Interview:

2004-11-07 Pilot

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Mit P:LOT hat Ex-HOSEN-Schlagzeuger Wölli eine vielversprechende junge Band für sein Label Goldene Zeiten gewonnen. Das soeben erschiene Debüt-Album glänzt durch eigenständigen melancholischen Indie-Rock, der sich wohltuend von der Masse deutscher - und vor allem deutsch singender - Bands abhebt. Sänger und Gitarrist Alexander stand uns Rede und Antwort zu CD, Bandgeschichte und der Zusammenarbeit mit Goldene Zeiten:InterviewWas ist das für ein Gefühl, von einem Rock-Promi wie Wölli entdeckt zu werden? Das ist doch bestimmt gut fürs Selbstvertrauen...


Natürlich tut es Dir gut, wenn jemand mit "Rock’n’Roll"-Geschichte auf Dich zukommt und Dir einen Plattenvertrag anbietet. Allerdings überwiegt bei der Zusammenarbeit mit Wölli der persönliche Kontakt als Musiker und Freund - so wie wir auch mit allen anderen in unserem Team eng zusammen stehen, und das gibt uns viel Kraft für das, was wir tun.


Wie kam es überhaupt zu der Zusammenarbeit? Angeblich hat Wölli einen Auftritt von Euch gesehen und war sehr angetan. Hat er Euch dort angesprochen und direkt einen Vertrag bei seinem Label Goldene Zeiten angeboten?


Das ist richtig, Wölli hat uns im März dieses Jahres live gesehen und gemocht. Anders als bei den drei anderen Bands, mit denen wir im nächsten Jahr auf "Goldene-Zeiten-Tour" gehen, haben wir uns nicht bei Wöllis sehr erfolgreichem Nachwuchsfestival "Rock Am Turm" beworben. Unser Produzent
Uwe Sabirowsky hat uns Wölli vorgestellt und ihn zu einer Show im Underground in Köln eingeladen. Nach der Show kam er dann auf uns zu und sagte mit seiner "100 Shows im Jahr"-Rock’n’Roll-Stimme: "Auf die Show könnt Ihr stolz sein, heute könnt Ihr mal richtig feiern". Dass das ein Angebot für eine Zusammenarbeit war, haben wir erst in den folgenden Tagen verstanden. Irgendwann sahen wir uns in Uwes Studio, und da wurde alles dingfest gemacht - allerdings auf Handschlag. Den eigentlichen Vertrag haben wir erst wenige Tage vor der VÖ unterzeichnet. Wölli hat uns da einfach vertraut… wir ihm auch.


Eure Debüt-CD ist extrem gut produziert. Es gibt viele Bands, die schon diverse Aufnahmen hinter sich haben, die aber wesentlich dünner klingen...


Vielen Dank für das Kompliment, Uwe wird sich freuen. Das Interessante an unserer Platte ist, dass sie in zwei Hälften aufgenommen wurde. Die Show, auf der Wölli uns "entdeckt" hat, war eigentlich eine Release-Show für unsere EP, die wir mit einem anderen Indie-Label in Eigenregie im April
veröffentlichen wollten. Sechs der auf dem Album untergebrachten Titel waren also schon vorher fertig. Als dann der Deal mit Wölli ins Haus stand, haben wir mit etwa 4 Monaten Abstand die andere Hälfte aufgenommen. Das hat uns geholfen, es ist sehr viel entspannter, nur sechs große Aufgaben
am Stück bewältigen zu müssen, nicht 12 oder 13. Grundsätzlich haben wir mit Uwe schon einige Male zusammengearbeitet, sei es bei anderen Bandprojekten oder alleine. Uwe ist da in gewisser Weise unser Mitglied Nummer vier, das hat einfach gepasst.


An vielen Stellen hört man im Hintergrund Synthies und andere Soundspielereien. Wie setzt Ihr das live um? Habt Ihr da einen vierten Mann dabei? Oder werden diese Passagen vom Band eingespielt?


Tja, da fragst Du was. Jedes Mal, wenn wir einen neuen Titel vorproduziert haben, stehen wir vor diesem Problem. Die Umsetzung auf der Bühne ist für uns mindestens noch einmal der gleiche Arbeitsaufwand, wie den Titel überhaupt zu erarbeiten. Ein vierter Mann kam allerdings nie wirklich
für uns in Frage. Die Bandchemie steht bei uns auf sehr festen Füßen, ein weiteres Mitglied wäre da momentan eine zu große Unbekannte. Gastmusiker waren auch nie Thema, die Musik ist zu sehr auf unsere persönliche Interpretation angewiesen - also arbeiten wir mit Händen und Füßen. Hört
sich albern an, ist es am Anfang auch, aber je mehr wir uns dem Grundklang des Titels nähern, desto einfacher wird es. Wir haben also einiges auf der Bühne, ich spiele Tasten neben der Gitarre, Andi steuert vieles über ein Fußmanual, wir samplen auch viel während des Konzerts. Vom Band kommt
allerdings nichts. Bis jetzt haben wir uns gut geschlagen, die Sounds der Platte setzen wir fast 1 zu 1 in der Dreier-Besetzung um.


Euer Produzent Uwe Sabirowsky war schon u. a. für THUMB, die BEATSTEAKS, Keith Caputo und Herbert Grönemeyer tätig, Euer Tourmanager ist auch verantwortlich für HEATHER NOVA und SUCH A SURGE. Ihr scheint also ganz schön gepusht zu werden. Habt Ihr keine Angst vor kommerziellem Ausverkauf?


Als Indielabel mit Wölli an vorderster Front hat Goldene Zeiten uns sehr viel zu bieten, aber vor allem eine Familie, auf die wir uns verlassen können. Chartpositionen oder riesige Tourslots sind da nicht
vorprogrammiert - wir sind kein Major und gerade erst am Anfang, wir haben nicht das Geld, um kurzfristig ganz oben einzusteigen. Aber von allen Erfolgen, ob kommerziell oder nicht, abgesehen: Wir sind alle zuversichtlich was die nächsten Jahre angeht. Die Bands auf unserem Label sind eigenständig und großartig, jetzt zählt vor allem unser aller Einsatz. Musikalisch haben wir absolute freie Hand gehabt.


Ihr habt als Studio-Projekt angefangen, Musik zu machen. Wie und wann kam die Idee, eine "richtige" Band daraus zu formieren?


In den 7 Jahren, die Andi und ich nun zusammen arbeiten, gab es mehrere Versuche, eine Band um unser Projekt zu formieren. Wir wollten die Musik live präsentieren, Veröffentlichungen als Solokünstler konnten wir uns auch nicht vorstellen. Wir haben alles Mögliche probiert und uns früher oder später wieder von den Leuten getrennt. Wir waren sicher nicht einfach, aber andererseits konnten Andi und ich zu zweit immer auf einem persönlichen Level arbeiten, den wir mit den Gruppen nie halten konnten. Ben war da sozusagen ein unerwartetes Geschenk. Wir haben uns bei einer Produktion in Uwes Studio kennen gelernt, nach wenigen Proben die erste Show zusammen gespielt.


Wie muss man sich Eure Musik von damals vorstellen? Was hat sich seitdem verändert?


Verändert hat sich vor allem die Konsequenz in der Herangehensweise. Der berühmte "Strauß Buntes" war unser Steckenpferd. Natürlich gab es auch damals schon reichlich Material im Stil der aktuellen Platte, am Interessantesten war es aber immer, die unbekannten Wege zu gehen.
Dementsprechend waren wir Rhythmusorientierter, mehr Rock, mehr Elektro, mehr dies und das aber vor allem immer anders. Natürlich auch anfälliger für den Zeitgeist, man hörte etwas und dachte: "Mensch, gute Sache. Mach ich auch". In gewisser Weise haben wir uns jetzt auf unsere Talente konzentriert, eben genau die Dinge gesucht und hoffentlich gefunden, die uns besonders machen - mehr Harmonie, weniger Amerika, mehr Melancholie im positiven Sinne, die Instrumente klarer definiert.


Welche Bands haben Euch am meisten beeinflusst? Welche beeinflussen Euch heute?


Wir haben alle sehr unterschiedliche Wurzeln, die erste Platte im Schrank war bei jedem eine andere. Natürlich spielen in meinem Leben die Beatles eine große Rolle, wie bei jedem Musiker, denke ich.
Allerdings habe ich seit Jahren keine Rockplatte gekauft. Es ist nicht besonders inspirierend, wenn man sozusagen immer zu Hause bleibt. Am meisten beeinflussen wir uns wohl gegenseitig.


Seht Ihr als Band mit deutschen Texten eine Gefahr, in der Deutsch-Rock-Ecke zu landen? Dieser Begriff ist ja ziemlich negativ besetzt...


Deutsch-Rock klingt leider wirklich nicht gut. Allein die Wortkombination ist grauenhaft. Andererseits zeigt der Begriff, wie viel es in diesem Genre noch zu entdecken gibt. Die letzten 50 Jahre haben wir Deutschen so gut wie keine Identität entwickelt, wir sind, positiv ausgedrückt, musikalische Weltbürger ohne eigene Persönlichkeit. P:LOT haben in dem Sinne keine feste Zielgruppe und gehören zu keiner Szene. Das war auch mit englischen Texten nie anders. Wir werden sehen, was wir für uns erreichen können.


Ernstzunehmende deutsche Rockbands, wie beispielsweise die BEATSTEAKS, spielen im Grunde amerikanische Musik mit englischen Texten. Bands, die auf Deutsch singen und zur Zeit gehypt werden, wie JULI oder SILBERMOND, machen harmlosen Kommerz-Pop-Rock. Wie seht Ihr die
Entwicklung der deutschen Rockmusik?


Die aktuell angesagten Bands leisten grundsätzlich eine wünschenswerte Arbeit. Sie eröffnen den drittgrößten Musikmarkt der Welt für deutschsprachige Künstler. Da spielt es in gewisser Weise nur eine untergeordnete Rolle, was das für Musik ist. Natürlich wünscht man sich hier und da mehr künstlerische Identität, vielleicht auch mehr musikalische Qualität. Andererseits ist der direkte Vergleich mit amerikanischen High-End-Produktionen so nicht gegeben. Die leichte "Laienhaftigkeit", die manchen dieser Produktionen anhaftet, ist ja gerade eines der Merkmale und Teil des erfolgreichen Gesamtkonzepts. Mit der fehlenden "Vollmündigkeit", die einigen der Bands anhaftet,
können wir uns nicht anfreunden. Vieles macht den Eindruck, dass alte Füchse für ihrer Meinung nach unbedarfte junge Leute vor Fernsehern Produkte verkaufen. Ich glaube auch nicht, dass das Publikum zwischen 15 und 35 nur auf eindeutig zweideutige Themen abfährt oder alles lustig sein muss. Es ist eben nicht alles lustig oder egal, und es ist eigentlich unverantwortlich, so zu tun.


Wie wichtig sind Deine Texte für Eure Musik?


Ich bin kein Dichter oder Schriftsteller und wir sind auch kein Lesezirkel. Wir sind Musiker. Je mehr die Texte die grundsätzliche Stimmung eines Songs darstellen und allgemein geltend machen, desto
besser ist er in unserem Sinne.


Auffällig viele Texte sind in der zweiten Person geschrieben. Willst Du dadurch den Zuhörer direkt ansprechen? Hast Du eine bestimmte Message?


Natürlich hat jeder Text einen guten Grund, warum ich ihn geschrieben habe, aber nur ein kleiner Teil ist wirklich über mich. Nur wenige Dinge sind im Leben wie bei jedem anderen auch. Liebe gehört dazu, da kann eine persönliche Geschichte auch für viele andere beispielhaft herhalten. Aber andere Stimmungen entstehen aus völlig unterschiedlichen Situation, wahrscheinlich verbinden auch viele mit einigen unserer Stücke andere Gefühle als wir - aber gerade das ist eine große Ehre. In gewisser Weise ist das der Charakter der Kunst. Ich wünschte, wir wären gerade in dieser Richtung noch um einiges Extremer, noch mehr Platz für den Zuhörer in der Musik. Wir werden sehen... Die
Konzerte in den letzten Wochen haben da große Entwicklungen gebracht.


Im Booklet Eurer CD finden sich Zitate von Franz Kafka und Hermann Hesse. Habt Ihr einen intellektuellen Anspruch an Eure Texte und Musik?


Intellektuell, tja... grundsätzlich haben wir diese Texte gewählt, weil es Texte sind, und das Booklet ist ein Heftchen und keine CD. Man hört nicht automatisch Musik beim Lesen, aber wir machen nun mal Musik. Ich habe unsere Texte nicht als Gedicht verfasst. In der deutschen Geschichte gibt es fantastische Beispiele für die Ästhetik der deutschen Sprache. So wie die deutsche Musik vernachlässigt wurde, ist die deutsche Literatur umso mehr eine großartige Kraft. Wir bewundern
das. Die Texte sind besonders gute Beschreibungen, warum wir überhaupt Musik machen. Wir hätten das nicht besser sagen können... also her damit. Wir wollen uns damit nicht vergleichen oder uns damit auf eine Stufe stellen, so wie es viele verstehen - in gewisser Weise übrigens auch eine typisch deutsche Eigenschaft. Ganz im Gegenteil zeigen wir
Respekt.


Wie seht Ihr Eure Chancen, auch im nicht-deutschsprachigen Ausland erfolgreich sein zu können?


Wir haben Ideen und Pläne, Asien reizt uns sehr. Wir alle bei Goldene Zeiten glauben daran, dass deutsche Sprache und Musik im Ausland auch dauerhaft gemocht und seinen Platz finden kann. Wenn nicht wir, dann eben eine andere Band. Englisch ist leider nicht mehr nur eine Weltsprache,
sondern für viele Völker auch zu einer Bedrohung geworden. In Asien werden gerade die Weichen für eine neue Ordnung gestellt, wenn man jetzt nicht schläft, kann Deutschland auch wieder kulturell eine
internationale Größe werden. Natürlich muss man dafür aber erstmal seine Hausaufgaben zu Hause machen. Wir freuen uns auf die Deutschlandtour mit Stigma, Cho-Jin und Capricorn im Dezember.


Welche Idee steckt hinter Eurem Bandnamen?


Fliegen ist doch eine gute Sache, und wer wollte nicht schon immer mal im Cockpit sitzen? Nee, im Ernst: Der Name P:LOT steht einfach für unser Ziel und unsere Sache, und wir sind stolz, wenn wir den Namen irgendwo lesen. Das ist doch ein gutes Zeichen...