Review:

Anoraknophobia

(Marillion)

TIPP
Eines gleich vorneweg: Sänger Steve Hogath ist jetzt schon länger bei MARILLION als es FISH je war, allein schon diese Tatsache sollte die ständigen "Vergleiche", nach mehr als 15 Jahren, sowie überflüssige Diskussionen über den derzeitigen Stil und die nervigen Fragen vieler ewig Gestriger (.. wann gibt es wieder Songs der Richtung MISPLACED CHILDHOOD?) u.a. auf der deutschen Fanclub Homepage zu lesen, endgültig beenden. MARILLION werden/wollen nie mehr wie in den frühen Anfangsjahren klingen, denn mit dem Neo-Prog aus den 80ern hat diese Band schon längst abgeschlossen - dies sollte man ohne wenn und aber einmal akzeptieren. Wer auf dieses Genre steht, kann sich ja Gruppen wie PEDRAGON, PALLAS, IQ oder ARENA anhören, dort wird diesem Retrosound noch ausgiebig gehuldigt. MARILLION haben sich in den letzten Jahren stetig musikalisch weiterentwickelt und dabei viel Neuland betreten. Es gab dabei viele Höhen ("Brave" - das eindeutig beste Album bisher oder u.a. "Holiday’s in Eden" - zwar sehr poppig aber gut) und auch einigen Tiefen ("Afraid of Sunlight" oder der absoluter Tiefpunkt das letzte Album Marillion.com mit melodielosem, modernem Soundgebrabbel ala RADIOHEAD’s "Kid A") aber eines kann man MARILLION sicher nicht vorwerfen - berechenbare, sich wiederholende oder gar an Kommerz anbiedernde Musik. Mit dem neuen Album "Anoraknophobia", von den Fans verniedlichend mittlerweile nur noch "Anorak" genannt, machen es MARILLION den Zuhörern wiedereinmal nicht leicht. Gibt es doch viele solch facettenreiche und komplexe Tracks wie u.a. "Quartz" (eine New-Age mäßige ziemlich relaxt, experimentelle Nummer), bei dem innerhalb der über neunminütigen Spielzeit gleich mehrmals Stimmungen, Richtungen und die Intensität wechseln. Hier braucht man definitiv erst einige Durchgänge, um sich die Titel zu erschließen. Aber dieser "Aufwand" lohnt sich dann um so mehr, da die Kompositionen anschließend länger im Gedächtnis haften. Trotz aller modernen Sounds, Samples, Beats oder Loops, die in den Songs Verwendung finden, ist es zum Glück so, daß diese Bestandteile nur als ergänzende Stilmittel genutzt werden. Die Songs gehen daher nicht in der Moderne unter sondern haben, dank ihrer Substanz genügend eigenes Leben, um durch ihre tollen Melodien bestehen zu können. Auch die Gitarren haben MARILLION endlich mal wieder so richtig rausgelassen wie z.B. "Between you and me" - wann haben wir zuletzt so einen richtig fetzigen Rocksong von der Band gehört? Auf "Anorak" gibt es aber nicht nur starken Tobak sondern auch sofort eingängige Nummern wie das beinahe schon poppige "Map of the World" oder die tief-melancholisch, ergreifende Ballade "When I meet God" (hätte auch sehr gut auf "BRAVE" gepaßt!) sowie u.a. das durch die coolen Hammondorgel-Keyboards in einem richtigen DOORS-Soundgewand und mit viel Gitarrenpower versehende, "Separated out". Mit diesem ursprünglich von den Fans über Vorbestellungen (bevor es auch nur eine Note zu dem Album gab!!) finanzierte Album, haben sich MARILLION wiedereinmal ganz neu erfunden. Von leichtfüßig inszenierten Pop-Rock-Songs über jazzig/folkig angehauchte Tracks mit etwas Retro-Flair bis hin zu den atmosphärisch dicht inszenierten, groovigen Soundwänden, wie es etwa bei den U2-Alben Mitte der 90er klang, ist einfach alles vertreten. Was die Jungs um Maestro Steve Rothery hier an Ideen verbraten, ist schon fast akustischer Wahnsinn und hätte bei anderen Bands locker für mehrer CD’S gereicht. Und über all dem steht der intensive, einfühlsame und manche zerbrechlich wirkende Gesang von Steve Hogarth, anders als bei den letzten Werke verzettelt er sich nicht allzu sehr in weinerlichem Selbstmitleid ("The Fruit of the wild Rose"). Hingegen bei dem atmosphärischen "This is the 21st Century" nervt mich der Drumcomputer dann doch etwas - aber egal das wiedererstarkte und abwechslungsreiche Gitarrenspiel entschädigt dann hierfür wieder locker. MARIILION bieten auf "Anorak" eine so vielfältige Instrumentalität, Ideenreichtum und Melodiefülle, die man nicht komplett in die richtigen Worte fassen kann. Trotz aller Einflüsse an die Moderne ist das Ganze immer noch äußerst virtuos gespielter Rockmusik mit tollen Melodien, die irgendwie zeitlos zu sein scheinen und einen aufgeschlossenen Zuhörer nicht überfordert sondern in einer Art Endlosreise immer wieder dazu einlädt, etwas neues zu entdecken.

Anoraknophobia


Cover - Anoraknophobia Band:

Marillion


Genre: Progressive
Tracks: 11
Länge: 46:2 (CD)
Label: EMI
Vertrieb: EMI