Interview:

2017-06-29 Soul Demise

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Alex Hagenauer ist voll beschäftigt. Als Gitarrist bei SOUL DEMISE und DISBELIEF, als Vater eines Stall voller Kinder, Göttergatte und Berufstätiger. Zudem produzierten die Jungs auch noch ein fettes Video zu „Desperate Cry“ aufgenommen. An seinem ersten musikfreien Wochenende seit langem, schnappt sich ein leckeren Wein und stellt sich dem METAL INSIDE. Es gibt ja zum neuen Album „Thin Red Line“ auch einiges zu erzählen.Interview

Zuerst in die Heimat: Bayern, Franken, Schwaben, Pfälzer, Unter, Ober, Hinter – für einen Norddeutschen ist es nicht ganz einfach den Überblick zu behalten.

Da hast du ja gleich einen ganz wunden Punkt getroffen. Historisch gesehen sind wir ja eine Band aus der Oberpfalz, mittlerweile ist aber lediglich unser Oberpfälzer Bandgründer Andy übrig geblieben. Sämtliche anderen Bandmitglieder sind aus Ober-, Mittel- und Unterfranken, auf dem Papier zwar auch bayerische Regierungsbezirke, das war es aber auch schon. Aber bei uns funktioniert das trotz Sprachbarriere erstaunlich gut, so leisten wir praktisch unseren Beitrag zur Völkerverständigung. Bayern hat so viel wunderschöne Natur zu bieten, da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll… Vom Allgäu über den bayerischen Wald bis hin zur fränkischen Schweiz, die Region mit der höchsten Brauereidichte Deutschlands (der Welt?)! Da muss man unbedingt mal vorbei schauen! Man muss ja nicht gleich herziehen und es ist auch gar nicht unbedingt Vorschrift, CSU zu wählen.

Vorbeikommen kann man auch des Metals wegen. Nicht nur wegen SOUL DEMISE und Final Breath.

Allgemein muss man feststellen, dass die bayerische Metalszene vor zehn bis 15 Jahren stärker war. Viele schöne kleine Festivals wie die Walpurgis Metal Days, das Up from the Ground oder Suffering Life gibt es leider nicht mehr, Clubshows werden immer schlechter besucht, was aber leider in anderen (alten) Bundesländern auch zu beobachten ist. Allerdings gibt es immer noch junge Bands wie unsere Freunde von Deadfreight of Soul aus Augsburg, die völlig unkommerziell deutschlandweite Clubtouren mit Undergroundbands aus dem Boden stampfen und somit die Szene am Leben halten, Daumen hoch!

Jetzt aber zur neuen Scheibe „Thin Red Line“ Wo seht ihr euch damit, wie würdet ihr euren Stil beschreiben….? Mehr Death, mehr Thrash, mehr melodic - mehr was-weiß-ich?

Melodischer Death Metal mit schön Geballer! Wir mögen die Kontraste, hier eine feine Akustikgitarre, da ein derber Blastbeat, gerne auch mal beides auf einmal. An dieser Kombination aus ausgefeilten Melodien und derbstem Geknüppel arbeiten wir immer weiter, das wird niemals langweilig.

Herausgekommen ist eine wirklich starke Scheibe, wobei der Verve von At The Gates nicht zu verhehlen ist. Lieblingslieder?

„Plagued by Fear“, weil es so schön typisch für uns ist. „Deceive the Masses“, weil es so schön untypisch ist. Es beginnt sehr ruhig und steigert sich langsam aber unaufhaltsam. Und: „Empty“, da gibt’s nicht viel zu sagen, der macht einfach alles platt!

Und warum sollen sich Leute, die den Vorgänger „Sindustry“ für nicht ganz so stark erachteten, auch „Thin Red Line“ zulegen?

Was meinst Du mit „nicht ganz so stark“? Die wesentlichen Unterschiede zum Vorgängeralbum sind wohl, dass die Produktion bewusst wieder etwas roher, ungeschliffener gehalten wurde, die Songs hingegen werden eher verspielter. Ich hab sogar schon zweimal den Begriff „progressiv“ gelesen, soweit würde ich jetzt allerdings nicht gehen. Die grobe Marschrichtung bleibt jedenfalls immer: melodisch auf die Fresse! Wem das nicht passt, der muss eben was anderes hören.

Muss ja jetzt keiner mehr. Aber was habt ihr den in den vergangenen sieben (!) Jahren eigentlich gemacht?

Zunächst mal hatten wir wieder zwei Bassistenwechsel, sowas kostet immer Zeit. Außerdem hatten wir leider auch gesundheitliche sowie sehr persönliche Probleme, die im Besonderen ein Bandmitglied stark gebeutelt haben. Um ehrlich zu sein, bin ich heute froh, dass die Band überhaupt noch in der Form existiert. Im Grunde haben wir schon die ganze Zeit an Songs gearbeitet, mal mehr, mal weniger. Beim nächsten Mal soll es aber nicht wieder sieben Jahre dauern.

Seid ihr denn wenigstens bei den Aufnahmen von größeren Problemen verschont geblieben? Und wie arbeitet ihr überhaupt?

Die Songideen stammen bei diesem Album von Dennis und mir. Bei allen früheren Alben war maßgeblich Andy beteiligt, was hoffentlich künftig auch wieder der Fall sein wird. Die Ideen werden in Dennis` Studio aufgenommen und im Proberaum von der kompletten Band zu fertigen Songs umgewandelt. Dann erstellen wir bei Dennis eine Vorproduktion, auf die Roman dann auch seinen Gesang anpasst, so dass es am Ende im Prinzip schon fast klingt wie später auf Platte, abgesehen natürlich vom Sound. Was fast Katastrophales ist während der Aufnahmen tatsächlich passiert. Roman bekam heftige Stimmprobleme, woraufhin wir die Gesangsaufnahmen und somit auch den Mix und die Veröffentlichung um viele Monate verschieben mussten. Zum Glück konnte er sich durchringen, irgendwann trotzdem loszulegen, ganz verschwunden sind seine Beschwerden allerdings immer noch nicht. Diese durchaus nervenzehrende Sache hat er übrigens im Song „Desperate Cry“ thematisch verarbeitet. Die Drumrecordings gaben wir in die bewährten Hände von Christoph Brandes (Iguana Studios), sämtliche Saiteninstrumente hat Dennis in seinem Mainblast-Studio selbst aufgenommen. Roman bevorzugt die Aufnahme bei seinem Freund Simon im Rebound-Studio in Nürnberg, weil er seit 20 Jahren mit ihm aufnimmt, sie verstehen sich blind. Den Mix und das Mastering haben wir dann Tue Madsen im Antfarm Studio überlassen, sein fetter Sound beeindruckt uns seit vielen Jahren und das Endergebnis kann sich hören lassen!

Nach dieser „Studioweltreise“ seid ihr ja jetzt bei Apostasy gelandet. Braucht eine Band noch ein Label?

Ohne Label kein professioneller Vertrieb und ohne Vertrieb ist das Album nun mal nicht überall erhältlich. Außerdem sind wir mit Tomasz und Apostasy bisher sehr zufrieden, er kümmert sich um die Werbung, hat uns eine vernünftige Videoproduktion zu „Desperate Cry“ ermöglicht, was heute einfach unabdingbar ist und ist auch sonst sehr engagiert. Mal sehen, was die Zukunft noch so bringt, das Album ist ja noch ganz frisch.

Apropos frisch: Bearbeitet ihr in den Texten aktuelle Probleme. Anknüpfungspunkte gäbe es ja genug.

„Thin Red Line“ ist zwar kein Konzeptalbum, trotzdem kreisen viele Songtexte um die Thematik des schmalen Grates, zum Beispiel wenn man einen geliebten Menschen verliert, am Abgrund steht und kurz davor ist, durchzudrehen oder sich gar etwas anzutun. Allgemein behandelt Roman in seinen Texten Dinge, die er selbst erlebt hat oder zumindest erleben könnte, also sehr persönliche Sachen. Gemetzel und Fantasy gibt’s bei uns nicht.

Gemetzel gibt’s aber auf der Bühne.

Aktuell stehen für dieses Jahr noch ca. 8 Termine. Das ist auch so in etwa die Häufigkeit, in der wir künftig spielen wollen, Ziel ist, mehr auf Qualität als auf Quantität zu setzen. Einige von uns haben Familie und andere Verpflichtungen, da ist Zeit etwas sehr Kostbares. Als nächstes spielen wir auf dem Sick Midsummer in Österreich, dann auf dem Free & Easy in München. Im Herbst folgen dann Clubshows und für nächstes Jahr sind bereits einige Festivals bestätigt.

Bei all den Dingen im Leben: Was bedeutet eine Band wie SOUL DEMISE, was Metal?

Da kann ich jetzt nur für mich sprechen, Metal begleitet mich seit meinem zehnten Lebensjahr, er ist ein Teil von mir. Da gab es für mich nie eine Alternative. SOUL DEMISE, das mag jetzt etwas pathetisch klingen, ist für uns tatsächlich so etwas wie eine Familie. Das sind nach so vielen Jahren echte Freundschaften geworden. Wir haben sehr schwierige Zeiten gemeinsam durchlebt und geben uns in gewissem Sinne auch Halt. Aus diesen Gründen und weil diese Musik einfach Spaß macht, können wir gar nicht anders, als weiter zu machen. Das ist tatsächlich relativ unabhängig von musikalischem oder gar kommerziellem Erfolg, was der Musik zu Gute kommt.

Und was macht die Familie, wenn sie nicht in Familie macht?

Wir stehen alle (fast) mitten im Berufsleben, abgesehen vielleicht von unserem Bassisten, der gerade noch einen berufsbegleitenden Masterstudiengang macht, sind wir Werkzeugmacher, Steuerberater, Mitarbeiter im technischen Dienst einer großen Behinderteneinrichtung und Veranstaltungstechniker. Irgendwoher muss die Kohle ja kommen, vom Metal jedenfalls leider nicht. Hobbys gibt’s für mich nicht, brauch ich nicht. Musik ist für mich kein Hobby, eher eine Lebensaufgabe und nimmt demnach verdammt viel Zeit in Anspruch.

Manche finden dennoch Zeit für „Side-Projects“.

Roman singt noch in einer Band namens Brlabl, die ich stilistisch unmöglich einordnen kann, einfach mal bei Google eingeben. Dennis ist stilistisch sehr breit aufgestellt, seine Band Empyreal macht atmosphärischen Black/Death Metal, Backslash hingegen sind eher im Powermetal angesiedelt, seine mittlerweile nicht mehr aktive Band Retaliation spielten technischen Death. Ich war nun sieben Jahre noch bei Disbelief aktiv, leider muss ich die Band nun aufgrund meiner familiären Situation verlassen.

Mehr als 20 Jahre Bandbestehen (Inhuman sogar mitgerechnet) sind nicht nur eine lange Zeit, sondern geben vielleicht auch Gelegenheit nachzudenken und das Geschehene Revue passieren zu lassen. Was geht Dir auch den Kopf? Beschreib doch mal die Entwicklung eurer Band im Wandel der Zeit..

Wir haben tatsächlich bereits 24 Jahre hinter uns, nächstes Jahr ein viertel Jahrhundert! Was uns die Band bedeutet, hab ich ja bereits erläutert. Meiner Meinung nach ist Freundschaft unabdingbar, um so lange miteinander Musik machen zu können.Wir haben ja vom Melodic Death Boom der 90er bis hin zum Metalcore der 2000er alles miterlebt, aber offen gesagt: So langsam interessieren mich diese Strömungen nicht mehr, auch nicht, ob wir mit ihnen verglichen oder in einen Topf geworfen werden. Wir haben längst unseren Weg gefunden. Ich hab schon rhythmisch abgefahrene melodische Riffs geschrieben, lange bevor ich den Begriff Metalcore zum ersten Mal gehört hab. Wenn diese Bands sich bei SOUL DEMISE bedienen, ist das ihr Problem;-).

Manche Dinge ändern sich eben nie. Andere schon: Roman hat kein weißes (sic!) Malzbier-Shirt an im Video. Was soll denen das????

Du meinst sein „Viddamalz“-Shirt (wie der Franke sagt)!? Ich nehm' mal an, er mag die Plörre. Er sagt, wir hätten ihm verboten, es im Video zu tragen, davon weiß ich nichts… Er besitzt davon genau eines und trug es die komplette Dismember-Europatour 2004, seitdem hat er es aber gewaschen, hoffe ich. Einige Jahre war es im Schrank verschwunden, aber in letzter Zeit erlebt es eine Renaissance.

Wie SOUL DEMISE. Was die Fans hoffentlich entsprechend honorieren!