Review:

Anno Domini High Definition

(Riverside)

TIPP
Mein Review Nummer 800 bei Metal Inside, das muss dann schon ein besonderes Album sein und genau ein solches ist „Anno Domini High Definition“ von RIVERSIDE zweifelsfrei geworden. Mit ihrem vierten Werk gelingt den polnischen Progressive-Senkrechtstartern scheinbar mühelos an ihre vorherigen Glanztaten anzuknüpfen, aber unter deutlich veränderten musikalischen Vorzeichen. Die inhaltlichen Vorgaben der "Reality Dream"-Triologie sind Vergangenheit - jetzt werden neue Schwerpunkte gesetzt. Vor allem stilistisch geht es nun sehr viel direkter, kompakter zu und auch eine deutliche Veränderung im Härtegrad ist sofort hörbar. Klar, es ist immer noch kein „reiner“ Progmetal - auch wenn Sänger Mariusz mitunter sogar mal heftig aggressiv wird, sich die Gitarren etwas weniger elegisch sonder eher drauflosrockend zeigen und zusammen mit knackigen Bassparts wie bei „Hybrid Times“ zu einem furiosen Mittelteil hochschaukeln, um dann am Ende in einer Art Sci-Fi-Soundwall zu enden – dafür ist die Musik immer noch etwas zu variantenreich mit vielen Laut-Leise Dynamiken.
Thematisch spiegelt die Musik, diesmal auch relativ kurz mit exakt 44:44 Minuten, die aktuelle Gesellschaft wieder, in der sich alles immer schneller, weiter fortentwickelt und rücksichtslos jeden überholt der da nicht mithalten kann oder will. „Anno Domini High Definition“ soll bewusst kein Konzeptalbum wie der Vorgängerzyklus sein aber der berühmte rote Faden ist allgegenwärtig. Tempo und Geschwindigkeit spielen eine, wenn nicht die wichtigste Rolle, die Ziele müssen erreicht werden. Ständiges Chaos, Wettbewerb, eigene Unsicherheit und viel Stress prägen die Menschen, man kämpft sich durch. Bereits der Opener „Hyperactive“, zunächst mit einem harmlosen Pianopart beginnend,
ist dann durchaus wörtlich umgesetzt: Die Band ledert ungewohnt kraftvoll los, es poltern ungestüm die Gitarren, die Hammondsounds röhren durch das etwas konfuse Klangbild, der Bass grooved etwas unruhig hin und her auch der Gesang ist sehr aufgewühlt und eindringlich – trotzdem klingen RIVERSIDE immer noch nach sich selbst. Es gibt nur wenige dieser bisher so typisch getragenen Parts (die beim Vorgänger „Rapid Eye Movement“ beinahe schon etwas überstrapaziert wurden) es tönt deutlich frischer mit viel pulsierende Energie aus den Boxen. Man bedient sich dabei durchaus aus den 70er Jahren mit Sounds von RUSH oder DEEP PUPLE und vermengt diese mit einem modernen Anstrich. Die Produktion ist absolut klasse und betont eine sowohl inhaltlich als auch klanglich gesteigerte Abwechslung, die so bisher nicht zu hören war. Trotzdem wird jetzt nicht nur einfach gebrettert sondern auch (in etwas dosierterem Einsatz) gefühlvolle Parts miteingestreut. Insbesondere Tastenmann Michal lässt seine sehr variablen Sounds, die aber vornehmlich kompakte Orgelklänge forcieren, ein ums andere Mal die Songlinie vorgeben. Überraschend tauchen dann bei „Egoist Hedinist“ echt coole Bläsersätze auf, die Gitarrenlicks versprühen eine gewissen Funktouch. Perfekt hinein stößt nicht nur hier Gitarrist Piotr mit seinem filigranen Spiel, er liefert wirklich einen klasse Job ab und stellt deutlich klar, dass er viel mehr kann als nur sehr gut floydige Motive wiederaufbereiten. Das spitzenmäßige Gitarrenmotiv von „Driven To Destruction“ geht einem dabei einfach nicht mehr aus dem Ohr aber auch tolle Solopassagen sind überragend geworden. Etwas betont atmosphärischer in Anlehnung an die vorherigen Scheiben geht es dann bei „Left Out“ zu. Der Gesang ist zunächst mystisch aber dann geht es auch hier etwas wilder ab, die Hammonds flirren gegen düster-bedrohliche Riffs. RIVERSIDE haben sich auf neues Terrain gewagt, klingen deutlich härter und extrovertierter als je zuvor, man hat einiges riskiert aber letztlich nur (dazu) gewonnen „Anno Domini High Definition“ ist sicher eines „der“ Alben des Jahres 2009 geworden, nicht nur für den Progbereich.

Anno Domini High Definition


Cover - Anno Domini High Definition Band:

Riverside


Genre: Progressive
Tracks: 5
Länge: 44:44 (CD)
Label: InsideOut Music
Vertrieb: SPV