du Leader Deiner eigenen Band warst, Dich jetzt wieder in eine Gruppe von drei Musikern integrieren zu müssen?


Das stimmt schon, dass das ein Wechsel für mich ist. Aber das muss irgendwie in der DNA
oder so was liegen. Wir spielen zusammen, seit wir Kids waren. Bei unserem ersten Auftritt dieser Tour mussten wir noch manchmal überlegen und sagten etwas wie "Oh, warte mal ne Sekunde... ach ja, jetzt kommt ja dieses oder jenes..." Aber dann ging das alles total automatisch, wir mussten gar nicht mehr drüber nachdenken. Aber in einer Band zu spielen ist definitiv etwas Anderes als Bandleader zu sein.


Hattest Du nach der Trennung der STRAY CATS noch Kontakt zu Brian und Slim Jim?


Ja, wir haben ab und zu miteinander gesprochen, und auch, wenn es irgendwelche größeren Ereignisse gab, wie eine Hochzeit oder so was, haben wir uns gesehen. Und mit Slim Jim haben wir uns auch manchmal in seiner Bar, dem Catwalk, getroffen. Wir hatten nicht täglich Kontakt, aber wir wussten immer genau, was die anderen grade machten.


Gibt es Pläne für eine neue STRAY CATS-Platte?


Um ehrlich zu sein, haben wir darüber noch gar nicht wirklich geredet. Erst mal sind wir auf Tour und alles was jetzt zählt, ist, zuerst diese eine Sache zu machen, und danach sehen wir weiter. Alles zu seiner Zeit. Da können noch so viele Dinge kommen, aber jetzt haben wir erst mal eine großartige Zeit "on the road". Warum sollten wir nicht irgendwann an einen Punkt kommen, an dem wir auch eine neue Platte machen wollen? Aber ich wollte ja immer auch schon meinen eigenen Solo-Kram machen, und genauso Brian. Also haben wir auch so schon eine Menge zu tun.


In Eurer Anfangszeit seid Ihr von New York nach London gegangen. Und erst als Ihr in Europa Erfolg hattet, wart Ihr auch erfolgreich in den USA und seid wieder zurückgegangen. Glaubst Du, dass Europäer ungewohnten Musik-Stilen gegenüber aufgeschlossener sind?


Ja, vielleicht ist das so. Aber weißt Du, Rockabilly-Bands gibt es überall - im Underground, genau wie Punkrock. Auf der ganzen Welt gibt es seit den 50ern Menschen, die Rockabilly kennen und mögen. Der Hauptgrund, dass wir in unseren Anfangstagen in England und Europa erfolgreicher waren als in den USA, ist wohl, dass es dort mehr Plattenfirmen gab, die offen für uns waren und die uns eine Chance geben wollten. Wir mussten einfach nach England gehen, denn die amerikanischen Labels haben immer nur auf Sicherheit gesetzt. Sie haben sich angesehen, wer schon etabliert war und haben nur neue Bands unter Vertrag genommen, die genauso klangen. Die frühen 80er in England waren eine wirklich wilde Zeit. Da gab es alle möglichen Stile: Punkrock, 2-Tone, New Wave und eben die STRAY CATS... echt eine wilde Zeit...


Die Musik, die Du mit Deiner eigenen Band machst, ist stärker angelehnt an klassischen Rock ´n Roll und Rhythm ´n Blues als die Musik der STRAY CATS...


Ganz sicher gibt es Unterschiede, aber auch Ähnlichkeiten. Eigentlich ist das meiste, was ich spiele, auch Rockabilly, aber es ist irgendwie vielfältiger, was daher kommt, dass ich z. B. auch Elemente aus R´n B einfließen lasse. Aber nichts davon mache ich bewusst, das ist einfach das, was am Ende herauskommt, wenn ich Musik alleine auf meine Art mache. Und es hängt natürlich auch davon ab, mit was für Musikern ich zusammen spiele. Wenn man lange mit Musikern gespielt hat, kennt man auch ihre Stärken und kann dann sagen: "Lass uns doch mal was in dieser Richtung machen."


Mit Deinem Bass-Spiel hast Du den Sound der STRAY CATS entscheidend mit beeinflusst, und jetzt bist Du Bandleader, singst und schreibst Songs. Das ist ja nicht grade typisch für Bassisten, die ja meistens reine Background-Musiker sind. Was machst Du anders?


Mmh, eine gute Frage... Ich weiß nicht so genau. Was einen Musiker generell von anderen Musikern unterscheidet, ist seine musikalische Persönlichkeit und was er versucht, damit zu machen, indem er z. B. auch singt und Songs schreibt. Es stimmt schon, dass es eine Menge Background-Bassisten gibt, aber es ja immer wieder einige, die auch gute Sänger und Song-Schreiber sind. Nimm nur Paul McCartney...


In den vergangenen zehn Jahren hast Du mit legendären Musikern zusammen gespielt, wie George Harrison, Carl Perkins oder Jeff Beck. Hast Du Dich auf einer Ebene mit ihnen gefühlt oder hast Du zu ihnen aufgeschaut?


Nein, aufgeschaut eigentlich nicht. Natürlich sind all diese Musiker für bestimme Menschen Legenden, für mich speziell Carl Perkins. Und anfangs hatte ich auch dieses Gefühl, aber wir spielten ein paar Stunden, und dann war es ganz anders, denn er war einfach so ein unglaublich netter Typ. Ich glaube, dass er sich selbst nie als Legende gesehen hat. Da musste man keine Angst haben, es hat einfach nur Spaß gemacht. Das erste Mal traf ich ihn 1985, als wir zusammen in einer Fernseh-Show spielten, bei der u. a. auch George Harrison, Johnny Cash und Eric Clapton dabei waren, und als wir draußen vor dem Studio standen und ich ihn zum ersten Mal sah, war es schon so, dass ich dachte: "Oh mein Gott, das ist Carl Perkins!" Ich bin innerlich ausgerastet und habe fast keine Luft mehr vor Aufregung bekommen.


Was denkst Du über moderne Rock-Musik? Wenn Du z. B. MTV siehst, kannst Du da noch irgendwo echten Rock ´n Roll-Geist spüren?


Gibt es Musik auf MTV?


OK - dann eben wenn Du neue Platten hörst...


Es gibt nicht viel aktuelle Musik, die ich allzu sehr mag. Die Musik, die ich mag, läuft jedenfalls nicht auf MTV.


Während der letzten Jahre gab es so etwas wie ein Rock ´n Roll-Revival in Europa. Viele Bands fingen an, Rock ´n Roll mit Punkrock, Hardrock oder Garagen-Rock zu vermischen. Ihre Fans tragen Lederjacken, Jeans und Bikerstiefel, haben Flammen-Tattooes und fahren alte Autos, die mit klassischen Rock ´n Roll-Symbolen bemalt sind, und bei den weiblichen Fans sind Betty Page-Frisuren absolut angesagt. Sind das für Dich echte Rock ´n Roll-Bands oder hast Du das Gefühl, dass sie nur einzelne Klischees aufnehmen, um authentischer oder cooler zu wirken?


Davon habe ich noch gar nichts gehört - aber das ist cool! Ich finde es gut, dass diese Leute den Rock ´n Roll-Geist am Leben halten - jedenfalls hoffe ich, dass sie das tun... Sie nehmen die Tradition, aber setzen ihr ihren eigenen Stempel auf, indem sie es auf ihre eigene Art machen. Das ist besser, als wenn sie versuchen würden, völlig original zu sein. Man kann nicht dasselbe immer wieder machen. Man muss seinen eigenen Stempel draufsetzen.


Was planst Du für die Zukunft? Wird es wieder eine Solo-Tour und ein neues Lee Rocker-Album geben?


Diesen Monat läuft ja noch die STRAY CATS-Tour, und danach werde ich erst mal ein paar Wochen Urlaub machen. Danach werde ich für eine weitere Solo-Platte ins Studio gehen. Und dann - es ist noch nicht 100%ig sicher, aber es sieht so aus - werden wir vermutlich im Oktober für ein oder zwei Lee Rocker-Gigs auch wieder in Deutschland sein. Hamburg wird mit Sicherheit wieder auf dem Plan stehen, und sehr wahrscheinlich noch eine andere Stadt in Deutschland, bevor wir dann nach Skandinavien weiterziehen werden.

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