Interview:

2014-09-02 Ophis

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Bereits seit 13 Jahren aktiv, sind die Hamburger Doom-Deather OPHIS bislang ein echter Geheimtipp gewesen, der mit seinen ersten beiden Alben "Stream Of Misery" und vor Allem "Withered Shades" den Genre-Underground heftig bereichert hat. Album Nummer Drei, "Abhorrence In Opulence", setzt noch einen drauf, bietet nicht nur schleichenden Tod auf Weltklasseniveau, sondern hat nun auch ein starkes Label im Rücken, auf dass dieser große Wurf nicht ungehört bleiben soll. Daher haben wir Bandgründer, Gitarrist und Sänger Philipp Kruppa über den Entstehungsprozess des Albums und die eine oder andere Anekdote mit abgefüllten Bassisten ausgequetscht...Interview

Hi Philipp! Wie geht´s Euch denn momentan?

Hi, danke der Nachfrage. Eigentlich ganz gut. Ich hab zwar gerade leider recht viel um die Ohren, was mit Musik nicht so viel zu tun hat, aber wir stecken mitten in der Promo zum neuen Album, und das ist natürlich immer eine super Sache.

Zwischen Eurem letzten Album "Withered Shades" und "Abhorrence In Opulence" liegen annähernd vier Jahre. Hat es einfach so lange gedauert, das neue Album fertigzustellen?

Nein, ironischerweise ist das neue Album sogar schneller geschrieben worden als alle vorherigen. Aber wir haben erst spät damit angefangen. „Withered Shades“ war ein sehr intensives Album, das wir seinerzeit förmlich aus uns rausgeblutet hatten. Danach waren die Akkus ein wenig leer. Leider wollten wir das zunächst nicht einsehen und haben sofort neues Material geschrieben, welches aber nur wie ein lahmer Aufguss von der „Withered Shades“ klang. Nach über einem halben Jahr haben wir dann eingesehen, dass es keinen Sinn macht, neues Material zu erzwingen, und das gesamte Zeug ist im Müll gelandet. Dann hat uns Jan verlassen, und wir mussten seinen Nachfolger Martin erstmal quasi einarbeiten. Er ist ein brillanter Gitarrist und Schreiber, aber wir mussten uns erstmal aufeinander einpegeln und unsere recht unterschiedlichen Arbeitsansätze in Einklang bringen. Auch das hat gedauert. Wir haben uns dann erstmal auf Gigs konzentriert und haben zwei Tourneen gemacht. Zwischendrin haben wir dann noch ´ne Split-EP und eine Compilation rausgebracht, was ja auch seine Zeit braucht. Erst Ende 2012 haben wir so richtig ernsthaft mit dem Songwriting für „Abhorrence In Opulence"“ angefangen, und erst nach der letzten Tour bekam die Platte ihre finale Richtung. Es ist natürlich ein langer, etwas umständlicher Weg gewesen, aber wir haben schon immer die Meinung vertreten, dass ein übereiltes Album weder uns noch dem Publikum etwas nützt. Wir wollen nicht zu den ganzen Bands gehören, die Fließbandarbeit abliefern. Und da wir nicht von der Musik leben, können wir uns den Luxus auch leisten.

Es gilt in der Metal-Gemeide allgemein das ungeschriebene Gesetz, dass das dritte Album über den weiteren Verlauf der Karriere einer Band entscheidet. "Abhorrence In Opulence" ist auch nach internationalen Maßstäben eines der stärksten Alben der letzten Jahre in der Schnittmenge aus (Funeral-) Doom- und Death Metal geworden. Glaubt Ihr nun an den großen Aufstieg, wie ihn in etwa Eure Fast-Namensvetter OPETH hingelegt haben?

Vielen Dank, dass Du die Platte so einschätzt. Dennoch: das wird nicht passieren. Nicht mit unserer Art von Musik. Death-Doom ist ein Nischenprodukt. Selbst innerhalb der ohnehin schon kleinen Doom-Szene ist Death-Doom eher das Stiefkind. Ich könnte mir vorstellen – und würde mich auch freuen – dass wir mit dem neuen Album und dem neuen Label im Rücken (Cyclone Empire - Anm. d. Verf.) vielleicht noch mal einen kleinen Bekanntheitsschub bekommen. Aber dass unsere Karriere jetzt einen Riesensprung nach vorn macht, und wir auf einmal wochenlange Headliner-Tourneen in 2000er-Hallen machen – unmöglich. Wollen wir auch nicht. Berufsmusiker sein ist kein Segen, sondern ein Fluch. Semiprofi zu sein ist dagegen das Beste, was man tun kann. Also machen wir das. Soll uns gut genug sein. Außerdem sehe ich es immer andersrum: verglichen mit vielen anderen Death-Doom-Bands aus Deutschland sind wir mittlerweile wenigstens halbwegs bekannt und können sogar im Ausland touren. Das ist ja schon mal was und in unserem Genre nicht wirklich die Regel. Da sehe ich keinen Grund, mich zu beklagen, haha! Gemessen an unseren Erwartungen bei der Bandgründung sind wir extrem weit gekommen.

Wie entscheidet Ihr bei Euren inzwischen durchweg überlangen Kompositionen, wann sie "fertig" sind? Was hindert Euch daran, bei einem Song wie dem neuen "Disquisition Of The Burning" oder auch "Necrotic Reflection" vom letzten Album "Withered Shades" noch drei, fünf oder zehn Minuten anzuhängen? Wie funktioniert Euer Songwriting diesbezüglich?

Hm, sorry, falls die Antwort dumm klingt, aber ein Song ist fertig, wenn er fertig ist. Das ist eine Gefühlssache: wir haben noch nie gesagt: „Lass uns einen Song machen, der 6 Minuten oder 15 Minuten dauert!“. Wir schreiben einfach und achten sehr genau, aber auch sehr instinktiv, auf die Wirkung des Songs. Wir stecken extrem viel Zeit in Experimente mit den Arrangements, und der Fluss der Songatmosphäre entscheidet, wann die Nummer fertig ist. Klar hätte man „Disquisition Of The Burning“ noch länger machen können, aber dem Song hätte das sicher nicht gut getan. Genau das ist der Grund, warum Doom Metal immer unterschätzt wird. Viele Leute sagen, man brauche doch bloß ein paar Moll-Akkorde aneinander hängen und möglichst langsam spielen. Ist aber nicht so. Langsame Musik wird extrem schnell langweilig, und es ist eine echte Herausforderung, exakt das richtige Maß zu finden, so dass der Song sich einerseits in Ruhe aufbauen kann, andererseits aber nicht langweilig wird. Wenn Du dreiminütige Thrash-Songs schreibst, hast Du diese Problematik jedenfalls nicht. Da ich früher mal in einer Thrash-Band gespielt habe, weiß ich wovon ich rede, haha!

Eure Texte sind mitunter sehr gesellschaftskritisch und oftmals auch persönlicher Natur. Wovon handeln die einzelnen Songs auf "Abhorrence In Opulence"? Was ist zum Beispiel der "Perverse Walzer"?

Das ist einer der persönlichen Songs. Ich habe da Träume verarbeitet, die ich mal eine Zeit lang hatte. Ich habe im Wesentlichen keine Alpträume, die Angst einflößen, sondern absurde Träume, die eher einen entwürdigenden und deprimierenden Charakter haben. Manchmal auch Gewalt. Mitunter ist das unangenehmer als klassische Angstträume. Der "Perverse Walzer" ist eine Metapher für den Tanz, den diese Träume manchmal aufführen. Die meisten anderen Songs auf dem Album sind eher gesellschaftskritisch oder tendenziell politisch. „Disquisition Of The Burning“ beschreibt zwar vordergründig eine dämonische Besessenheit, aber diese ist als Metapher dafür zu verstehen, dass sich herrschende Klassen künstliche Feindbilder schaffen, um ihre Herrschaft und damit die Kontrolle und Unterdrückung der Massen zu legitimieren. Die Kirche macht ihren Mitgliedern Angst vor der Hölle und Gottes Zorn, um ihnen gleichzeitig Schutz anzubieten – gegen Geld natürlich. Politiker schüren Ängste vor Terroristen und legitimieren damit die totale Überwachung des Volkes. Die Krux an der Sache ist, dass sie alle ihr vorgegebenes Ziel, diese Bedrohungen zu eliminieren, niemals erreichen dürfen, da sie sich sonst selbst abschaffen würden. Der Staat wäre arm dran, wenn er Terrorismus wirklich besiegen könnte. Der Song greift die daraus entstehende Heuchelei auf.

Welche Bands haben Dich im Laufe Deines Lebens am Meisten beeinflusst, beziehungsweise wo liegen die musikalischen Wurzeln von OPHIS? Kannst Du in diesem Zuge ein paar Bands und Platten nennen, die man unbedingt kennen sollte? Und bist Du selbst eher CD- oder eher Vinyl-Sammler?

Ich sammle beides, muss aber gestehen, dass ich aus reiner Faulheit einen deutlichen Hang zur CD habe. Die musikalischen Wurzeln von OPHIS liegen ganz klar in den Bands, die ich in den 90ern viel gehört habe: MY DYING BRIDE, ANATHEMA, BOLT THROWER, ASPHYX, SAMAEL, TIAMAT, OBITUARY. Mittlerweile hat sich das Spektrum deutlich erweitert, bzw. verwässert, weil wir mittlerweile unseren eigenen Stil haben, finde ich jedenfalls, und natürlich jede Menge andere Bands dazugekommen sind, die uns geprägt haben. Wir versuchen auch ganz bewusst, uns über Einflüsse nicht viele Gedanken zu machen, weil man sonst schnell unbewusst anfängt, Dinge zu kopieren. Ein paar Doom-Alben, die man meiner irrelevanten Meinung nach unbedingt kennen sollte, sind: MY DYING BRIDE – „Turn Loose The Swans“, EVOKEN – „Quietus“, SKEPTICISM – „Stormcrowfleet“, ANATHEMA – „The Silent Enigma“, DISEMBOWELMENT – „Transcendence Into The Peripheral“, MURKRAT – „Drudging The Mire“, ESOTERIC – „The Maniacal Vale“, IMINDAIN – „And The Living Shall Envy The Dead“ und auch wenn es kein richtiges Doom-Album ist: BETHLEHEM – „Dark Metal“.

Werden Euch nach rund 13 Jahren Bandgeschichte und durchweg positiver Resonanz auf Eure Musik die teilweise ehrenamtlich geführten Clubs wie etwa das Göttinger "Juzi" nicht langsam zu klein? Würdet Ihr, um es mal als gemeine Fangfrage zu formulieren, nicht lieber mal ein Konzert in Wacken spielen?

Es ehrt mich wirklich, dass Du uns so einen Status zusprichst, aber tatsächlich sind solche Läden wie das „Juzi“ in Göttingen von der Größe her angemessen für uns. Zumindest wenn wir als Headliner spielen. So groß ist das potentielle Publikum in diesem Genre einfach nicht. Wir waren ja beispielsweise vor zwei Jahren mit AHAB auf Tour, die ja nun wirklich eine der definitiv größten Bands in diesem Genre sind, und selbst da haben wir in Läden wie dem „Escape“ in Wien oder dem „Rosenkeller“ in Jena gespielt. Also im Schnitt vor 150 – 200 Leuten. Ich empfinde das übrigens nicht als Nachteil. Wir spielen im Zweifelsfall deutlich lieber vor 30 Leuten, die richtig Bock auf die Musik haben als vor 3000, die nur zum Saufen da sind, um es jetzt mal extrem zu formulieren. Wir haben schon richtig geile, intensive Konzerte vor 100 Leuten gehabt. Was auch die Wacken-Frage beantwortet: da würde ich auf keinen Fall spielen, selbst wenn die Interesse hätten. Wacken ist doch mittlerweile nix anderes mehr als die Metal-Version vom Ballermann. Eine reine Kommerzveranstaltung mit 60% Publikum, das außer METALLICA noch nie was von Metal gehört hat. Daran habe ich nicht das geringste Interesse; was hätte eine Band wie OPHIS da verloren?!

Kannst Du eine verrückte Anekdote von einem Eurer Konzerte erzählen? Euch ist doch sicher in den 13 Jahren die eine oder andere Verrücktheit passiert?! Kannst Du Dich an ein besonders denkwürdiges Konzert erinnern, das Ihr mal gespielt habt?

Denkwürdig waren einige, zum Beispiel unser Gig als Co-Headliner beim allerletzten "Doom Shall Rise"-Festival. Es war eine Ehre, so hoch im Billing zu stehen, und die Abschiedsatmosphäre war auf der Bühne intensiv spürbar. Das war bewegend! Verrücktheiten sind natürlich auch diverse passiert, allerdings meistens hinter der Bühne. Zum Beispiel haben wir mal auf einem Festival in Madrid gespielt. Spät nachts, als das Festival zu Ende war, wollten wir zurück ins Hotel, allerdings konnten wir Olly (OPHIS-Bassist - Anm. d. Verf.) nicht finden, und er ging auch nicht ans Handy. Dummerweise hatte er den Hotelschlüssel. Wir haben uns echt Sorgen gemacht, dass was passiert ist, und uns blieb nichts anderes übrig, als ihn in der riesigen Stadt suchen zu gehen. Irgendwann haben wir ihn dann in einer obskuren Kellerkneipe gefunden, wo er von ISOLE und PRIMORDIAL hingeschleppt und bis zum Abwinken mit Drinks versorgt worden war. Der Rückweg zum Hotel war entsprechend unterhaltsam.

Ein paar ätzende Sachen sind in all den Jahren natürlich auch mal passiert, aber drauf geschissen! Das bleibt nicht aus, davon wird keine Band langfristig verschont.

Hast Du noch ein paar berühmte letzte Worte für Eure Anhänger in Deutschland und dem Rest der Welt?

Ich möchte mich im Namen der Gruppe und uns selbst bedanken – ich hoffe wir haben das Vorspielen bestanden!