Interview:

2007-01-16 Melechesh

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"Mesopotamian Metal" oder auch "Sumerian Thrashing Black Metal" nennen die multikulturell orientierten MELECHESH ihre sehr eigenständige Mischung aus aggressivem Schwarzmetall, traditionellem Edelstahl und nahöstlichen Einflüssen, die mit dem neuen Meisterwerk "Emissaries" auf ein gefährlich hohes Level gebracht wird. Fronter und Bandchef Ashmedi scheint jedenfalls zufrieden zu sein, lediglich einige Dinge außerhalb der Musik stören ihn noch ein wenig...InterviewIhr seid ja eine sehr multikulturelle Band mit armenischen, israelischen und assyrischen Mitgliedern?



Das stimmt nicht ganz, es ist niemand aus Israel in der Band! Das ist ein Fehler, MELECHESH hatten niemals ein Mitglied aus Israel. Es ist nicht beabsichtigt, sondern ein Zufall, da der Name MELECHESH aus Israel stammt. Ich selbst bin halb und halb armenisch/assyrisch, da meine Familie von dort stammt, aber geboren bin ich in Israel. Unser Gitarrist Moloch ist halb assyrisch und halb palästinisch. Al´Hazred, unser Bassist, lebte vier Jahre in Israel und wanderte dann aus. Er war neu in Jerusalem, als er sich MELECHESH anschloss. Unser erster Drummer war ebenfalls Armenier, und nun haben wir Xul, der Holländer ist. Wir hatten auch alle keine israelischen Pässe, sondern nur eine Aufenthaltsgenehmigung.



Aber überall steht, dass MELECHESH aus Israel stammen!



Wir können das leider nicht kontrollieren, haha! Wir haben sonst nichts mit Israel zu tun; natürlich lieben wir das Land, weil wir auch eine Menge Freunde da haben. Ich spreche auch sehr gut hebräisch, denn in meinem Alltag dort hatte ich Kontakt zu Israelis und auch Palästinensern. Ich stand aber immer in der Mitte und habe mich aus deren Kämpfen herausgehalten, weil ich Freunde auf beiden Seiten habe. Wenn man uns also als Israelis bezeichnet, dann stimmt das nicht, aber wir können nichts dagegen tun. Wir begannen in Jerusalem, aber gehört die Stadt zu Israel?! Im Moment ja, aber das ist ja alles ein politisches Problem. Wir sagen, wir kommen von dort, und dir Leute schlussfolgern, dass wir eine israelische Band seien! Alles an MELECHESH ist unnormal, inklusive unserer Herkunft. In Jerusalem treffen sich Menschen aus allen Teilen der Welt, es ist eine internationale Stadt.



Na gut, dann gehe ich auch davon aus, dass es keine religiösen Differenzen innerhalb der Band gibt?!



Nein, nein! Lass mich Dir erklären: diese Probleme, die die Europäer mit Kulturen haben, schockieren mich! Ich hatte echt keine Ahnung, wie primitiv das ist. In Amerika funktioniert das multikulturelle Miteinander wesentlich einfacher, das ist auch eine gute Sache. Es addiert sich und grenzt sich nicht aus. Es ist so, als ob man zehn TV-Kanäle anstelle von nur einem hat. So läuft es auch in Jerusalem, und religiös ist es ebenfalls kein Problem, obwohl meine Familie einen christlichen Hintergrund hat. Ich habe aber sehr viele Freunde dort, die anderen Glaubensrichtungen angehören. Davon abgesehen, finde ich es einfach bekloppt, dass viele Metaller nicht kapieren, dass, wenn man ein Metalhead ist, der Metal zuerst kommt! Denn alle Personen auf der Welt, die der Szene angehören, haben ähnliche Charaktere, es ist eine Subkultur. Eine Russe sagt sich ja auch nicht: "Ich bin Russe, und darum stehe ich morgens auf, gehe ich in die Moskauer Innenstadt und trinke meinen Wodka!", sondern er steht auf und legt seine Metal-Lieblingsplatte auf. Das ist dasselbe in Indonesien oder Südamerika. Es ist immer so, dass der Metal zuerst kommt, und alles andere fügt sich dann hinzu, also der individuelle Charakter. Und wir sind ebenfalls zuerst Metaller und nicht religiös; wir glauben nicht an monotheistische Gottheiten oder Ähnliches. Es ist uns völlig egal, welcher Religion oder Nationalität ein Metaller angehört, das spielt keine Rolle.



Ja, aber man muss den Leuten, auch hier in Deutschland, klarmachen, dass es nicht zwangsläufig Krieg bedeutet, wenn beispielsweise ein Jude und ein Moslem aufeinander treffen?



In Amerika lachen die Menschen, die jüdisch oder muslimisch sind, über diese Sachen und die Leute, die so denken. Man kann natürlich über Politik diskutieren, aber es ist nur Politik, das Spiel der Affen! Der Mensch selbst ist so beschissen, dass er sich selbst diese Probleme erzeugt. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass die Metalheads in arabischen Ländern die Metalheads in Israel nicht hassen. Sie wollen beide am Liebsten zusammen bei Gigs abhängen und mögen sich gegenseitig. Viele Leute in Europa sind sich nicht bewusst, was in mental Gleichgesinnten vor sich geht und denken, dass alles so viel anders ist, da bin ich echt schockiert! Sie arbeiten förmlich auf diese Trennung hin, besonders angestachelt durch die Massenmedien wie CNN, etc.. Ich sage ja immer, dass der Mensch keine gute Arbeit ist.



In Eurer Musik tauchen auch einige mediterrane Elemente auf, wie Bouzoukis und spezielle Percussion. Wann und warum habt Ihr Euch dazu entschieden, auf diese Weise anders als die anderen Black Metal ? Bands zu arbeiten?



Wir sind eine Sumerian Thrashing Black Metal - Band! In unseren Herzen sind wir Black Metaller! Wir wollten auch schon immer Black Metal spielen, aber eine Sorte erfinden, die man dem Nahen oder Mittleren Osten zuordnen kann, also unseren eigenen Sound definieren. Es sollte traditioneller Metal mit thrashigen Riffs und blackmetallischen Vocals und Feeling sein, aber mit mediterraner Zugehörigkeit. Die Leute sind immer verwirrt, wenn sie von unserem Stil lesen, aber wir sind im Grunde eine Metalband mit normalen Gitarren und Drums, keine experimentelle Band. In einigen Teilen benutzen wir die Bouzoukis und die mediterrane Percussion, aber wir wollen unseren Sound damit nur erweitern. Das kommt ja nicht bei jedem Song zum Einsatz, denn bei uns überwiegt eindeutig der metallische Anteil. Viele Fans finden uns daher sehr anspruchsvoll und unsere Musik gleichermaßen aggressiv und atmosphärisch, weil viele Gefühle ausgedrückt werden und es sehr mystisch klingt. Irgendjemand hat mal über uns geschrieben: "MELECHESH spielen Black Metal für das Buch, nicht nach dem Buch", was bedeuten soll, dass wir die Musik für den Black Metal spielen und nicht nach den Regeln des Black Metal. Ich mochte diese Beschreibung, als ich sie gelesen hatte, denn ich denke, es bedeutet ziemlich viel und passt auch zu uns!



Eine andere Band, mit der man Euch zumindest in der Hinsicht dieser "heimischen" Stilelemente vergleichen kann, ist NILE?



Wir werden sehr oft miteinander vergleichen, aber wir machen völlig andere Musik, denn NILE spielen brutalen Death Metal! Klar, man denkt an deren ägyptische Einflüsse, aber wir sind eine mesopotamische Band. Es gibt weltweit vielleicht drei Bands, die diese mediterranen Einflüsse haben, während in Norwegen hunderte von Bands ähnliche Musik machen, aber nicht miteinander vergleichen werden. Es ist immer noch exotisch, wenn Bands aus dem Nahen Osten kommen, darum fallen sie wohl eher auf, aber musikalisch ist es nicht vergleichbar, da sind wir uns einig.



Eure Gitarrenparts erinnern mich aber auch sehr stark an MERCYFUL FATE!



Wow, danke, das ist cool! Ich höre das gerne und Du bist nicht der einzige, das das sagt! Man hört das nicht oft, aber seit unserem Album "Djinn" tauchten diese Vergleiche hin und wieder auf. Ich liebe diese Band! Das coole bei ihnen sind ihre Twin-Gitarren und die Art, wie sie mit den Plektren auf den Saiten springen. Das erzeugt eine Menge Groove und Dynamik, ich mag das einfach. Und als Gitarist bekommt man einfach Einflüsse, ohne es bewusst zu merken. Ich mag aber auch SLAYER und BATHORY sehr gerne, und wegen BATHORY habe ich seinerzeit überhaupt angefangen und wollte genau solch finstere Musik machen, nur mit fetterem Drumming. Dann hat sich das einfach so entwickelt. Als Musiker regnet es auf einen herunter, es ist eine konstante Evolution. Es ist klasse, sich von Bands beeinflussen zu lassen, die Du magst und mit denen Du aufgewachsen bist. Dann muss man nur seine eigenen Ideen dazutun; das muss so sein. Bei MELECHESH gibt es viel Gitarrenarbeit, es basiert nicht alles nur auf einem einzigen Riff, das variiert wird.



MELECHESH scheinen mir allgemein mehr im traditionellen Metal beheimatet zu sein, jedenfalls stärker als zum Beispiel im skandinavischen Black Metal der Marke DARKTHRONE, MAYHEM, etc?



... die ich aber sehr gerne mag, das nur nebenbei! DARKTHRONE und MAYHEM respektiere ich sehr, denn es sind exzellente Bands! Sie haben der Musik eine Menge gegeben, und ich hoffe, sie veröffentlichen auch weiterhin gute Alben. Sie beeinflussen uns aber nicht. Wir hören sie, mögen sie, aber sie färben nicht auf uns ab. Ich denke, wir nehmen einfach die Wurzeln des Metal, sogar aus dem 70´s-Rock, lassen uns davon beeinflussen und stricken daraus ein neues Package, das dann zu "Mesopotamian Metal" oder "Sumerian Thrashing Black Metal" nennen. Man muss einfach die Quellen der Musik suchen, und darum haben wir unseren eigenen Sound. Es ist traditioneller Metal, extremer Metal in unserer eigenen Art, wie wir unsere Gitarren und die Drums bearbeiten, und so mögen wir das. Wir wollen anführen, nicht folgen! Die Bands, die Du angesprochen hast, höre ich mir wirklich gerne an, aber ich versuche nicht, sie zu kopieren. Ich würde da viel Energie verschwenden, und deswegen ziehe ich das gar nicht erst in Erwägung.



Ganz ehrlich wüsste ich auch keine Band, die genau so klingt wie MELECHESH. Die Idee hinter der Band scheint aufzugehen.



So wollte ich das auch immer haben, und mittlerweile ist es mein eigener Charakter im Schreiben von Songs und Gitarrenspiel. Ich möchte gerne als Gitarrist angesehen werden, der seinen eigenen Stil hat. Damit meine ich nicht so einen "Showmusiker" (und gibt "Yngwie Malmsteen"-artige Geräusche von sich! - Anm. d. Verf.), das interessiert mich wirklich nicht! Das ist echt nur Übung, indem man versucht, immer schneller in derselben Technik zu werden, die bereits existiert. Ich möchte gerne Energie und Feeling durch mein Spiel transportieren und bei MELECHESH einbringen, und dafür habe ich keinerlei Regeln. Das hat sich zu einem eigenen Charakter entwickelt und betrifft auch die Drums, die ich bei uns auch schreibe. Das ganze Package zusammen funktioniert sehr gut! Jeder Headbanger, die Black und Death Metal hört, dürfte daran Gefallen finden, weil es nicht sehr experimentell ist. Es ist zwanglos, aber originell.



Auf ?Emissaries? sind auch einige Gastmusiker zu hören. Wer sind diese Personen denn genau?



Hmm? in den Songs selbst sind keine Gastmusiker zu hören, das sind nur MELECHESH. Aber als wir den Gruppengesang aufnahmen, war es Mathias Heine, der uns stimmlich unterstützte. Er arbeitete mit uns im Studio zusammen, nachdem wir ihn fragten, ob er mit uns arbeiten könne. Die anderen Gastmusiker sind alle im akustischen Bereich ausgebildet und halfen uns bei den klassischen, mediterranen Parts. Wir wollten einfach solch eine Komposition haben, und Remco Helbers half uns bei der Sitar aus. Das Instrument nennt sich "Surbahar" und ist eine Bass-Sitar. Dann hatten wir noch einige Leute, die Blasinstrumente spielten. Wir können zwar selbst viele Instrumente spielen, aber man braucht noch einige fremde Instrumente, so dass wir diese Leute einluden, mit uns zu komponieren. Proscriptor, mit dem ich sehr gut befreundet bin, war noch als Gastsänger dabei. Wir machen uns darüber nicht so viele Gedanken, sondern wollen die Sache nur interessant halten.



Einige Parts von "Emissaries" sollen ja bereits an die 5000 Jahre alt sein, zumindest die Texte. Welche Stücke sind das denn?



Wir haben einige antike Texte benutzt, sowohl arkadische, wie auch sumerische. Der Song "Deluge Of Delusional Dreams" beginnt mit einem Traum, den ich mal hatte. Ich wachte auf und begann sofort mit Komponieren; das war mitten in der Nacht. Das Ganze basierte auf Bildern, die ich im Kopf hatte, und dann entdeckte ich diesen etwa 5000 Jahre alten Text aus der frühen sumerischen Periode, der von den "Sieben Bösen Winden" (? - Anm. d. Verf.) handelt. Das ist eine sehr faszinierende Geschichte, die mich absolut begeistert hat! Da diese Geschichte dem Traum, den ich hatte, sehr ähnlich war, beschloss ich, beides zu kombinieren. Ich denke, dieses Album ist textlich unser bislang am Meisten ausgereiftes; es ist sehr facettenreich und sehr gut recherchiert.



Wovon handelt das Album denn allgemein?



Im Großen und Ganzen geht es um sumerische und mesopotamische Magie und Okkultismus, mit einer speziellen Verbindung zum Kosmischen, denn die antiken Götter in unserer Kultur und anderen Kulturen haben für gewöhnlich außerirdische Wesen erleuchtet und das Zeitalter der Menschheit auf der Erde beginnen lassen. Gelandet sind sie zuerst in sumerischen Gebieten. Es gibt durch diese Erleuchtung auch einen Sprung in der Entwicklung des Menschen! Es geht dabei um unsere Ursprünge, aber wir haben auch ein Stück über die Kabbala, das meine Sicht auf die Stadt Jerusalem und ihre okkulten Seite ausdrückt.



Auf dem Album findet man aber noch ein paar mehr Überraschungen. Ihr habt einen Song von THE TEA PARTY gecovert, und eine improvisierte Jam-Session gibt es außerdem zu hören.



THE TEA PARTY ist eine alternative Rockband aus Kanada, die östliche Musik, Blues und Rock vereint und in Europa stark unterbewertet ist. Sie sind sehr talentiert, und wir unterhalten uns sehr oft. Ich wollte den Song "Gyroscope" einfach im Stil von MELECHESH interpretieren. Wir mussten den Anfang und das Ende verändern und haben die Band um Erlaubnis gefragt. Sie haben eingewilligt, und so haben wir das Stück nach unseren Vorstellungen bearbeitet. Es steht in der Mitte des Albums, weil es ein MELECHESH-Song geworden ist. Es ist jetzt, so gesehen, unser Stück, und THE TEA PARTY haben ihn sich angehört und sind begeistert gewesen. Viele Metalfans werden niemals von THE TEA PARTY hören, darum ist es eine gute Art, sie kennen zu lernen. Vielleicht mögen sie die Musik ja. Was die Jam-Session betrifft? ich mag einfach dieses organische Feeling, das dabei aufkommt, so wie in den 70er Jahren. Es ist nicht geplant; man setzt sich einfach zusammen und lässt die Ideen strömen. Das Ding ist an einem Tag entstanden, an dem ich fast einen Nervenzusammenbruch hatte. Die anderen meinten, ich solle mich zurücklehnen, entspannen und mein Instrument spielen. So ist das entstanden, und wir haben es als Extra mit auf das Album genommen. Es ist kein Bonus und hat nicht mal einen Titel. Es war nicht geplant, aber eine gute Idee! Und wenn wir uns schon Coversongs vornehmen, dann wollen wir nicht irgendetwas 1:1 nachspielen und als Bonustrack verwerten, sondern unser eigenes Stück daraus kreieren.



Ihr seid ja auch für dieses Jahr für das "Party.San"-Open Air bestätigt. Freut Ihr Euch denn schon darauf?



Ja, sicher! Die Leute riefen mich an und waren sehr daran interessiert, uns zu buchen. Ich war zwar noch nie da, habe aber schon viele gute Sachen von dem Festival gehört. Wir werden dort 110% geben!



Das ist ein saugeiles Festival, das aber auch leider immer wieder eine bestimmte Art von ?"führerlosem" Publikum anzieht. Diese Leute sind sicher scharf darauf, "Mesopotamian Sumerian Thrashing Black Metal" zu hören, haha!



Nun, alles hat seine eigenen Herausforderungen. Mag sein, dass diese Leute dort herumlaufen, aber das wird uns nicht beirren, unsere Musik dort zu spielen! Was soll man machen?

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