Filter, Nim Vind, Julien-K - Hamburg, Markthalle
Gut, letzteres war am zweitheißesten Tag des Juni 2011 nicht so überraschend, aber doch ärgerlich. JULIEN-Ks Sänger Ryan Shuck poste wie der König der Westküste, Drummer Elias Andra feuerte immer wieder das Publikum an und gegen Ende etwa 50-100 Leutchen gingen in den ersten Reihen ab wie die Zäpfchen, aber die anderen etwa 200-300 Leutchen blieben einfach auf den Stufen der Markthalle sitzen und wippten mit den Köpfen zu den auf Platte eher poppigen Tönen der besten Kumpels von LINKIN PARKs Chester Bennington. Live kommen Songs wie "Kick The Bass" oder "Breakfast in Berlin" deutlich rockiger rüber als auf Platte, dennoch hörte es sich an wie blanker Zynismus als Ryan Shuck sich verabschiedete mit "das ist der Grund, warum wir Deutschland lieben und immer wieder gern nach Hamburg zurück kommen." War aber wörtlich gemeint. Wie sich später herausstellen sollte, waren die Gigs an anderen Orten einfach noch schlechter besucht.
Setlist JULIEN K
We're Here With You
Futura
Kick The Bass
Surrounded By Cowards
Breakfast In Berlin
Cruel Daze Of Summer
NIM VIND schienen der halbleere Saal und die mangelnden Zuschauer-Reaktionen nicht so sehr zu stören. Mit zur Schau gestellter Kaltschnäuzigkeit ziehen die Kanadier ihre Goth'n'Roll-Show durch. Durchziehen ist hier wörtlich gemeint, denn sie haben halt kein 4. Mitglied zum Rumspringen über – der Sänger und Gitarrist steht am Mikro-Ständer, der Bassist ist der kleinste und hat nicht den riesigen Aktionskreis, und der Schlagzeuger animiert von seinem Kitt aus: "Stand up and make some noise." In der ersten Reihe wippen sogar einige wenige Rockabillies mit den Köpfen – das Publikum vorn hat sich verändert, etwa 100 Leute stehen jetzt im Saal und feiern die Mitsing-Songs über schräge Samstag-Abende. An der Attitüde derjenigen, die immer noch auf den Rängen sitzen, hat sich nichts geändert – und Sänger Nim Vind und seine Sidekicks lassen sich doch anmerken, dass sie da mehr Reaktionen gewohnt sind: "This is 'Radioactive Man', and if you don't like this song, there is nothing much we could do." Leider wahr. Auch wahr: Auf ihrem Gig in Leipzig vor einer Woche waren sowohl der Sound als auch die Laune der Band deutlich besser...
Setlist NIM VIND
Suicide Pact
Shango Nitra
Killing Saturday Night
Saturday Night Creepers
Hadron Collider
21st Century Teenage
The Radio Active Man
Revenge
Bei FILTER ist die Markthalle dann endlich, endlich einigermaßen gefüllt – an diesem lauschigen Sommerabend haben die Oldschool-Fans dieser frühen Industrial-Pop-Punk-Heroen direkt zum Headliner eine Punktlandung hingelegt. Richard Patrick mag mit seinen 43 Jahren der älteste der heutigen Frontmänner sein, er ist auch der agilste. Hamburg ist die bisher am besten besuchte Show dieser Europatour, aber FILTER versuchen wirklich jeden einzelnen Fan zu überzeugen, dass es eine gute Idee ist, nächstes Mal auch noch zwei weitere Freunde mitzubringen und wiederzukommen: Schon beim Opener "No Love" springt Richard Patrick auf das Gitter des Fotograbens und nimmt Kontakt mit der ersten Reihe auf. Das ZZ-Top-Cover "Gimme All Your Lovin" zeigt mit Drummer Mike Fineo, Bassist Phil Buckman und Gitarrist Rob Patterson eine Band, die eigentlich alles spielen kann und extrem Spaß in den Backen hat. Leider ist der Soundmann nicht vom Charme-Feldzug der Band überzeugt und macht mit dem "Krach" und den zahlreichen Rückkopplungen aus den Boxen die nächsten Hits der Band kaputt. Von "Drug Boy" bleibt hängen, dass Richard Patrick mit dem verdrogten kleinen Jungen mit dem großen Herzen wohl sich selbst meint – und wie glücklich er sei, Orte wie Hamburg bereisen zu können. Won't you "Trip Like I Do"? Danke, vielleicht nicht. Aber "Take A Picture" sei der Soundtrack zu eben solchen "endlosen Sommernächten" - und damit hatte der Soundmann nun endlich eine erträgliche Position für seine Knöpfchen gefunden und die Party konnte tatsächlich noch eine werden. Zu "Skinny" gab es ein wirklich rührendes "Ohoohoo", "Best Things in Life" wurde der Feier-Über-Hit und Richard Patrick ließ sich selbst zu einem Crowdsurf hinreißen. Und natürlich gab es eine Zugabe, bei der Richard Patrick den Inhalt des Black Sabbath-Covers "War Pigs" neu interpretierte: "Vor knapp 80 Jahren wurde den Frauen gerade erst das Wahlrecht zugestanden. Vor etwas über 50 Jahren hatten die Schwarzen in den USA noch keine Rechte, und erst letzte Woche haben die Schwulen in New York das Recht bekommen, zu heiraten. Es gibt noch eine Menge zu tun." Und der Jam ging in "Hey Man, Nice Shot" über – während Phil Buckmans Brustmuskel im Basslauf mitgeht...
Setlist FILTER
No Love
Gimme All Your Lovin'
The Take
Relapse
Drug Boy
Jurassitel
Trip Like I Do
Take A Picture
Dose
Under
Skinny
Best Things
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Welcome To The Fold
So I Quit
Hey Man, Nice Shot