Review:

Brot Und Spiele

(SALTATIO MORTIS)

Die umtriebigen und in jüngerer Vergangenheit auch kommerziell höchst erfolgreichen Spielleute von SALTATIO MORTIS melden sich mit einem neuen Album zurück – oder besser gesagt, eigentlich gleich mit zweien, denn in der Deluxe-Version ist „Brot Und Spiele“ ein Doppelalbum, dass neben dem regulären Silberling dieses Titels auch noch ein zweites Werk mit dem vielversprechenden Namen „Panem Et Circences – Ad Fontes“ enthält, letzteres geweiht den musikalischen Wurzeln der Band aus Mittelaltermarkt- Tagen. Eigentlich müssten beide separat besprochen werden, denn die Aufnahmen verhalten sich zueinander ein wenig so wie Dr. Jekyll zu Mr. Hyde, wobei es im subjektiven Auge des jeweiligen Betrachters liegt, welches Werk welcher Figur zuzuordnen ist. An dieser Stelle muss es jedoch genügen, nacheinander auf sie einzugehen. Zuerst also „Brot Und Spiele“, das ja schließlich sozusagen das „Hauptwerk“ darstellt.

Das Intro „Ein Stück Unsterblichkeit“ sorgt für ein wenig fragend hochgezogene Augenbrauen, denn das, was da aus den Boxen schallt, klingt herzlich wenig nach Mittelalter-Rock und die direkt darauf folgende erste Single „Große Träume“ untermauert diesen Eindruck: was man da hört, geht gut nach vorne und ist zweifellos eingängig, aber es könnte auch ohne weiteres von den Toten Hosen in ihrer Stadionrock-Phase stammen – große Mitsing-Refrains, die Dudelsäcke sind auf ein kaum noch hörbares Minimum reduziert. Die grobe Richtung kennt man ja bereits vom Vorgänger „Zirkus Zeitgeist“, die damit vorgegebene Marschrichtung wurde offensichtlich beibehalten. Das rotzige „Dorn Im Ohr“ macht etwas mehr Druck und tritt ordentlich aufs Gas, „Ich Werde Wind“ hingegen lässt die Sache ruhiger angehen und hält sich auch textlich mehr zurück. Im Gegensatz zu „Europa“, „Brot Und Spiele“ und „Besorgter Bürger“. Liebe Spielleute, ich weiß, ihr schätzt Ehrlichkeit und freie Meinungsäußerung, daher möge man mir die folgenden Worte hoffentlich verzeihen: Gesellschaftskritik in der Musik kann eine feine Sache sein, ein Florett an der richtigen Stelle, das – wohlformuliert – Augen öffnen und wachrütteln kann. Ihr könnt das, ihr habt es früher schon getan und zwar gut, in ins mittelalterliche Gewand gekleideten Texten, die eure Meinung zu Missständen deutlich machten, ohne dem Zuhörer dabei die Moral von der Geschicht´ mit der Brechstange ins Gesicht zu schlagen. Warum nur habt ihr damit aufgehört? Habt ihr so sehr den Glauben an die Intelligenz eurer Hörerschaft verloren, dass ihr meint, euch mitunter einer Plakativität bedienen zu müssen, die jener der von euch so verachteten Bildzeitung zum Teil erschreckend ähnelt, in der Annahme, man würde euch sonst nicht verstehen? Ihr tut dem Publikum unrecht. Doch dies nur am Rande. Mit „Nie Wieder Alkohol“ findet sich der klassische Quoten-Sauf-Titel (das muss man in der Szene wohl so machen), „Mittelalter“ haut unter feucht-fröhlicher Beteiligung der Kollegen von VERSENGOLD und MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN in eine ähnliche Kerbe. Bei „Spur Des Lebens“ hingegen wird es etwas besinnlicher, hat man doch hier ein Duett mir keiner geringeren als Marta Jandová an Land gezogen. Allerdings wäre man fast geneigt zu sagen, diese singe das Duett mit Campino von den Toten Hosen, denn Alea klingt diesem hier wirklich verblüffend ähnlich. Mit „Brunhild“ findet sich schließlich auch noch ein Exkurs ins Mythologische – das einzige, relativ klassische Mittelalter Rock-Stück auf dem Album und gleichzeitig ganz klar der beste Song der Platte. Ein umfassendes Fazit zu ziehen, ist aus den genannten Gründen eher schwierig, da das Ergebnis sehr stark davon abhängt, was man sich von diesem Werk erwartet. „Brot Und Spiele“ ist ein solides, partytaugliches und zweifelsohne massenkompatibles Stadion-Punkrock-Album, das sicherlich regen Zuspruch finden und vielleicht sogar Radio-Airplay bekommen wird. Ein gutes Mittelalter-Rock-Album ist es hingegen nicht. Strenggenommen ist es überhaupt kein Mittelalter-Rock-Album. Wer den jüngeren Sound der Toten Hosen mag, gerne mehr davon hätte, als die Hosen zu liefern vermögen und sich nicht am gelegentlichen Dudelsack als schmückendes Beiwerk stört, dem sei eine klare Kaufempfehlung ausgesprochen: „Brot Und Spiele“ zulegen und glücklich werden sollte hier problemlos funktionieren. Wer sich neues Material im Stil von „Aus Der Asche“ ,„Wer Wind Saet“ oder vielleicht auch „Sturm Aufs Paradies“ erhofft, der muss sich entweder mit den alten Alben vertrösten und auf bessere Zeiten hoffen oder sich die Deluxe-Version zulegen und sich auf „Ad Fontes“ beschränken, um zumindest Mittelalter-Flair zu bekommen, wenn schon keinen Mittelalter Rock. Was uns zum zweiten Teil dieser Rezension bringt.

„Ad Fontes“ also. Diesem Motto werden die Spielleute auf „Panem Et Circences – Ad Fontes“ auch tatsächlich gerecht, denn der zweite Silberling von „Brot Und Spiele“ bietet Mittelaltermarkt-Flair in Reinkultur. Highlights sind das der nordischen Mythologie entlehnte „Heimdall“, das SALTATIO MORTIS in Bestform zeigt und das wunderbar melodisch-melancholische „Epitaph To A Friend“, beide mit hochgradigem Ohrwurmfaktor versehen. Neben Deutsch, Englisch und Portugiesisch sind mit „Herr Holkin“ und „Mitt Hjerte Alltid Vanker“ zudem noch zwei weitere Ausflüge ins Nordische zu verzeichnen, beide auch mit Altnordischem Text (apropos, liebe Spielmänner, hier ein kleiner Vorschlag am Rande: wäre das nicht eine Überlegung wert, wenn es textlich doch mal wieder unbedingt der Papst oder die Weihnachtsmänner sein müssen? Warum das Ganze nicht mal auf Latein oder Altnordisch? Oder vielleicht auch Gälisch? Da tun sich doch ungeahnte Möglichkeiten auf, ohne die Message zu vernachlässigen…). Instrumentalstücke finden sich ebenfalls und unterstreichen die Markt-Atmosphäre. Kurzum: „Ad Fontes“ sind SALTATIO MORTIS, wie man sie von Akustik-Auftritten auf Mittelaltermärkten kennt. Das dürfte Fans des letzten Albums vermutlich weniger ansprechen, aber die dürfen nicht meckern, schließlich haben sie die reguläre „Brot Und Spiele“-Version zur Verfügung. Freunde des alten Mittelaltersounds hingegen werden sich über „Ad Fontes“ freuen.

Brot Und Spiele


Cover - Brot Und Spiele Band:

SALTATIO MORTIS


Genre: Rock
Tracks: 26
Länge: 87:0 (2-CD)
Label: We Love Music
Vertrieb: Universal