Interview:

2016-02-01 Todtgelichter zu "Rooms"

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Bald erscheint das fünfte Album der Hamburger Metal-Band TODTGELICHTER. Was Schlagzeuger Tentakel P. und Gitarrist Floris über "Rooms", anstehende Konzerte und Festivals zu sagen haben findet ihr hier. Interview

Hallo TODTGELICHTER! Ende Februar kommt es endlich zur Veröffentlichung von „Rooms“, welches bereits im März 2015 angekündigt wurde und auch Ende letzten Jahres erscheinen sollte. Wie kam es zu den Verzögerungen?

Tentakel P.: Wir haben uns zusammen mit dem neuen Label Supreme Chaos Records erst etwas später als geplant geeinigt, was aber an uns liegt. Die Aufnahme- Mix- und Mastersessions haben sich auch nicht schwieriger oder langwieriger als sonst gestaltet, haben sich aber aus Termingründen etwas länger als geplant hingezogen, soll heißen die Pausen zwischen den Sessions waren einfach größer dieses Mal, lief nicht in einem Rutsch ab. Das hat leider auch dazu geführt, dass wir uns erst später nach einem Label umgesehen haben und als wir uns einig waren, mussten wir natürlich auch noch entsprechend Promo und Produktionsvorlauf einplanen – mit Weihnachten dazwischen immer etwas blöd. Daher haben wir beschlossen erst im Januar richtig loszulegen, was zu dem Februar-Termin geführt hat.

Wie lange habt ihr an dem Album gearbeitet?

T.P.: Das ist insgesamt schwer zu sagen. In der Regel ist es so, dass wir uns direkt nach einem Album kompositorisch gleich auf das nächste stürzen. Dieses Mal mussten wir uns erst mal selber wieder finden, soll heißen die etwas angespannte Line-up Situation und deren Klärung hat uns Anfangs schon recht heftig den Start erschwert. Nachdem wir allerdings mit dem jetzigen Line-up wieder komplett waren konnte es losgehen, das war um Frühjahr 2014 so weit. Das Komponieren und Feinschliff hat dann ungefähr ein Jahr gedauert, bis wir dann die Aufnahmen starten konnten. Diese haben sich dann noch mal von Juni bis September gezogen, da wir immer nur Sessionweise alle paar Wochen weiterkamen. Kurz: Es fühlte sich dieses Mal sehr anstrengend an, hat sich aber definitiv gelohnt.

Auf Stormbringer.at habt ihr damals angedeutet dass es sich bei „Rooms“ um eine Art Konzeptalbum handeln wird, welches sich mit alten Erinnerungen, Geistern, Verlusten und Veränderungen befasst. Habt ihr dieses Thema beschlossen oder hat es sich ergeben?

T.P.: Das war schon so beschlossen. Wir haben uns noch vor den ersten Kompositionen hingesetzt und die thematische Richtung festgelegt, denn natürlich beeinflusst das auch die Musik. Die äußeren Umstände haben dieses Thema eigentlich nur verfestigt - also die Line-up Wechsel, außerdem ist auch viel privater Mist passiert. Das ist quasi alles mit ins Album geflossen.

Wer war für die Lyrics verantwortlich?

T.P.: Wie immer eigentlich habe ich die meisten Texte verfasst. Zwei sind von Marta und einer ist von Frederic, der Rest von mir. Ich versuche aber auch die Umstände, Stimmungen, Gedanken und Ideen aller anderen Mitglieder zu erfassen. Meine Texte sind nicht immer persönlicher Natur, manchmal male ich auch lyrische Bilder von Dingen, die ich um mich herum wahrnehme.

Was bedeutet „4JK“?

T.P.: Das allerdings will und werde ich nicht erklären. Zu persönlich und es ist auch Martas Text. Ich bin zwar eigentlich kein Freund davon, den Leuten irgendwas Kryptisches hinzuwerfen und dann zu sagen "Ätschbätsch, ich sag nicht was das heißt" aber in diesem Fall ging es wirklich nicht anders - der Song musste so heißen, aber es geht niemanden etwas an wieso. Zumal es mehrere Bandmitglieder betrifft. Natürlich wollen wir gerne auch Fans an unseren Gedankenwelten teilhaben lassen, aber in erster Linie machen wir Musik immer noch für uns selber und zumindest im Fall dieses Titels geht das nicht darüber hinaus.

Seit der „Angst“-Scheibe benutzt ihr immer öfter englische Lyrics. Wozu seid ihr teilweise auf Englisch umgestiegen?

T.P.: Einfach um andere Wortgerüste, Zusammenhänge und Rhythmen auszuprobieren. Deutsch hatte ich zur Genüge getextet zu der Zeit, ich wollte die Möglichkeiten einer anderen Sprache nutzen. Ich weiß nicht, vielleicht schwächt das in naher Zukunft wieder ab und ich falle mehr ins Deutsche zurück - ich hatte auf diesem Album wieder zwei deutsche Texte beigesteuert; aber einer hat es nicht aufs Album geschafft und bei dem zweiten haben mich die anderen gebeten, ihn doch ins Englische zu übersetzen, weil sich das Lied eher "Englisch" anfühlte. Und sie hatten Recht. Manche Songs erfordern nach unserem Bauchgefühl das Englische. Kann ich nicht so recht festmachen, aber lustigerweise sind wir uns meistens alle einig, ohne genau zu wissen, warum. Da stelle ich mein eigenes Empfinden auch schon mal zurück. Und zuletzt: ich kann englische Texte emotional etwas distanzierter betrachten bzw. nutzen, eben weil es nicht meine Muttersprache ist - es fühlt sich nicht ganz so intim an.


Wie beurteilt ihr euren stilistischen Wandel von „Apnoe“ zu „Rooms“?

T.P.: Ich würde sagen, einen Schritt zurück Richtung "Angst" und zwei zur Seite, was die innere musikalische Dunkelheit angeht. Auf "Apnoe" ging es uns allen irgendwie gut und ich finde, das hört man auch. Jetzt sind wir wieder schlecht gelaunt, haha. Außerdem ist da auch wieder mehr Wut drinnen. Aber eine gemäßigte, kalte Wut. Kontrolliert. Und Melancholie. Ich glaube, "Rooms" ist die songwriterische Finesse von "Apnoe" gepaart mit der Stimmung auf "Angst". Und durch die Hinzunahme der Orgel - da war Neuzugang Frieder echt ein Glücksgriff - bekommt das ganze Album noch etwas sehr Sakrales.

Mit Marta habt ihr eine ziemlich gute Sängerin an Bord. Ich meine sogar noch eine Steigerung zum vergangenen Album erkennen zu können. Sehr großes Lob! Hat Marta das professionell gelernt?

T.P.: Bis auf ein paar Gesangsstunden hat sie alles autodidaktisch gelernt, insofern haben wir großes Glück, sie mit an Bord zu haben. Wir sind aber auch alle ein bisschen blöd gewesen, das nicht früher schon zu erkennen, bzw. sie selber hat sich auch immer nicht hineindrängeln wollen. Heute sind wir alle klüger und Marta deutlich selbstbewusster, was ihre Bandbreite angeht. Da hat sie schon mal alle potentiellen Gastgesangsideen abgelehnt, die wir hatten, und verkündet: sie und sonst keiner mache jetzt alles selbst, sonst knallt's. Und das war auch gut so. Das war aber ein Entwicklungsprozess auf beiden Seiten, also Martas und unserer. Immerhin ist sie schon seit Demo-tagen mit Klavier und seit "Schemen" mit Gesang dabei - zu der Zeit wäre das so aber auch alles nicht möglich gewesen. Jetzt macht sie auch den Grunz- und Kreischgesang; und ich glaube, die Fans brauchen sich erst mal auf keinen Sängerwechsel mehr einstellen.


Mit Frieder Loch ist dieses Mal ein neuer Keyborder / Organist dabei. Wie kam es zu der Zusammenarbeit? Habt ihr aktiv gesucht?

T.P.: Ja, einen Basser nach Chris' Weggang. Wir hatten nur wenige Kandidaten (drei glaube ich) die allesamt Top waren. Geworden ist es Guntram, weil er einfach technisch und spielerisch am besten war, aber Frieder meinte damals gleich, dass er eigentlich Keyboards als sein Hauptinstrument ansieht. Wir hatten schon vor, ein paar 70er/80er Hammondähnliche Sachen wie damals bei "Oblivion" von der "Angst" zu nutzen und versprachen, diesbezüglich noch mal auf ihn zuzukommen. Das taten wir auch, schickten ihm unsere ersten Rohfassungen, einfach mal zum Ausprobieren. Und es kamen geniale Sachen zurück, immer mehr, die letztendlich das Gesamtbild so prägten, dass wir ungefähr auf halben Wege durch die Albenkompositionen beschlossen, ihn als Keyboarder/Organisten mit in die Band aufzunehmen und seine Parts gleich richtig einzubinden, nicht nur als Eventualität; denn alles andere wäre seiner Arbeit auch nicht gerecht geworden. Das gipfelte dann sicherlich in den Feldaufnahmen in einer Kirche, wo er den eigens komponierten Track "Lost" - quasi ein Auftakt zu "Shinigami" - einspielte, sowie noch einen Endpart für "Zuflucht". Da er auch elektronisch experimentierfreudig war, habe ich mich mit ihm hingesetzt und zu zweit schrieben wir "Necromant". Diese Spielereien hatten wir immer mal wieder dabei und dieses Mal sollte es etwas trackdienlicher werden. Also -Frieder war dabei sehr ausschlaggebend bzw. für das gesamte Album prägend; deswegen haben wir jetzt einen Organisten/Keyboarder an Bord.

Eine Orgel hört man im Metal ja auch gar nicht mal so häufig. Was macht dieses Musikinstrument für euch so besonders und wie setzt ihr das live um?

T.P.: Die Aufnahmen in der Kirche waren unglaublich. Alle Anwesenden - gestandene Musiker und Tontechniker - waren umgehauen von der unglaublichen Wucht der Orgel und der Akustik in der Kirche. Aufgenommen hat das übrigens Alex Henke von DARK AGE, der ja auch als Basser mit Daniel Wirtz unterwegs war und sein eigenes Studio hat, also bei weitem kein Unbefleckter. Der meinte hinterher am Telefon auch nur noch, dass das so verdammt krass klingt. Wir waren ja trotzt aller Erfahrung alle Kirchenfeldaufnahmejungfrauen. Also was macht das für uns so besonders? Macht und Erhabenheit. Wir hatten nur 4 Raummikros in der Kirche dabei und dennoch klang das Probehören über Kopfhörer vom Laptop so, als ob der ganze Raum hinter einem erbebt und du nicht über Kopfhörer hörst, sondern hinter dir die Orgel im Raum. Leider müssen wir live wohl auf synthetische Orgelsounds zurückgreifen, da die meisten Venues unsere Pläne mit Dach absäbeln und Orgel mit Hubschrauber einfliegen nicht mitmachen werden. Man kann nicht alles haben.

Auf der Bühne seid ihr in der Regel immer ausgesprochen weiß. Was ist das, womit ihr euch einschmiert? Hat das einen Hintergrund?

T.P.: Theaterschminke fürs Gesicht und Titandioxid mit Gel für die Haare. Der Grundgedanke kam zur "Angst" von unserem damaligen Künstler Y und soll symbolisieren, dass wir live zur Leinwand für die Musik werden. Außerdem ist weiß in Japan die Farbe der Trauer, was ja auch ganz gut passt.

Werdet ihr auf der kommenden „Wachkoma-Tour“ auch Songs von den ersten beiden Alben spielen? Wie sieht eure Setlist ungefähr aus?

Floris: Da wir auf der Tour ja unser neues Album vorstellen werden, wird die Setlist einige Songs von „Rooms“ beinhalten – jedoch wird auch der ein oder andere Song aus alten Tagen live ausgepackt werden. Insgesamt wird es ein Mix aus mindestens vier Alben sein, in dem auch Songs ihren Platz bekommen werden, die live bisher nur selten gespielt wurden! Seid gespannt....

Auf welche Lokation freut ihr euch neben der Markthalle-Hamburg besonders?

Floris: Für uns als Hamburger ist das Heimspiel in der Markthalle gepaart mit dem Releasegig für „Rooms“ natürlich eine klare Herzenssache. Ich persönlich freue mich am Meisten auf die Gigs in Zürich, Salzburg und Wien was die Tour angeht. Alles Städte, die zumindest ich bisher noch nicht bewusst bereist habe (TODTGELICHTER waren ja zumindest schon mal in zwei der drei Städte mit dem alten Line-up). Und außerdem ist es spannend, wie die neue Scheibe außerhalb Deutschlands wahrgenommen wird. Am spannendsten finde ich jedoch von den bisher geplanten Gigs für 2016 den in Sofia – als Band, deren Texte zu einem großen Teil in Deutsch verfasst sind, ist es eine schöne Gelegenheit zu erleben, wie dies über die deutschsprachigen Grenzen hinaus erlebt wird.

Falls das schon war: Wie sind die neuen Songs angekommen?

Floris: Ja, wir haben bereits die Livepremiere von einigen Songs vom neuen Album feiern können und die Resonanzen waren durchweg positiv. Es macht natürlich besonders viel Spaß, die neuen Kompositionen aufs Publikum loszulassen und zu schauen, wie sie live funktionieren.

Stehen dieses Jahr außer dem „Ragnarök“ in Lichtenfels und „Autumn Souls Of Sofia“ noch andere Festivals bei euch an?

T.P.: Da wird sicher noch was kommen, das Jahr ist ja noch jung und das Album noch nicht mal erschienen. In der Pipeline steckt noch was und wir haben mit Eld Events eine Bookingagentur, die sich richtig reinhängt. Allerdings habe ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts weiteres offizielles zu verkünden; ich kann daher nur allen Lesern wärmstens empfehlen, sich auf www.facebook.com/todtgelichter und in ein paar Wochen auch wieder auf www.todtgelichter.de zu informieren, da werden Ankündigungen zuerst bekannt gegeben.

Ist das „Autumn Souls Of Sofia“ eure bisher weiteste Reise als Band? Was erwartet ihr?

T.P.: Weit, weiß ich nicht; habe die Entfernung nicht nachgemessen. Wir waren im umliegenden Ausland schon öfter zu Gast und daher schon einige Kilometer on the road abgerissen. Allerdings haben wir, obwohl man das ob der Herkunft meiner Frau Marta vielleicht vermuten mag, in osteuropäischen Regionen noch nicht gespielt. Die finanzielle Situation ist dort auch etwas schwieriger, wenn man eine weite Reise planen will. Aber auch hier wieder chapeau an Eld Events, wir werden dabei nicht draufzahlen aller Wahrscheinlichkeit nach. Was uns da erwartet kann ich nicht sagen, aber aufgrund der polnischen Wurzeln meiner Frau und den Erfahrungen mit ihrer und meiner eigenen Familie - mütterlicherseits größtenteils kroatisch - rechne ich doch mit der vielgerühmten, herzlicher und schnapsdurchtränkter slavischen Gastfreundlichkeit, hehe...

Auf Facebook habt ihr jeweils eure Top-Alben 2015 gepostet. Was läuft aktuell bei euch?

Floris: Ja, das hat sich zu einer Tradition entwickelt, die wir gerne aufrechthalten. Oftmals wird man auf diesem Wege auch das ein oder andere Mal auf ein Album aufmerksam, dass man sonst vielleicht gar nicht wahrgenommen hätte. Ich für meinen Teil bin ja ein großer Freund des „Post (Metal)“ - Spektrums, somit hat dieser Bereich immer einen großen Anteil bei mir. Somit unter anderem in momentaner Dauerrotation: PLANKS – Perished Bodies; DEAFHEAVEN – New Bermuda; AGENT FRESCO – Destrier; LEPROUS – The Congregation. Aktuell bin ich total begeistert von der neuen TRIBULATION Scheibe („The Children of the night“). Live konnten sie mich kürzlich auch sehr überzeugen.

T.P.: Tentakel P.: Das Jahr startet für mich schon mal sehr beeindruckend mit den neuen Alben von ABBATH, ROTTING CHRIST, DAVID BOWIE, BORKNAGAR und ULVER. Alles großartige Alben auf ihre Weise. Und dann habe ich mich der QUEEN-Diskographie mal wieder angenommen. Muss auch ab und zu mal sein. Eine der (wenn nicht sogar DIE) besten Rockbands dieses Planeten.

Vielen Dank für das Interview! Habt ihr noch etwas, was ihr loswerden und mitteilen möchtet?

Danke für das Interview, und natürlich muss ich an dieser Stelle loswerden, dass jeder Tag ohne TODTGELICHTER gehört zu haben ein verlorener Tag ist. Also ganz objektiv. Deswegen sollte sich auch jeder das neue Album zulegen. Am besten gleich mehrfach. Man weiß ja nie ob nicht doch mal eine CD verloren geht. Lieber vorsorgen, Leute.

 



Lisa / metalinside.de