Review:

West End

(The 69 Eyes)

Einen runden Geburtstag dürfen THE 69 EYES dieses Jahr feiern und haben sich zu diesem Anlass auch gleich mal selbst ein paar Geburtstagsluftballons (selbstverständlich in standesgemäßem Schwarz) aufs Albumcover gepackt – schließlich hat man nur einmal dreißigjähriges Bandjubiläum. Seit dem letzten Album „Universal Monsters“ sind ein paar Jahre ins Land gegangen, während derer Sänger Jyrki 69 nicht zuletzt mit einem Ausflug in Solo-Gefilde beschäftigt war. Jetzt erscheint der Nachfolger, der auf den erstaunlich ungotischen Namen „West End“ hört, und wie das so ist, wenn man Geburtstag hat, schenkt man sich gerne auch mal selber was – in diesem Fall in Form von Gastsängern, wie gleich beim Opener „Two Horns Up“ zu hören, bei dem kein Geringerer als Dani Filth von Cradle Of Filth mitmischt. Entsprechend ist der Ton recht düster, auch für 69 EYES-Verhältnisse. Ein wenig lichter und melodischer wird es bei „27 & Done“, das vom berühmt-berüchtigten „Club 27“ handelt (Jim Morrison geisterte ja schon früher durchaus einträglich durch 69 EYES-Texte) und bei dem der Gesang sich erfreulicherweise ein wenig aus der Grabestiefe herauswagt. Das hübsche „Black Orchid“ knüpft an den mit melodischen Keyboards untermalten Sound aus „Paris Kills“-Zeiten an und ist damit eindeutig einer der besten Songs der Platte, zusammen mit „Cheyenna“: ebenfalls ein klassischer 69 EYES-Song mit eingängig melodischer Lead-Gitarre und einem Refrain, der wie einst „Devils“ erhöhtes Live-Potential hat. Und damit wären wir bei dem Problem, das „West End“ wie ein roter Faden durchzieht: die Gesangsmelodien. Mit Ausnahme der beiden eben genannten gibt es kaum eine, die direkt ins Ohr geht und das ist ungewöhnlich für THE 69 EYES, die doch schließlich mit Songs wie „Lost Boys“ oder „Brandon Lee“ eigentlich immer ein Händchen für eingängige Melodien hatten. Dabei scheint man sehr wohl um eine gewisse musikalische Abwechslung bemüht, wie die horrorpunkigen Ausflüge mit Dani Filth und Wednesday 13 zeigen, die stilistisch durchaus vom typischen 69 EYES-Sound abweichen. Auch „Hell Has No Mercy“ sticht mit seinem dezenten Roadmovie-Flair positiv aus der Masse heraus, erreicht jedoch nicht die Klasse eines „Borderline“. Trotz dieser Anstrengungen bleibt die Eingängigkeit an vielen Stellen irgendwie auf der Strecke, nach vielversprechendem Start verhungern die Songs oftmals im Refrain, der einfach nicht so richtig zünden will. Mitunter liegen auch einfach so viele Gesangsspuren übereinander – alle davon tief --, dass die Melodien schlicht in einem düsteren Gebrummel versinken. Das Verhältnis der Band zu Balladen war in jüngerer Vergangenheit ohnehin eher schwierig und „Death & Desire“ ändert daran nichts: auch hier liegt das Problem in der Dosierung der Zutaten, die süßlichen Streicher ertränken das Lied im Kitsch. Alles in allem hat man das Gefühl, dass es auf „West End“ irgendwie ein wenig an Herzblut fehlt, einiges wirkt eher uninspiriert oder redundant. Da die Musiker ihren Job trotzdem versiert erledigen, ist das nicht zwangsläufig ein Beinbruch, aber es ist schade, weil die Finnen in ihrer langen Geschichte bewiesen haben, dass sie das ganz eindeutig besser können und gerade anlässlich ihres dreißigjährigen Jubiläums hätten sowohl die Band selbst als auch die Fans ein besseres Geburtstagsgeschenk verdient gehabt. Entsprechend ist das Album zwar ein durchaus solides Werk, das Fans der Band und des Genres nicht enttäuschen dürfte, im direkten Vergleich zu früheren Alben aber zieht es dann doch den Kürzeren, denn die Helsinki Vampires hatten definitiv schon mal mehr Biss.

West End


Cover - West End Band:

The 69 Eyes


Genre: Gothic Rock
Tracks: 11
Länge: 48:44 (CD)
Label: Nuclear Blast
Vertrieb: Warner