Review:

The Crucible

(MOTORPSYCHO)

TIPP

Gerade eben noch waren die drei Norweger mit ihrem letzten Album „The Tower“ auf Tour, da kündigen sie mit „The Crucible“ schon den Nachfolger an. Dabei handelt es sich keinesfalls um nachgeschobene Stücke oder ein Anhängsel an den Vorgänger – was man aufgrund der ähnlichen Ästhetik des Coverartworks vermuten könnte. Sondern „The Crucible“ ist ein komplettes und komplett neues Album. Wenn auch ein für MOTORPSYCHO-Verhältnisse eher kurzes: Die drei überlangen Stücke kommen auf insgesamt gut 40 Minuten.

Diese 40 Minuten allerdings haben es in sich. Um es gleich vorwegzunehmen: Wer mit der Stoner-/Heavy-Rock-Ausrichtung von „The Tower“ eher weniger anfangen könnte, könnte mit „The Crucible“ umso glücklicher werden. Wobei der Opener „Psychotzar“ mit seinem dreckigen Hard Rock-Einschlag noch direkt an den Vorgänger anknüpft. Gut fünfeinhalb Minuten walzt er druckvoll vor sich hin, inklusive Solo-Gegniedel und gelegentlichem Orgel-Teppich, bis die Band sich und dem Hörer eine Ruhepause gönnt, bevor sie zum Ende hin noch einmal alles aufdreht. Das folgende „Lux Aeterna“ beginnt dagegen zunächst extrem ruhig mit folkigen Gesangsharmonien, die ziemlich direkt in einen beinahe pompösen, mit Streichern und Bläsern verstärkten, Teil münden, der wie ein vorgezogenes Finale wirkt. Dabei hauen MOTORPSYCHO hier Melodien raus, in die man sich einfach nur reinlegen möchte und für die so manche Prog-Band töten würde. Aber das ist noch lange nicht alles: Etwa auf der Hälfte beginnt ein wilder Jam-Teil, disharmonisch, vertrackt, man denkt an Free Jazz und kontrolliertes Chaos. Es folgt ein ruhigerer, wunderbar harmonischer Teil, bei dem die alten PINK FLOYD im Geiste mitspielen, bevor das Intro-Thema noch einmal aufgegriffen wird, das noch einmal in das Finale übergeht, das jetzt endlich ein Finale sein darf.

Einen ähnlichen Ritt bildet das über 20-minütige Titelstück. Schon die ersten gut fünfeinhalb Minuten – so lange dauert es, bis der Gesang einsetzt – lassen  einen vor treibender Energie, verschobenen Rhythmen und fantastischen Harmonien mit offenen Mund dastehen. Auch wenn man anfangs noch skeptisch war: Thomas Järmyr scheint sich an den Drums mittlerweile wirklich in den Bandsound eingespielt zu haben und leistet hier Unglaubliches. Danach folgen natürlich noch diverse Aufs und Abs. Um den Gesang herum wird es jeweils ruhiger, zwischendurch geht es über einem Monster von einem Bass-Riff schwer psychedelisch zu, während es zum Gitarren-Solo noch einmal wilder wird. Kurz kommt sogar eine Querflöte (!) zum Einsatz, was hier aber völlig in Ordnung geht, und schließlich endet alles ziemlich dramatisch. Wahnsinn!

Mit „The Crucible“ ist MOTORPSYCHO ein echter Geniestreich gelungen. Die Wucht der Gitarrenriffs knüpft an „The Tower“ an, während die melodischeren Teile auf ältere Meisterwerke wie „Trust Us“ verweisen. Dagegen lassen einen die mit klassischen Instrumenten angereicherten Passagen an die Zusammenarbeit mit Ståle Storløkken und dem Trondheim Jazz Orchestra auf „The Death Defying Unicorn“ denken, während die Band an anderen Stellen einmal mehr Neuland betritt. Dabei übertrifft das Album seinen mehr als doppelt so langen Vorgänger an Ideenvielfalt, Dringlichkeit, Musikalität und Komplexität bei gleichzeitiger Eingängigkeit bei Weitem. Und: Bei jedem Durchgang wird „The Crucible“ noch besser.

The Crucible


Cover - The Crucible Band:

MOTORPSYCHO


Genre: Rock
Tracks: 3
Länge: 40:30 (CD)
Label: Stickman
Vertrieb: Soulfood