Review:

X-Rayed

(Sylvan)

Wenn man, so wie ich, die Hamburger Progger von SYLVAN veröffentlichungstechnisch quasi erst von vorne nach hinten kennengelernt hat, kommt die 2004er Veröffentlichung "X-Rayed" soundlich schon eine ganze Ecke verquerter oder auch rauher als das relativ poppige „Presets“ oder das vorwiegend entspannte „Posthumous Silence“ daher.

Als Grundgerüst haben die Herren natürlich immer noch ihren fließenden Progressive/Neo Art Rock mit einprägsamen Melodien beibehalten, aber die Ausschläge in die ein oder andere stilistische Extremausprägung sind deutlich prägnanter. Der typische Gesang von Marco Glühmann prägt natürlich nach wie vor sehr stark die Tracks auf dieser Scheibe aber zwischendurch geht er mal so richtig heftig aus sich heraus, die melancholischen Stimmungen sind düster ausgebreitet, das Riffing ist zum Teil fast progmetallisch, es gibt viele moderne Elemente wie Samples und Programming. Trotz vieler ausladender Instrumentalparts findet die Band durch ihre dichten Harmonien und packenden Arrangements (fast) immer wieder zum Kern der Songs zurück. Der Frickelfaktor ist, wenn überhaupt vorhanden, meist auf einem erträglichen Niveau, die Songs haben trotz aller Komplexität und Vielschichtigkeit meist noch genügend Fluss. Stellenweise gibt es da zwar schon vielfach schwere Kost zu hören, aber die Melodien setzen sich meist gleich in den Synapsen fest, der Rest des ein oder anderen Longtracks kommt dann erst mit der Zeit. Aber dieser Langzeiteffekt spricht ja nur positiv für die Musik. Dadurch wird auch so manche vermeintliche Länge nach mehrmaligen Anhören schlichtweg aufgelöst, so dass Hirn und Melodie gleichermaßen auf ihre Kosten kommen.

Trotz natürlich des musikalisch recht ambitionierten Sounds dieses Gesamtkonzeptwerkes (der aber niemals zu überheblich oder technisch überreizt daher kommt), sind SYLVAN mit ihren Songs eine immer noch „greifbare“ Progformation geblieben. Ein Abdriften ins weit-wummernde Prognirvana, wie bei so manch anderer etwas improvisationsfreudiger Kapelle findet trotz mancher etwas störrischer Ecken hier nicht statt. Als Höhepunkte sind neben dem zunächst etwas schleppend beginnenden und sich dann aber fast industrialartig sehr dynamisch nach hinten raussteigerndem Opener „So Easy“, die mit fetten Progmetal-Riffs ausgestatteten Nummern „Lost“ (mein absoluter Favorit) bzw. „Through My Eyes“, sowie die 13-minütige Übernummer „Given – Used – Forgotten“, die u.a. neben vielen epischen Stimmungswechseln wunderbar „singende“ Neo-Prog-Gitarrensounds bietet, zu nennen. Für die Freunde psychedelischer Klänge oder auch älterer Alben von PORCUPINE TREE könnte hingegen „Fearless“ ein gefundenes Fressen sein.

So ist auch das vierte Studioalbum von SYLVAN mit seiner doch stärker betonten Rockattitüde trotzdem oder gerade deshalb mit den unterhaltsam beigefügten Zutaten aus Gefühl, Dramatik, theatralischem Bombast und leicht experimenteller Schlagseite eine lohnenswerte Angelegenheit geworden, trotz der ein oder anderen holprigen Stelle. „X-Rayed“ wird vielleicht nicht gleich jedem Progfan sofort voll reinlaufen aber da muss man sich halt reinarbeiten. Somit ist auch genügend Langzeitspannung garantiert.

Als kleiner Kritikpunkt ist für mich einzig das etwas halbgare Coverartwork zu nennen.

X-Rayed


Cover - X-Rayed Band:

Sylvan


Genre: Progressive
Tracks: 9
Länge: 68:46 (CD)
Label: Point Music
Vertrieb: Point Music