Konzert:

M´era Luna 2015 - Sonntag

Konzert vom 09.08.2015

Auch wenn es bei dem einen oder anderen am Abend zuvor sicherlich spät geworden war, war die gemeinsame Lesung von ASP und Kai Meyer am Sonntagmorgen rappelvoll, das Publikum drängte sich auf den bereitgestellten Bänken und lauschte gespannt, was das Duo so zu bieten hatte. Wer lautere Töne bevorzugte, wurde dagegen bei UNZUCHT fündig, die einen wuchtig-druckvollen Auftritt hinlegten und mit Songs wie „Kleine Geile Nonne“ das Publikum auf Touren brachten. Die Band freute sich sichtlich über die positive Resonanz. Die Italiener von DOPE STARS INC. kredenzten der Menge im Anschluss scheppernden Synthie-Industrial-Rock mit Songs wie „It´s Today“, „Make A Star“ und dem neuen Song „Dress Inside Your Fear“, bevor mit TANZWUT erneut ein Ausflug in mittelalterliche Gefilde folgte. Nachdem die tanzwütigen Herren in Form einer Prozession mit Weihrauch im Gepäck die Bühne übernommen hatte, war der  Titel des Songs „Ihr Wolltet Spaß“ Programm: „Ihr wolltet Spaß? Den sollt ihr haben!“. Zwar hatten auch die Mittelalter-Rocker vorübergehend mit Soundproblemen zu kämpfen, wurden dadurch jedoch nicht so stark beeinträchtigt wie die Kollegen von L ´ÂME IMMORTLLE am Vortag.

 

Als Gegenentwurf zum mittelalterlichen Ambiente gastierten im Hangar TYING TIFFANY mit eher ruhigen, elektronischen Klängen, was nebenbei auch so manchem Festivalbesucher die Gelegenheit zu einem willkommenen Aufenthalt im Schatten gab. Denn die Temperatur war auch am zweiten M´era Luna-Tag beachtlich und Sonnenbrände gab es reichlich zu begutachten, darunter auch solche, die dem Anschein nach durch das Tragen von Netzshirts verursacht worden waren und fast schon kleinen Kunstwerken glichen. Als Festivalbesucher bekommt man in der Tat so einiges zu sehen, von plüschigen Einhörnern bis zu lediglich mit teil-transparenten Slips bekleideten, allenfalls mittel-trainierten Herren und deren weiblichen Entsprechungen, und beileibe nicht alles davon hatte man auch tatsächlich so sehen wollen. Glücklicherweise stand den ästhetischen Totalausfällen natürlich auch eine Vielzahl an liebevoll konstruierten Ganzkörperkunstwerken gegenüber, deren Erschaffung vermutlich ähnlich lange gedauert hatte wie das Festival selbst. Der Kreativitätspreis für das – ja, tatsächlich, man höre und staune! – lustigste Outfit ging jedoch eindeutig an eine fröhliche Gestalt, die im Kostüm eines Halloweenkürbisses munter vor sich hin feierte und dabei vermutlich allein schon durch ihre Farbe auch mühelos auf einem Luftbild  zu erkennen gewesen wäre, so deutlich stach das knallige Orange aus der schwarzen Masse heraus. Eindeutig lobend zu erwähnen sei an dieser Stelle auch die große Mühe, welche die Veranstalter sich mit der Sozial- und Umweltverträglichkeit des Festivals gemacht hatten – der Müll wurde nicht nur gesammelt, sondern auch getrennt, es gab Biokost, ein Zelt, in dem man überschüssige Lebensmittel eintauschen konnte und, vielleicht am Revolutionärsten von allem, eine Kooperation mit der Tafel, der alle sich nach Ende des Festivals noch im Tauschzelt befindlichen Lebensmittel gestiftet wurden.

 

Mit JOACHIM WITT stand als nächstes ein absolutes Urgestein auf dem Programm, in dessen Set natürlich der berühmte „Goldene Reiter“ nicht fehlen durfte. Auf dem Rasen vor der Main Stage herrschte Picknick-Stimmung, viele Leute hatten Decken mitgebracht und machten es sich zu den Klängen des Meisters gemütlich.  Die nachfolgenden APOPTYGMA BERZERK gehören längst zu den Stammgästen des Festivals und wurden auch diesmal wieder von Scharen von Zuhörern enthusiastisch aufgenommen, woran Songs wie „Love Never Dies“, „In This Together“ und „Until The End Of The World“ sicher nicht unschuldig waren. Mit EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN war es den Veranstaltern gelungen, eine lebende musikalische Legende zu verpflichten, gilt die Band doch als Wegbereiter des modernen Sounds und Klangexperiments, was der eine oder andere Teil des dargebotenen Materials auch deutlich veranschaulichte – wegweisend war das sicherlich, ob es aber auch alles so richtig festivaltauglich war, darüber ließ sich streiten, was einige denn auch taten. Die Band störte sich nicht daran – als Innovator einer ganzen Kunstform ist man schließlich einiges gewöhnt—und gab Lieder wie „Die Befindlichkeit Des Landes“ , „Susej“ und „Halber Mensch/ Von Wegen“ zum Besten.

 

Zu guter Letzt stand mit der finnischen Symphonic Metal-Band NIGHTWISH noch der letzte Höhepunkt des Tages bevor. Die Kombo, diesmal mit Floor Jansen als offizieller Sängerin und nicht mehr nur als „Aushilfe“ im Gepäck, startete mit „Shudder Before The Beautiful“ direkt mit einer bombastischen Breitseite und legte dann mit dem harten „Yours Is An Empty Hope“ noch eine Schippe drauf, bevor mit „Amaranth“ etwas mehr Pop-Appeal ins Spiel kam. Der Klassiker „She Is My Sin“, die erste Single vom aktuellen Album,“Élan“, und das irisch inspirierte „My Walden“ waren weitere Ohrschmeichler. Floor Jansen zeigte sich sowohl den rockigen als auch den sirenenhaften Passagen der weiß Gott nicht immer einfach zu singenden Songs als mehr als gewachsen und so verwunderte es wenig, dass Bandkollege Marco Hietala an ihrer Seite den ganzen Auftritt über strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Zwar verwunderte das Fehlen von „Nemo“ und „Dark Chest Of Wonders etwas, dafür fand sich jedoch mit „Stargazers“ ein Lied im Set, das bei Live-Auftritten lange abwesend gewesen war. „Last Ride Of The Day“ begann programmatisch damit, allmählich das Ende einzuläuten und mit einem insgesamt wirklich furiosen Auftritt der Skandinavier fand das Festival zu einem gelungenen Ausklang.



Mehr Infos:Dope Stars Inc.
Tanzwut
Joachim Witt
Einstürzende Neubauten
Nightwish
Apoptygma Berzerk