Interview:

2006-04-24 Satyricon

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Ganze vier Jahre haben die norwegischen Recken SATYRICON gebraucht, um ihrem 2002er Oberhammer "Volcano" einen würdigen Nachfolger hinterher zu schieben. "Now, Diabolical" lautet nicht nur der Titel des wieder einmal mehr als überzeugenden Werkes, sondern drückt außerdem die Stimmung in der Band aus, die laut Mastermind Satyr mehr denn je in die Richtungen Eingängigkeit und Finsternis tendiert. Aber auch zu nicht ganz so angenehmen Themen wie ständigen Labelwechseln und Strafanzeigen in Kanada gibt es deutliche Statements… InterviewWas wollt Ihr denn mit dem Titel "Now, Diabolical" aussagen?



Wie jeder andere Titel von SATYRICON reflektiert er die gesamte Attitüde und den Konsens des Albums. Er drückt die Inhalte der Texte, die Musik, des Artworks und die Vision dahinter aus. Solch ein Titel sollte nicht einfach nur etwas sein, was cool klingt, sondern das wiedergeben, was sich im Kopf abspielt und ein Statement dessen sein, was man sagen möchte. Er soll die Essenz des Albums in einem Wort oder Satz zusammenfassen! So haben wir es bisher mit jedem Albumtitel gehandhabt.



Ihr habt nach "Volcano" etwa vier Jahre gebraucht, um das neue Album fertig zu bekommen. Warum hat es so verhältnismäßig lange gedauert?



Wir haben zwei Touren in Europa und zwei Touren in Amerika abgerissen, hinzu kamen einige Festivals und eine Mini - Tour mit ein paar Einzelshows. Wir haben also viel Zeit für die Promotion des Albums verwendet und danach etwa eineinhalb Jahre zum Schreiben des neuen Materials benötigt. Dann folgten noch etwa vier oder fünf Monate, das neue Album aufzunehmen. Was für unsere Fans wie Ferien aussieht, war in Wirklichkeit ein hartes Stück Arbeit! Ich denke nicht, dass eine gute Band jedes Jahr ein Album veröffentlichen muss, sondern man sollte darauf achten, dass man seine Arbeit korrekt macht.



Der zweite Song auf "Now, Diabolical", "K.I.N.G", ist als Abkürzung geschrieben. Was bedeutet sie denn?



Ja, sie hat eine Bedeutung, aber die Zeit wird zeigen, ob ich sie der Welt dort draußen mitteile, haha!



Der Stil auf dem neuen Album ist, wie schon auf dem Vorgänger, wieder sehr minimalistisch ausgefallen. Ist das der Stil, den Ihr nun, nach sehr unterschiedlichen Alben wie "Nemesis Divina" und "Rebel Extravaganza", endgültig gefunden habt?



Man kann "Rebel Extravaganza" als das zweite Kapitel von SATYRICON betrachten. Wir haben unsere Inspirationen aus dieser Zeit der Band auf seine Bestandteile reduziert und in ein vielleicht kälteres, aber auf jeden Fall düstereres und auch schnörkelloseres Gewand gekleidet. Das "Rebel Extravaganza" - Album war in allen Teilen extrem progressiv, aber schon "Volcano" war wesentlich straighter und direkter auf den Punkt kommend. Auf "Now, Diabolical" sind die Songs, auch durch die Doublebase, allesamt solide rockend, ob man es nun mag oder nicht. Jedes Stück dreht sich um ein oder zwei Hauptthemen, um die alles Andere herumgebaut wurde. Wir wollten nicht so viele unterschiedliche Teile darin haben und auch keine Tempowechsel, sondern dafür Rhythmuswechsel! Auch die verwirrenden Elemente wollten wir nicht mehr haben, sondern eher an Stärke und Reichweite gewinnen, also die Effizienz jedes einzelnen Songs erhöhen. Auch Chorusse mit starken Hooklines waren uns wichtig, so dass alles gut ins Ohr geht. Soviel zu der Entstehung der Stücke auf dem Album, aber die wichtigste Sache war uns das Transportieren einer pechschwarzen Seele und der Essenz der Dunkelheit, was wir eigentlich schon immer getan haben. Es ging uns um Einfachheit und Effektivität!



Das 1999er Album war sehr progressiv, das stimmt! Ein Song wie "Tied In Bronze Chains" hatte ja viele, viele Breaks…



Ja! Der Song hatte an die 17 Parts, haha! Mit dem Album begann das zweite Zeitalter von SATYRICON, aber nun haben wir sechs Alben gemacht, und das vierte war der Auftakt zum zweiten Kapitel. Die ersten drei Scheiben folgten einem roten Faden, wenn man so sagen möchte. "Rebel Extravaganza" war zwar sehr vertrackt, aber es transportierte bereits diese Kälte und Finsternis, für die die Band heute steht! Das "erste Kapitel" von SATYRICON war noch von mittelalterlichen Einflüssen und nordischen Mythen geprägt, während das neue Album keinen Zweifel daran lassen soll, dass wir nicht mehr aggressiv zu Werke gehen, sondern autoritärer und mit viel mehr bedrückendem, düsterem Feeling, das niemand leugnen kann.



Werdet Ihr denn auch in Zukunft an diesem Stil festhalten oder plant Ihr eventuell bereits, Euch beim nächsten Mal anderweitig zu orientieren?



Ich habe keine Ahnung; wir entwickeln uns einfach! Wir sind zwei Personen, die auf einer sehr festen Plattform stehen. Von dort aus schauen wir, was wir haben wollen. In diesem Fall wollten wir ein absolut dunkles, pechschwarzes Album haben, das sehr roh und mit einer starken physischen Präsenz herüberkommt. Bei dem Album sollte es sich anfühlen, als ob man sich in einem Raum mit der Band befindet, ein sehr natürliches Gefühl vom Sound her. Danach fragt man sich, was man erreichen möchte, und wie man es erreichen kann. Diese solide Position wird auf unseren Platten immer präsent sein, denn wir sind uns absolut sicher, was wir tun! Wir wissen genau, was wir wollen, und vielleicht haben wir nächstes Mal eine andere Vision davon, was wir tun möchten und wie wir es erreichen können. Der typische Charakter von SATYRICON, mit all seinen Eigenschaften, wird immer vorherrschen, denn wir haben eine genaue Vorstellung davon, wer wir sind und was wir vorhaben!



Verwunderlich war bei "Volcano", dass Ihr auf einmal einen Majordeal mit Virgin Records hattet, den Ihr danach aber anscheinend wieder verloren habt. Was ist da genau passiert?



Wir haben den Deal nicht verloren, denn er galt nur für ein einziges Album!



Ok, das war die andere Möglichkeit…



Uns wurde sogar ein neuer Deal angeboten, aber wir entschieden uns, diese Option nicht anzunehmen, weil uns Roadrunner mit viel Einsatz einen Vertrag offerierten, der im Sinne der Band das Beste zu sein schien! Ich denke, dass EMI Virgin ein sehr gutes Label ist, das in einigen Ländern einen äußerst guten Job für SATYRICON gemacht hat. Aber es war keine Partnerschaft, die wir weiterführen wollten, weil die Band etwas anderes wollte und wir unsere Gründe hatten, dieses Mal etwas zu verändern, verstehst Du?! Es ist zwar noch früh, aber fühle mich bei Roadrunner so weit zu Hause.



Für "Rebel Extravaganza" hattet Ihr ja mit Nuclear Blast auch nur einen Deal über ein einziges Album?!



Ja, der galt auch nur für diese Scheibe.



Aber Ihr habt schon vor, bei Roadrunner zu bleiben?



Keine Ahnung, wir haben auch dort nur für ein Album unterschrieben. Es ist immer so, dass wenn man eine gute Arbeitspartnerschaft hat, und man das Gefühl hat, diese Partnerschaft weiterzuführen, man sie auch weiterführt. Aber falls eine der beiden Seiten, sei es das Label oder die Band, meint, dass es Zeit ist, weiter zu gehen, dann geht man weiter.



Es gab nur ein paar Stimmen, die wohl eher spaßeshalber behauptet haben, dass Ihr zu böse für ein Major - Label sein könntet, als Ihr Euch von Virgin getrennt habt.



Nein, ich denke, es ist eine Frage von komplizierteren Vorgängen als dem, aber ich kann diese Sachen noch ungefähr zwei Stunden mit Dir bereden. Ich persönlich bin Fan vieler Bands, zum Beispiel auch von SLAYER, aber es ist mir völlig egal, welches Label deren Alben veröffentlicht, haha! Das interessiert mich alles gar nicht, es geht mir nur um die Musik! Ehrlich gesagt, rede ich darüber nicht so gerne, sondern lieber über meine Musik…



Es ist mir nur aufgefallen, dass Ihr das Label von Album zu Album wechselt, das ist nicht ganz gewöhnlich.



Ja, das stimmt, ist doch auch ok!



Ich habe noch eine Frage in diese Richtung: soweit ich weiß, bist Du doch Inhaber des Moonfog - Labels, und Ihr habt Eure früheren Alben darüber veröffentlicht. Warum macht Ihr das denn heute nicht mehr?



Dafür gibt es viele Gründe, aber der wichtigste Grund ist vielleicht, dass die Band einfach zu groß für Moonfog geworden ist. Es ist eine sehr kleine, spezielle Firma, so dass wir nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, all die Leute, die für uns arbeiten, zu bezahlen. Auch für die ganze Promotion ist nicht genug Geld vorhanden, so dass wir einer Band von der Größe SATYRICONs nicht mehr gerecht werden könnten. Aber selbst, wenn es so wäre, bin ich nicht sicher, ob wir es tun würden, denn wir haben das ja früher schon gemacht, und ich weiß, wie schwer es ist, an beiden Seiten des Tisches zu sitzen.



Dann werdet Ihr auch sicher die Entscheidung verstanden haben, die Eure Freunde von DARKTHRONE getroffen haben, als sie wieder zurück zu Peaceville gekehrt sind?



Haben die nicht mittlerweile ihr eigenes Label?! Es heißt "Tyrant Syndicate Productions", aber die Scheiben werden über Peaceville vertrieben. Das ist auch der Grund, warum wir ihnen nicht im Weg gestanden haben, denn sie sind einfach zu groß für Moonfog geworden. Als sie damals bei Peaceville waren, verloren sie viele ihrer Verkäufe durch "Transylvanian Hunger", und wir bauten sie dann mit "Panzerfaust" wieder auf. Ich denke nicht mal unbedingt, dass sie nur zu groß für uns waren, aber sie wollten nach zehn Jahren Zusammenarbeit mit uns einfach ihre eigene Produktionsfirma gründen und volle Kontrolle über alles haben. Wenn man mit einer Band so lange zusammen gearbeitet hat, dann akzeptiert man auch ihre Entscheidung, dass sie nun machen möchte, was sie für richtig hält.



Ihr seid aber auch persönlich befreundet, wie ich weiß. Ich seid doch auch in Wacken zusammen aufgetreten…



Wir hängen nicht mehr mit ihnen ab, aber wir respektieren sie sehr und unterstützen sie bei dem, was sie tun!



Mir ist aufgefallen, dass 2006 das große Jahr der alten norwegischen Black Metal - Bands werden könnte. Immerhin sind IHSAHN und EMPEROR wieder da, es wird ein Projekt von Abbath geben, man munkelt sogar von einer IMMORTAL - Reunion; dann sind da DARKTHRONE mit ihrem neuem Album, und Ihr seid auch mit "Now, Diabolical" zurück!



Oh, darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht, aber das könnte stimmen! 2006 steht ganz im Zeichen des Teufels in Norwegen, haha!



Wie aktiv sind eigentlich Deine anderen Projekte THRONS, WONGRAVEN, EIBON und STORM?



Sie existieren nicht mehr, aber vielleicht werden EIBON weitermachen, denn Phil Anselmo hat mich vor ein paar Wochen angerufen und gemeint, dass er gerne wieder etwas machen würde. Er ist echt ein fantastischer Typ, und ich würde sehr gerne wieder mit ihm arbeiten, aber ich habe dafür im Moment zu wenig Zeit. So wird es auf seiner Initiative beruhen, und ich werde mich natürlich anschließen, aber im Moment ist mein Zeitplan echt voll mit Arbeit für SATYRICON.



SATYRICON haben eine sehr gute Live - Band. Wieso arbeitet Ihr nicht auch mit der gesamten Band im Studio?



Oh, vielen Dank! Es sind alles sehr gute Künstler, und wir spielen seit vielen Jahren zusammen. Es ist eine sehr tighte, solide Einheit, aber bei der kreativen Situation im Studio ist es sehr schwer für jemanden, in die Mitte zwischen Frost und mich zu kommen, haha! Es ist eine Arbeitsgemeinschaft und spezielle Chemie, die keinen Raum für andere Personen lässt. Wir scheinen sehr gut als Duo arbeiten zu können, und wir haben es vom ersten Tag an so gehandhabt. Daher hat sich diese Arbeitsweise für uns als sehr geeignet ergeben.



Würdest Du sagen, dass Frost und Du Control - Freaks im Studio seid?



Frost nicht so sehr, denn er ist immer nur die ersten zwei Wochen anwesend, wenn wir die Drums aufnehmen. Ich bin der einzige, der vom ersten bis zum letzten Tag dort ist! Aber er ist immer entschlossen, mit seiner Arbeit das möglichst beste Resultat abzuliefern und arbeitet sehr hart dafür. Ich selbst bin ein Perfektionist zu einem sehr hohen Grad und kehre immer mein Innerstes nach Außen, um das zu erreichen, das ich geplant habe.



DARKTHRONE arbeiten im Studio ja auf ähnliche Art und Weise.



Ja, but there is no fucking way that they are perfectionists, hahaha! Sie gehen ins Studio, nehmen alles mit dem "first take” in ein paar Stunden auf und benötigen für das ganze Album, inklusive Mix, vielleicht zwei Tage. Wir brauchen dafür etwa fünf Monate, haha! Aber jedem das Seine, denn eine Sache ist dabei nicht besser als die andere, jedoch sind es bei uns völlig verschiedene Arbeitsweisen. Die einzige Verbindung ist, dass wir beide Black Metal - Bands aus Norwegen und Kollegen sind, aber sonst arbeiten wir auf ganz unterschiedliche Art.



Trotzdem sind DARKTHRONE die einzige Band, mit der ich persönlich SATYRICON stilistisch überhaupt vergleichen kann. Wenn ich mir beispielsweise "Volcano" anhöre und dann etwa "Hate Them" von DARKTHRONE, ist es doch die gleiche Attitüde und Einstellung. Beide Bands sind sehr rock´n´rollig, sehr minimalistisch, roh und schmutzig.



Die Leute sagen öfter, dass die Atmosphäre vergleichbar sei, und ich kann für SATYRICON sprechen, dass es für uns ein Kompliment ist! Wenn Du DARKTHRONE fragst, werden sie dasselbe sagen. Ich denke, wir sind zwei Bands, die sich gegenseitig sehr respektieren und dieselbe Attitüde bei vielen Dingen zeigen, obwohl wir sehr unterschiedliche Bands sind.



Vor zwei Jahren gab es in Toronto einen sehr unschönen Zwischenfall, was Eure Live - Band betrifft. In den News konnte man lesen, dass angeblich eine Frau von zweien Eurer Musiker vergewaltigt worden sei. Wie ist diese Sache denn ausgegangen?



Sie wurden nicht direkt wegen Vergewaltigung, sondern wegen eines sexuellen Vergehens gegenüber einem kanadischen Mädchen beschuldigt. Die Sache wurde untersucht, und sie zog ihre Aussage zurück. Danach hat die Polizei den Fall zu den Akten gelegt, denn sie glaubten dem Mädchen nicht, und es gab auch überhaupt keine Beweise, die diese Beschuldigung hätten aufrechterhalten können. Sie wurden von jeglicher Schuld freigesprochen, ihre Fingerabdrücke, Fotos und Akten wurden gelöscht, und das war es auch schon! Die Leute sprechen darüber aber nicht mehr, sie reden nur über die Gerüchte und das Drama dahinter. Wenn dann die Wahrheit ans Licht kommt, interessiert es plötzlich niemanden mehr. Es werden immer nur die schlechten Nachrichten verbreitet, nie die guten! Es war alles eine Ente, vom ersten Tag an, denn sie hatten absolut nichts getan. Es tut mir leid, dass die Jungs diese Sache durchmachen mussten, aber gleichzeitig bin ich auch glücklich, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde. Ich hoffe, die Leute verstehen nun, dass wir zwei echt gute und ehrliche Jungs in der Band haben, denn das ist nun mal der Fall!



Werdet Ihr uns denn demnächst auch tourmäßig heimsuchen?



Wir werden auf ein paar Sommerfestivals spielen, und außerdem werden wir im Herbst mit ein paar Major - Touren zurück sein, eine davon vielleicht sogar mit CELTIC FORST. Es wird 2006 definitiv noch aufregend werden!




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