Interview:

2010-05-07 Sick Of It All

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SICK OF IT ALL sind die Hardcore-Institution schlechthin. 1986 gegründet, haben sie die New Yorker Hardcore-Szene mitgeprägt wie kaum eine andere Band. Bis heute liefern sie regelmäßig energiegeladene, wütende Alben ab, und auch live sind sie immer noch eine Macht. Anlässlich des neuen Albums „Based On A True Story“ befragten wir Drummer Armand Majidi zur Entwicklung und Gegenwart von SOIA und der Hardcore-Szene im Allgemeinen.InterviewIhr seid jetzt schon seit über zwanzig Jahren im Geschäft. Was hat sich während dieser Zeit für euch verändert?


Wir kennen uns besser im Geschäft aus und wissen, was wir in verschiedenen Situationen zu erwarten haben. Das ist ein großer Unterschied zu früher, denn jetzt merken wir, wann wir abgezockt werden! Darüber hinaus können wir unsere Instrumente besser spielen und sind weitaus professioneller im Umgang mit unserem Equipment und bei unserer Bühnen-Performance.


Fühlt ihr auf der Bühne immer noch dieselbe Energie wie vor zwanzig Jahren?


Ich denke schon. Wenn du Hardcore spielst, musst du auf der Bühne durchgehend 100 Prozent geben. Wir hatten daher gar nie die Möglichkeit nachzulassen. Wir müssen nur darauf achten, dass wir uns vor einer Tour körperlich in Form bringen, denn wenn man das vernachlässigt, ist es auf der Bühne schwieriger, wieder in den Groove zu kommen.


Gab es jemals einen Moment, in dem ihr euch auflösen wolltet?


Nicht wirklich. Jede Band erlebt immer mal wieder schlechte Zeiten, aber in Relation zu unserer 24-jährigen Geschichte hatten wir kaum welche.


Welche Verändungen in der Hardcore-Szene habt ihr über die Jahre wahrgenommen?


Als ich in die Szene kam, hatte ich das Gefühl, dass meine Freunde und ich einige der ausgeglichensten Leute auf den Konzerten waren. Alle anderen kamen mir wie verrückte Typen aus zerrütteten Familienverhältnissen vor, die hier viel rumhingen, weil das der einzige Ort war, an dem sie Liebe fanden. Das ist auch einer der Gründe dafür, dass so viele frühe Hardcore-Bands nicht gehalten haben und auseinander gefallen sind. Das waren alles Wahnsinnige! Als die Szene wuchs, gab es immer mehr ausgeglichene Leute, die Bands gegründet haben, und alles wurde professioneller. Es dauerte dann aber nur ein paar Jahre, bis sich die Gewalt bei Konzerten in die falsche Richtung entwickelte und interne Probleme verursachte. Diese Scheiße existiert in den USA immer noch und verpestet die Hardcore-Szene. Es gibt einige Städte und Clubs, die ihre Türen dem Hardcore komplett verschlossen haben, und das ist echt eine Schande, denn das ist so eine kleine Szene, die nicht mit sich selbst im Krieg sein sollte, sondern mit der Welt draußen.


Auf eurem neuen Album „Based On A True Story“ klingt ihr wütender als je zuvor. Woher nehmt ihr immer wieder diese Energie?


Wir spielen aggressive Musik, und hauptsächlich schreiben wir über Dinge, die uns frustrieren. Es gibt keinen Mangel an Frustration auf der Welt, also wird es immer eine tiefe Quelle geben, aus der wir schöpfen können.


Wie gelingt es euch, diese Energie und Wut in der cleanen Atmosphäre eines Studios hervorzubringen?


Die sterile Atmosphäre eines Studios kann Gefühle aus der Musik herausziehen, und das muss man bei Aufnahmen natürlich berücksichtigen. Aber bei den meisten Hardcore-Bands ist es so, dass, solange ein Song gut geschrieben ist und gut aufgenommen wird, die Wut von Anfang an da ist und bis zum Schluss durchkommt.


Das neue Album ist euer zweites auf Century Media Records. Hat sich durch den Labelwechsel etwas für euch verändert?


Wir haben eine viel bessere Präsenz in Europa. Und auf welchem Kontinent wäre es besser, Präsenz zu haben, als auf dem, der Hardcore am meisten wertschätzt?


Wie lief die Zusammenarbeit mit eurem Produzenten Tue Madsen?


Er ist ein großartiger Typ, wirklich laid-back, und jemand, mit dem man einfach gut auskommt. Er versucht nicht, einen zu unterdrücken oder zu kontrollieren und gibt einem komplette musikalische Freiheit. Wenn er eine Idee hat, ist es immer eine gute. Er ist der einzige Produzent, mit dem wir jemals gearbeitet haben, der ein intuitives Verständnis dafür hat, wie wir klingen sollen.


Wie schreibt ihr eure Songs? Sind alle Band-Mitglieder daran beteiligt?


Normalerweises schreiben Pete oder ich die Musik. Manchmal bringt auch Craig etwas ein. Wir alle beteiligen uns an den Arrangements. Die Texte werden normalerweise zuletzt hinzugefügt und verändern auch ein bisschen die Musik drumherum, so dass wir manchmal die Songs neu einüben müssen, nachdem die Vocals hinzugefügt wurden.

Gibt es ein Album von euch, von dem du sagen würdest, dass es das beste ist, das ihr jemals gemacht habt?


Ich würde sagen, dass das neue Album das konsequenteste ist. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass „Scratch The Surface“ als eines unserer besten hervorsticht. Das Problem dabei ist, dass es nicht durchgehend konsequent ist, ganz gleich, wie viele SOIA-Klassiker auch darauf sind.


Gibt es ein Konzert, das in irgendeiner Art und Weise herausragend war?


Ich denke immer an unseren Auftritt auf dem Dynamo 1994 zurück. Das war der Tag, an dem wir Hardcore zu den Massen brachten, und sie liebten es. Das war ein echter Wendepunkt unserer Idee davon, wie populär diese Musik möglicherweise sein könnte.


Angeblich seid ihr die Erfinder der Wall of Death. Stimmt das?


Obwohl die Wall of Death in den frühen Tagen des Hardcore spontan entstanden ist, waren wir diejenigen, die sie in organisierter Form in das Setting von Live-Shows gebracht haben. Sobald wir sie zu einem Teil unserer Show gemacht hatten, verbreitete sie sich wie ein Lauffeuer, und jetzt macht sie jeder. Trotzdem erhalten wir dafür kaum Anerkennung. Wie alle großen Erfinder werden wir für unsere Mitwirkung ignoriert!


Im Jahr 2007 ist der SICK OF IT ALL-Tribute-Sampler „Our Impact Will Be Felt” erschienen. Wie gefällt er dir?


Ich finde, er ist wirklich gut, und ich bin sehr geehrt, dass so viele Bands Teil davon sein wollten. Meine Lieblings-Tracks sind die von Bands, die viel Melodie zu den Gesangslinien hinzugefügt haben, wie es etwa RISE AGAINST und IGNITE getan haben. Sie haben den Songs wirklich ihren eigenen Stempel aufgedrückt und sie zu ihren eigenen gemacht.


Im Januar und Februar dieses Jahres wart ihr mit den DROPKICK MURPHYS auf Tour, was ja eine etwas ungewöhnliche Kombination ist. Gab es zwei verschiedene Fan-Lager auf den Konzerten, oder kamen die Leute wegen beider Bands?


In Deutschland habe ich eher eine Kluft zwischen den Fan-Lagern gespürt, aber in allen anderen Ländern haben sie sich ziemlich gut vermischt. DROPKICK-Fans sind größtenteils offen für uns, weil die DROPKICKS mit derselben Punk-Aggression wie wir spielen. Auf Tour hatten wir eine großartige Zeit mit ihnen, und generell passen wir auch sehr gut zu ihrem Publikum.


Was sind eure Pläne für die zweite Jahreshälfte?


Viel touren, Sommerfestivals und danach Clubs im Herbst und Winter. Wir werden unsere Headliner-Tour im September an der Ostküste beginnen, werden dann im frühen Oktober in Australien sein, vom späten Oktober bis späten November in Europa und dann im frühen Dezember noch weitere Konzerte in den USA und Mitte Dezember in Japan spielen. Dann wird es eine Pause über Weihnachten geben, und schließlich geht es im Januar nach Texas. Darüber hinaus steht für den März noch Südamerika auf dem Plan. Get ready world, here we come!

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