Review:

Worship Music

(Anthrax)

TIPP
Fast hätte man denken können, dieses Album würde nie erscheinen. „Chinese Democracy“-Vergleiche sind sicherlich übertrieben, aber es hat immerhin ganze acht Jahre gedauert, bis ANTHRAX ein neues Studioalbum auf die Reihe bekommen haben. In dieser Zeit gab es diverse Besetzungswechsel, in deren Mittelpunkt vor allem die am Gesang standen. Nach dem unsäglichen Rauswurf von John Bush kam zunächst Joey Belladonna wieder zurück, der dann wiederum durch den relativ unbekannten Dan Nelson ersetzt wurde, mit dem ein komplettes Album – eben „Worship Music“ – eingespielt wurde, das jedoch nicht veröffentlich wurde. Nelson musste die Band nämlich schon bald wieder verlassen, worauf man noch einmal bei John Bush anklopfte und fragte, ob er seinen Gesang über die fertigen Songs setzen würde. Der wollte aber nicht, und so kam letzten Endes erneut Joey Belladonna ins Spiel und erledigte den Job. Jetzt ist „Worship Music“ also doch noch endlich erschienen, und man durfte gespannt sein, was ANTHRAX nach dieser Vorgeschichte, die im Grunde ein einziges Trauerspiel ist, bieten würden. Ich muss es hier schon einmal vorwegnehmen: Mit einem derartigen Hammer hatte ich nicht gerechnet!


Schon „Earth On Hell“ ist mit seinem ualtraschnellen Stakkato-Riff wahrlich ein höllischer Einstieg. Darauf folgen mit „The Devil You Know“ und seinem überraschend melodischen Chorus und dem schon vorab als Download veröffentlichten „Fight ´Em Till You Can’t“ zwei herrliche Ohrwürmer, beide in Verbindung mit böse groovenden Riffs. In die gleiche Kerbe schlagen die Mosher „The Giant“, „The Constant“ und das abschließende „Revolution Screams“, bei dem es noch einmal brutal nach vorne geht. Für Abwechselung sorgen „I’m Alive“ und „In The End“ die mit hymnischen Refrains an die NWOBHM denken lassen. Der druckvolle Mid-Tempo-Rocker „Judas Priest“ macht schon im Titel deutlich, dass ANTHRAX beim Schreiben der Songs offenbar wirklich die Frühzeit des Metal im Hinterkopf hatten. Der überraschendste Song des Albums ist aber sicherlich „Crawl“: Er kommt unerwartet atmosphärisch daher und erinnert stellenweise stark an FAITH NO MORE, überzeugt dabei aber vollkommen nicht zuletzt aufgrund seines starken Refrains. Über die gesamte Albumlänge gelingt es ANTHRAX, Old-School- mit modernen Elementen zu verbinden, ohne einerseits altbacken zu klingen oder andererseits aktuellen Trends hinterherzurennen. Dabei entsteht eine Mischung, an dem sowohl Fans von traditionellem Thrash also auch von modernem Metal ihre Freude haben sollten. Die fette, dreckige und wuchtige Produktion transportiert die gewaltige Energie der Songs perfekt in die Boxen und Kopfhörer.


Was aber wirklich erstaunt, ist die Tatsache, dass Joey Belladonna auf einmal richtig singen kann. Und zwar tief, mit viel Volumen und Druck in der Stimme, und stellenweise sogar richtig dreckig und böse. Wenn man es nicht wüsste, würde man nie denken, dass hier der Typ singt, der auf vier frühen ANTHRAX-Alben teilweise in den höchsten Tönen rumgescreamt hat. Ob er heimlich bei John Bush Gesangsunterricht genommen hat? Ebenso beeindruckend ist wieder einmal die Leistung von Charlie Benante. Wie er die Riffs mit so viel Energie wie auch absoluter Präzision nach vorne prügelt und dabei auch immer wieder die halsbrecherischsten Fills einbaut, ist einfach atemberaubend.


Zusammengefasst: Ein derartig heftiges, packendes und trotzdem abwechslungsreiches Album hätte ich ANTHRAX nach all dem Besetzungs-Hin und Her der letzten Jahre wirklich nicht zugetraut. Auf „Worship Music“ zeigt die Band, dass sie zu mehr fähig ist, als immer wieder nur mit einem aufgewärmten Best-Of-Programm der frühen Hits auf Tour zu gehen, sondern auch immer noch grandiose Songs zustande bringt. Hut ab!

Worship Music


Cover - Worship Music Band:

Anthrax


Genre: Metal
Tracks: 13
Länge: 55:58 (CD)
Label: Nuclear Blast
Vertrieb: Warner