Interview:

2020-10-28 Shredding im Namen von Zauberei und Magie

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Mit "Fortune’s Gate" haben die FranzösInnen FURIES eines der stärksten Echtmetal-Alben im nicht gerade schwachen Jahrgang 2020 abgeliefert. Grund genug, Sängerin und Bassistin Lynda Basstarde zu bitten, Euch ihre Band und deren Geschichte etwas näher zu bringen.Interview

Hi Lynda, erstmal herzlichen Glückwunsch zu eurem ersten Album. Soweit ich das bis jetzt überblicken kann, kommt es bei den Fans und den Medien sehr gut an. Was waren denn während den Aufnahmen Eure Erwartungen oder Hoffnungen?

Hallo Fabian, vielen Dank! Ja, die ersten Meinungen zu dem Album fallen wirklich sehr positiv aus, und die Leute scheinen es wirklich zu mögen. Das bestärkt uns natürlich in dem, was wir tun. Wir hatten die Hoffnung, dass es den Menschen gefällt, aber zuallererst wollten wir unsere Musik teilen. Die Musik, welche aus unseren Herzen kommt, zu uns passt und unserem persönlichen Geschmack entspricht, zu den Fans bringen. Wir haben den Gesang, die Backingvocals, den Bass und die Drums hier in Paris in den Labomatic Studios unter der Ägide von Igor Moreno aufgenommen. Die Gitarren wurden im Homestudio unseres Gitarristen Sam Flash aufgenommen, und alles zusammen wurde in Italien im Domination Studio von Simone Mularoni (DGM) gemixed und gemastered. Wir waren wirklich sehr engagiert.

Im Info gebt Ihr JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN als Eure Einflüsse an. Aber ich denke, dass die Quellen Eurer Inspiration tiefer als diese beiden Klassiker liegen. Was war der Hauptgrund für Euch, um mit der Musik anzufangen?

In der Tat, unsere Einflüsse sind vielschichtiger. Wir alle lieben klassischen Heavy Metal, aber jeder von uns bringt noch ein anderes Element ein. Billy steht auf schnelle Gitarristen wie SYMPHONY X oder YNGWIE MALMSTEEN, Sam ist ein alter Thrasher, der EXODUS und OVERKILL mag, Zaza liebt Death / Thrash Metal à la DEATH oder SEPULTURA, und ich bringe noch alten Hard Rock wie BLACK SABBATH mit ein. Der Hauptgrund, warum jeder von uns mit der Musik angefangen hat, ist sehr persönlicher Natur. Bei mir lag es vor allem an meiner mexikanischen Herkunft. Die mütterliche Seite meiner Familie ist sehr künstlerisch veranlagt. Alle spielen ein Instrument, einige sind Radiomoderatoren, andere bringen jede Party in Schwung. Musik spielt in ihrem Leben eine große Rolle. Es ist also sowas wie ein Erbe. Ich habe es schon als Kind geliebt, wenn ich im Radio elektrische Gitarren gehört habe, und eines Tages war ich auf einem Flohmarkt. Schon aus der Ferne sah ich in der Sonne etwas glitzern. Es war ein Pin von MEGADETH. Vic Rattlehead, wie er einen leuchtenden Smaragd in den Händen hält. Etwas später kaufte ich ein Metal-Magazin mit Eddie auf dem Cover, und das erste Musikvideo, welches ich mir auf meinem ersten eigenen Computer angesehen habe, war eine IRON MAIDEN-Nummer. Und hier bin ich nun!

Wie läuft denn das Songwriting im Hause FURIES ab? Wie in alten Tagen im Proberaum? Oder werkelt jeder für sich zu Hause im stillen Kämmerlein?

Wir komponieren alle, aber normalerweise bringen Billy oder Sam ein, zwei Hauptriffs an, und zusammen arbeiten wir den restlichen Song aus und arrangieren ihn. Manchmal bringt auch jemand schon das komplette Grundgerüst eines Songs mit, den wir dann im Proberaum vervollständigen. Ich schreibe alle Texte und die Gesangsmelodien. Dabei lasse ich mich von den Gefühlen, die die Songs auslösen, inspirieren. Wir sind ziemlich Old School und treffen uns jede Woche im Proberaum, wo wir üben und arbeiten. Um unsere Partituren aufzuschreiben benutzen wir aber eine Software. Und zwischen zwei Proben arbeiten wir aber auch zu Hause weiter.

Gibt es einen Masterplan für Euren Sound? Oder gilt eher "alles ist möglich"? Gab es Situationen, wo jemand mit einem interessanten Riff ankam, die Idee aber als “nicht Metal genug” wieder verworfen wurde?

Ich denke nicht, dass wir einen echten Masterplan für unseren Sound haben, aber wir möchten schon ein zusammenhängendes Klangbild haben. Ich weiß zum Beispiel, dass unsere Gitarristen hart daran arbeiten, dass der Sound ihrer Instrumente einerseits gut zusammenpasst und man doch klar hört, wer von beiden gerade ein Solo und wer ein rhythmisches Riff spielt. Zaza hat das absolute Gehör und kann ihre Drums perfekt stimmen, und ich mag einfach den natürlichen Sound meines Flying V-Basses. Es gab eigentlich keine Situationen, in denen jemand ein "unmetallisches" Riff anschleppte, welches wir aussortieren mussten. Im Gegenteil: Sowas kann die Songs auch aufpeppen. Natürlich mögen wir nicht jede Riff-Idee und sortieren da auch aus. Aber das passiert natürlich und im Konsens. Wir haben da eine ganz spezielle Magie in der Band.

In Deinen Texten beschreibst du FURIES nicht als normale Band, sondern als Familie. Was machen die Beziehungen innerhalb der Band so speziell?

Ja, FURIES sind zu einer Familie geworden. Wir verstehen uns super, verbringen unheimlich viel Zeit miteinander, arbeiten zusammen, … Eine Band ist wie eine Ehe. Was kann es also Besseres geben als mit der Familie zu arbeiten und zu spielen?

Wir habt Ihr Euch eigentlich gefunden? Kanntet Ihr Euch auch schon, bevor Ihr zusammen bei FURIES Musik gemacht habt?

2015 erzählte mir ein Freund, dass eine Allgirl-Band eine Session-Bassistin braucht, also stieg ich bei FURIES ein. Währenddessen formierte ich aber auch meine eigene Band. Allerdings war mein Zusammentreffen mit Zaza fantastisch. Wir hatten die gleiche musikalische Vision, und das Timing stimmte einfach. Dann entschieden wir uns, Bill Lazer (Gitarre), der sowieso schon mit uns abhing, anzuheuern. Bald darauf traf ich Sam Flash (Gitarre) in einer Bar und lud ihn zum Vorspielen ein. Das war wohl weibliche Intuition, denn Zaza und Sam kannten sich schon seit Ewigkeiten, da sie aus der gleichen Kleinstadt in der Nähe von Paris kommen. Unser Schicksal ist voll von Verbindungen und guten Schwingungen.

Und wann habt Ihr Euch entschieden, vom Konzept einer Allgirl-Band zu verabschieden?

Das war nicht wirklich eine Entscheidung. Am Anfang wollte Zaza eine reine Frauenband gründen und hatte damit auch Erfolg. Für mich jedoch war es egal, ob ich mit Frauen oder Männern in einer Band spiele. Hauptsache, ich habe eine Verbindung zu meinen Band-KollegInnen. Wir haben auch schlicht nicht viele Frauen gefunden, die sich bei uns für den Job der Gitarristin beworben hätten. So begannen wir Jungs und Mädels einzuladen.

Da wir gerade von den Jungs sprechen. Die scheinen ja wirklich auf “shredding” zu stehen. Wer sind denn ihre Idole?

Billy: Auf jeden Fall. Ich began diesen Stil zu lieben, als mir mein damaliger Gitarrenlehrer ein VHS-Tape von YNGWIE MALMSTEEN - "Live In Leningrad ´89" - auslieh. Ich war damals 14 Jahre alt und dachte immer noch, dass die Soli von METALLICA die am härtesten zu spielenden seien. Dann wurde ich Fan von Marty Friedman, Michael Romeo (SYMPHONY X) and Kiko Loureiro (gerade die frühen ANGRA mit André Matos waren ein wichtiger Einfluss für mich). In letzter Zeit haben mich einige neue "Shred-Machines" tief beindruckt. Wie z.B. Jason Richardson (Ex-BORN OF OSIRIS) oder Stephen Taranto. Auch wenn ich kein großer Fan dieses "modernen Progressive Metals" bin, so haben diese Jungs die Grenzen noch einmal auf ein neues Level gehoben.

Sam: Als ich mit dem Gitarrespielen anfing, war ich noch nicht so sehr auf dem Metal-Trip, wie ich es heute bin. Die ersten Gitarristen, die mich inspirierten, waren Hendrix, Vaughan und Blackmore. Als ich dann anfing, Thrash Metal zu hören, wollte ich sofort so schnell wie diese ganzen Bands spielen. Ich mochte unter Anderem EXODUS und KREATOR. Dann lernte ich wie man "shreddet", und mein größter Einfluss wurde Paul Gilbert. Dann entdeckte ich YNGWIE MALMSTEEN, und die Heerscharen an weiteren High Speed-Gitarristen aus den 80ern. Heutzutage beeindrucken mich weniger reine Metal-Gitarristen, und ich interessiere mich sehr für Musiker aus dem Jazz / Fusion-Bereich. Wenn ich einen Musiker nennen müsste, der ein Mix aus allem was mich inspiriert, bietet, dann muss ich Emil Werstler nennen.

Eure Pseudonyme sind recht witzig (Lynda Basstarde, Zaza Bathory, Billy Lazer and Sam Flash), und auch auf Euren Band-Fotos zeigt Ihr, dass Ihr eine gesunde Portion Humor besitzt. Auf der anderen Seite jedoch seid Ihr keine Satire und macht Euch über die Heavy Metal-Kultur nicht lustig. Ihr seid selbst Fans und nehmt Eure Musik sehr ernst. Ist es manchmal schwer, den goldenen Mittelweg zwischen Persiflage und liebevoller Hommage zu treffen?

Alle unsere Pseudonyme haben eine tiefere Bedeutung, und wir haben sie nicht zufällig gewählt. Meines z.B. spielt darauf an, dass meine Familie unterschiedlicher Herkunft ist. Eine Seite ist mexikanisch, und eine Seite ist polnisch, und ich selbst spiele Bass. Deshalb entschied ich mich für “Basstarde” als Pseudonym. Zaza benutzt “Bathory” weil sie sich mit der starken historischen Figur der Gräfin Bathory identifizieren kann. “Lazer” bezieht sich auf Billys Ein-Mann-Band, und “Flash” kommt daher, dass Sam bei seiner alten Band sehr schnell spielte. Und natürlich sind die Pseudonyme auch eine Hommage an die 80er Jahre, und wir wollen auch, dass sie als eigene Charaktere zum Leben erwachen. So wie man sie als comichafte Figuren auf dem Cover unseres "Fortune’s Gate"-Albums sehen kann. Unsere Musik nehmen wir sehr ernst. Wir arbeiten sehr hart um gute Songs zu schreiben, die zu uns passen. Denn wir mögen es auch, Party zu machen und zu relaxen. Dieser Mix macht aus, was wir sind.

Euer erstes Video war das animierte Video zu "Voodoo Chains". Wer zeichnet sich für den einzigartigen Look des Clips verantwortlich?

Das Video ist die animierte Version unseres Album-Covers. Das Cover und das Video wurden von Slo Sombrebizarre, einem französischen Illustrator, der für seinen Comicstil bekannt ist, entworfen. Er hat sogar schon einige Metal-Comics gezeichnet. Eigentlich sollte das animierte Cover erst für einen anderen Song stehen, aber wegen der Covid-Situation wurde es "Voodoo Chains", und es passte perfekt. Es gibt einige Symbole in diesem Cover. So ist der Eiffelturm ein Symbol für Kraft und natürlich auch eine Referenz an die Stadt, in der wir leben. Dann bei "Unleash The Furies" sind wir noch in unserer Höhle, welche wir durch das "Fortune’s Gate" verlassen und die Leute dazu ermutigen, uns bei unseren Abenteuern zu begleiten. Dieses mysteriöse Tor symbolisiert Erneuerung, eine Wolke der Herrlichkeit, eine mysteriöse Aura… Jeder kann es für sich selbst interpretieren.

Gibt es irgendeine lustige Episode, welche Du uns vom Dreh eures zweiten Clips "You And I" erzählen kannst?

Also, am Anfang hatten wir alles genau geplant. Wir hatten ein spezielles Studio in einer Schule für audiovisuelles Gestalten gemietet. Hatten sogar spezielle Lichter gemietet und wollten ein richtig künstlerisches Video erstellen. Aber am Tag bevor es losgehen sollte, wurde das Studio wegen des Corona-Virus geschlossen. Deshalb hatten wir nur noch die Filmcrew und sonst nichts. Wir fanden aber schnell eine andere Location und drehten das Video in einer ganz anderen Version.

Ihr scheint in der Metal Community sehr gut vernetzt zu sein. Wie habt Ihr es den hinbekommen, auf internationalen Festivals zu spielen, ohne ein Album draußen zu haben?

In der Tat. Ich selbst bin schon sehr lange in der Metal-Szene unterwegs. Auch schon mit meiner vorherigen Band, dadurch hatte ich schon einige Verbindungen, und als ich den Leuten meine neue Band FURIES präsentierte, mochten sie es. So konnten wir mit Freunden wie ADX oder ULTRA-VOMIT die Bühne teilen und uns auf größeren Festivals wie dem HELLFEST oder dem MUSKELROCK in Schweden präsentieren. Darüber hinaus hat Zaza durch ihren PR-Job gute Kontakte in die Welt der Mainstream-Medien wie dem Radio oder den großen Rock-Magazinen. Das hilft uns dabei, unser Publikum zu vergrößern.

2017 habt Ihr ein Cover von "Mourir Sur Scène" der französischen Sängerin DALIDA aufgenommen. Dieses konntet Ihr sogar im TV präsentieren. Wie kam es denn dazu? Und warum funktionieren alte französische Songs eigentlich so gut im Metal-Kontext? Ich persönlich mochte z.B. die KILLERS-Version der alten BARBARA-Nummer "L’aigle Noir" immer schon sehr. Vielleicht sollte es mal ein komplettes Chanson-Cover-Album der französischen Metalszene geben.

Wir wollten einen französischen Song covern, und Zaza hatte die Idee zu „Mourir Sur Scène“. Sie liebt DALIDA, die eine sehr starke Frau war, aber auch viel in ihrem Leben leiden musste, wirklich sehr. DALIDA ist eine wahre Ikone. Zaza hat sogar ihre Katze "Orlando" getauft, nach Zazas Bruder und Produzenten. Wir haben dann eine Metal-Version aus diesem Song gemacht und denken, dass das echt gut funktioniert hat. Ich denke, populäre französische Songs aus den 80ern lassen sich leicht in Metal-Songs umwandeln, da die bereits eine rockige Basis besitzen. Bei diesem Song war es allerdings ein wenig komplexer, da wir ihn neu arrangieren mussten, damit er richtig funktioniert. Ja, so ein Coversampler könnte eine interessante Sache sein.

2019 bist Du bei der Legende SORTILÈGE eingestiegen und hast bei einigen Shows deren Sänger Zouille (Christian Augustin) gesanglich unterstützt. Kanntest Du die Jungs schon vorher? Oder klingelte einfach eines Tages das Telefon und jemand sagte: „Hey, hast Du Bock, bei SORTILÈGE zu singen?“

Ja, ich sang zuerst mit Alexis (Roy-Petit; HÜRLEMENT, BLASPHEME, Ex-EVIL ONE - Anm. d. Verf.) in einer Tribute-Band. Dann reformierte Zouille SORTILÈGE. Wir waren wie Vater und Tochter füreinander, und er lud mich ein, als Gastsängerin bei SORTILÈGE mitzuwirken. Dafür bin ich sehr dankbar, denn SORTILÈGE ist eine meiner absoluten Lieblingsbands. Die magischen Songs und der perfekte Gesang sind unglaublich. Es war ein einzigartiges Erlebnis, diese Songs zusammen mit Zouille und den anderen Musikern live aufzuführen. Sowohl mit den originalen Mitgliedern als auch mit den Musikern aus der Tribute-Band!

Welche französische Band sollte jeder Heavy Metal-Fan kennen (außer FURIES and SORTILÈGE)?

HÜRLEMENT, EXISTANCE und ANIMALIZE sollte man sich mal ganz genau anschauen.

Nachdem 2020 so ziemlich im Arsch ist, was sind Eure Hoffnungen und Pläne für nächstes Jahr?

Wir hoffen in erster Linie, dass wir die ausgefallen Gigs nachholen können. Besonders die im Ausland. Wie wollen wieder nach Schweden, Dänemark und Deutschland! In der Zwischenzeit werden wir einfach neue Songs schreiben. Wir sind also aufgeregt, was die Zukunft uns bringen wird.

Danke Dir für dieses tolle Gespräch und ich wünsche Dir alles Gute mit FURIES.



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