Interview:

2002-07-20 Pain Control

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Also, sie wollten schon mal das Parlament in London in die Luft jagen. Haben das aber lieber nicht gemacht, sondern mit "Cradle Of Filth" und "Anathema"angebandelt. Hat aber eigentlich auch nix mit der Musik zu tun, die sie jetzt machen. Sechs Stunden pro Tag proben die Briten laut eigener Aussage in affenartiger Lautstärke, nachdem sie ihr Debut "Subvert" auf den Markt geworfen haben. Kein Wunder, dass sie von Zeit zu Zeit auch mal anderweitig Dampf ablassen wollen. Vorher setzte sich Mastermind Adrian "Ade" Carloss hin, steckte sich Streichhölzer unter die Augenlider, kippte sich tüchtig Cider rein und beantwortete die Fragen langsam aber ausführlich.InterviewErzähl uns doch mal ne Geschichte. Am besten die der Band...




PAIN CONTROL startete als Soloprojekt im Frühjahr 1999. Eigentlich habe ich schon länger an einem musikalischen Set gearbeitet, aber ich wollte erst für die Feinabstimmung sorgen und mir dann eine Band suchen. Mitten im Sommer war ich dann soweit. Ich hatte ein paar Songs zusammengestellt, mit denen ich auch zufrieden war. Und so entschied ich mich, das Line-Up zu komplettieren. Ich habe einige Zeit zusammen mit Colin bei "Lunatic Asylum" gespielt, einer lokalen Band. Und ich habe John dabei geholfen, das Parlament in die Luft zu sprengen (war nur ein Witz, ehrlich!). Und als wir alle nichts mehr mit unserem Leben anzufangen wussten, habe ich sie halt gefragt, ob wir eine Band gründen wollen. Ach und Tim lag unter einem Sarg auf dem Friedhof, da habe wir ihn dann weggeholt... Allerdings brauchten wir für unseren Sound noch mehr Leute. Und deswegen sprach John, der als Cradle-Drum-Tech gearbeitet hatte, Les von Anathema an. Und der sagte sofort zu, als Gast die Keyboards einzuspielen. Und Madeleine fanden sie dann auch noch schnell, erst für´s Studio, dann als Full-Time-Mitglied. Doch wegen einer Krankheit musste sie dann wieder zurück in ihre Heimat Ungarn. Im Moment sieht es nicht danach aus, als könne sie bald zurück kehren. Das macht uns sehr traurig und wir wünschen ihr alles erdenklich Gute. Im Studio lief ansonsten alles easy ab. Unser Ton-Ingenieur Steve überwachte mit mir den ganzen Aufnahme-Prozess. Er verdient eine Ehrenmedaille dafür, dass er es solange mit mir ausgehalten hat. Die Produktion von Dave Chang kommt mir auch prima gelungen vor, ich hoffe, da stimmen eure Leser mit mir überein. Und das Mastering mit Tim Turan war eine Erfahrung für sich. Der Typ ist ein ganz interessanter. Er liegt fast die ganze Zeit in der Horizontalen, aber wenn er arbeitet ist, er einfach nicht aufzuhalten. Und trotz eines Sturms, der fast alles lahm legte, gerieten wir dank ihm nicht in Verzug.





Genau so bunt wie in der Besetzungsgeschichte geht es ja auch stilistisch zu, oder?




Ich habe einen breit gefächerten Musikgeschmack - in Sachen Metal. Ich mag Abwechslung. Allzu oft hörst du ein Album mit guten Songs, die sich aber alle gleich anhören. Ich habe versucht, den Leuten ein Album zu geben, auf dem jeder Song eine andere Stimmung transportiert, aber auch gleichzeitig das typische Pain-Control-Gefühl widerspiegelt. Ein Album ist wie ein Buch mit Anfang, Mitte und Ende. Am Anfang steht auf "Subvert" die Initialzündung, der BANG, in der Mitte folgt die Jagdszene und am Ende gibt´s den großen Kampf.




Und können die Texte da vor lauter Variantenreichtum mithalten?









Klar haben auch die Lyrics eine solide Basis und bieten jede Menge Themenvielfalt. Der Opener "...of Purity" beschreibt ein wahnsinniges Wesen, das von einem Priester für einen falschen Gott geopfert wird, was den Priester selbst noch wahnsinniger macht. In "Pure Aggression" geht es sogar um mich, der beinahe die Kontrolle verloren hätte und beschreibt den Punkt, an dem man sich zwischen Zivilisation und Wildnis entscheiden muss. Es ist gefährlich, aber wahr... In "Master Of Sands" geht es um Sklavenhandel, "Liar" gibt Jesus Christus keine zweite Chance, "Where My World Falls" steht für Verzweiflung im Leben generell, "5:12 a.m." beschreibt einen Serienkiller. In "Truth" klagen wir die Kirche an, die eigentlich die Unschuldigen beschützen soll, in Wirklichkeit aber den Nährboden für sexuelle Misshandlungen unter dem Deckmantel eines Heiligen Mannes bereitet. "The Cursed One" fragt, ob es Magie überhaupt gibt und "Child Love"klagt Kindesmisshandlung an. Was wird ein Kind, das von seinem Vater missbraucht wird, wohl dem Sozialarbeiter sagen? Und schießlich der Titeltrack: Wir haben alle Filme wie Robocop oder Terminator gesehen. Die Verschmelzung zwischen Mensch und Roboter, nenne es von mir aus Cyborg, ist ein interessantes Thema. Wie würde wohl ein solches Objekt die Menschheit sehen? Ich glaube, es wäre ganz schön angepisst...





Wo siehst du mit eurem Stil-Mischmaschs eure Marktlücke? Gerade angesichts des grassierenden Sell-Outs mit "tausenden" von Kapellen.






Wir packen uns in die Thrash-Schublade, nehmen aber vieles Extra-Einflüsse mit dorthin. So kann man uns einfach nicht kategorisieren. Und ich denke, das wird sich auch auszahlen. Wir spielen das Milwaukee-Metalfest und hoffentlich noch weitere US-Dates, haben ein Angebot in Irland zu touren und vielleicht klappt es sogar mit dem Aardschok-Festival in Holland. Wir wollen natürlich am liebsten in ganz Europa spielen. Wer was weiß, der kann einfach an www.pain-control.co.uk mailen. Zum Thema "Sell-Out": Wir folgen keinem Trend und hängen uns auch nicht an andere Bands. Metal zu mögen, geschweige denn zu spielen, ist in Großbritannienn alles andere als Mode. Und das seit zehn Jahren. Wir machen einfach, was wir wollen und lassen uns nichts sagen. Und werden das auch nie tun.







England oder besser UK ist wohl kein ganz einfacher Markt?




Ganz und gar nicht. Und wenn ich wüsste, warum, dann wäre ich ein Genie.Ich bin ja schon froh, dass Metal wenigstens ein bisschen zurück kommt. Diese Musik war viel zu lange weg.




Gefällt es dir dennoch drüben auf der Insel?




Wo soll ich anfangen? Natürlich laufen hier viele Dinge schief. Aber es gibt auch gute Sachen, so ist es ja nun auch nicht. Nimm als Beispiel dieses goldene Jubiläum der Queen. Klar, eigentlich braucht die Monarchie niemand mehr, aber irgendwie symolisiert sie noch ne Menge und wenn es nur hilft, einer Nation ein Stückchen Identität zu vermitteln. Das braucht jedes Land, damit die Einwohner gut zusammenarbeiten können. Fußball? Lass mich in Ruhe, frag Colin... Und dass das Bier keinen Schaum hat, ist mir relativ egal, weil ich viel lieber Cider mag. John liebt Whiskey, wie wir bei der Release-Party herausfanden. Naja, dann gibt es hier einen Haufen unterbezahlte Jobs, aber letztlich musst du wohl froh sein, überhaupt einen zu haben und das Beste draus machen. Das Gesundheitssystem und der öffentliche Nahverkehr sind hingegen richtig beschissen. Ich war eine Zeit lang in Deutschland und da hat mich vor allen Dingen das Transportsystem beeindruckt. Da könnte unsere Regierung richtig was von eurer lernen. Aber es bessert sich auch vieles: Während London früher alles in den Arsch gesteckt bekam, denken die Oberen auch manchmal an den Rest der Insel...Und den Millenium-Dome kann London von mir aus sowieso behalten. Ein Witz.




Und sonst? Was geht, wenn ihr mal nicht musiziert?




So dies und das. Natrürlich müssen wir noch arbeiten. John ist selbständiger Zimmermann, ich belade Lastwagen, die Colin fährt und Tim ist in einem Büro angestellt. Die meiste Zeit kostet dann natürlich die Band. Wenn´s doch mal hinhaut, fechte ich ganz gerne oder spiele Paintball. Das sind großartige Wege, Dampf abzulassen.

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