Interview:

2015-06-29 KADAVRIK

Band anzeigen
Erst kürzlich haben KADAVRIK ihr viertes Album "Grimm I & II" herausgebracht. Wir nutzten die Chance auf ein Interview mit der Band.Interview

• Hy KADAVRIK! Ihr habt gerade euer viertes Album rausgebracht. Wie fühlt sich das an? Seid ihr zufrieden mit dem Ergebnis?

 

Niklas: Jo, hi. Absolut! Das war ein verdammt langer Weg. Musikalisch, aber auch organisatorisch gab es so viel zu erledigen. Zu so einem Album, das macht sich ja kaum einer klar, gehört so viel drumherum.

Frank: Wir haben sehr hohe Ansprüche an uns selbst und das kann echt zum Fluch werden. Artwork, Konzept, Komposition, Produktion – alles muss mit jedem Album immer besser, abgefahrener, experimenteller werden! Der Release ist dann eine Erlösung, das Ergebnis genau das kleine Kunstwerk, das wir uns gewünscht haben.

Es ist einfach geil, dass unser neues Label Testimony Records das möglich gemacht hat, nachdem es mit der Platte ein endloses Hin und Her gab.

• Wann kam euch die Idee mit der Grimm-Thematik?

Niklas: Wir hatten das Gefühl, dass es an der Zeit ist, mal ein Thema konsequent durchzuziehen. Ein großes Konzept in ganz vielen Facetten umzusetzen. Da standen viele Ideen im Raum, bis uns irgendwann bei einer Skype-Besprechung diese Idee kam. Nach anfänglicher Skepsis waren alle Beteiligten, auch Karl Walterbach, CEO von unserem Ex-Label, total begeistert. Vor allem wegen der schier endlosen künstlerischen Möglichkeiten, die solch finsteren Märchen bieten. Und jeder hat einen Bezug zu diesem Thema, denn jeder kennt Märchen, und kann die Inhalte völlig für sich selbst interpretieren, oder seine bisherige Interpretation überdenken. Total gut.

 

• Auf welchen Märchen basieren die Lyrics von „Grimm I & II“? Das es um eine „armlose Jungfrau“ und ein Monster geht ist klar – könnt ihr da mehr zu sagen?

Frank: Alle Szenarien stammen aus den Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm und die „armlose Jungfrau“ ist Protagonistin des Märchens, „Das Mädchen ohne Hände“. Das Monster, das den Großteil des Plattencovers ausfüllt, ist der Teufel, der die Menschen in ihrem Umfeld dazu treibt, sie zu verletzen, ihr innerer Dämon, die Fratze ihrer Vergangenheit. Auf die sakrale Interpretation der Gebrüder Grimm haben wir allerdings in unserer Version verzichtet, der Teufel ist deshalb nur ein Symbol. Nicht ihr Glaube an Gott rettet das Mädchen am Ende unserer Geschichte, sie muss zu ihrer eigenen Stärke finden. Am Ende wird dann alles gut… vielleicht… hör mal genau hin. Auf dem zweiten Teil der Scheibe, „Grimm II: Thoughts of the Sore“, haben wir dann mit den Märchen „Der Gevatter Tod“, „Fitchers Vogel“ und „Läuschen und Flöhchen“ gearbeitet. Das ist eher ein Abgesang auf das Märchen, in dem Prinz und Prinzessin am Ende lächelnd in den Sonnenuntergang reiten. Vor allem „Läuschen und Flöhchen“ finde ich extrem geil, diese kurze Erzählung bildet die Grundlage des Abschluss-Tracks „Helix“. Eine Laus fällt beim Bierbrauen in den Topf und verbrennt sich. Daraufhin macht der Floh einen Riesenterz, Ereignisse kommen in Gang, die nichts mehr miteinander zu tun haben und am Ende krepieren alle. Eine kausal nicht nachvollziehbare Abwärtsspirale in den Abfuck. Lies das mal, das ist wirklich witzig.

Niklas: An seiner Begeisterung sieht man übrigens wohl ganz gut, dass Frank das Konzept inhaltlich wesentlich geprägt und ausgearbeitet hat. Er saß wirklich kurz nachdem wir die Entscheidung zum Thema machten, in der Bibliothek und hat direkt erstmal Texte gewälzt.

 

• Im Vergleich zum Vorgänger ist das Album um einiges ungestümer und aggressiver ausgefallen, hat aber auch viele vergleichbar ruhige Instrumental-Passagen. War das von vornherein beabsichtigt oder ergab sich diese Spielweise nach und nach?

Niklas: Klar, Instrumental-Passagen sind total super. Ich höre extrem viele Instrumental-Bands. Und für mich als Sänger ist es eben auch toll sich mal auf gefühlvolles Gitarrenspiel konzentrieren zu können.

Frank: Instrumentelle Passagen sind eigentlich auf allen KadavriK-Alben zu finden, klassischerweise auch mindestens ein kompletter Track ohne Gesang. Die Musik ist diesmal deutlich aggressiver, weil wir eben ziemlich angepisst und traurig waren, als wir diese Lieder geprobt haben. Du wirst aber auch viele besonnene Momente erleben, wenn sich die Instrumente bei Ballertracks wie „Ruins“ erst einmal abreagiert haben.

                                    

• Wie geht ihr beim Songwriting vor? Wer bringt die grundlegenden Ideen?

Niklas: Das liegt bei mir, seit jeher eigentlich. Frank schreibt seine Drumspuren allerdings meist selbst. Gelegentlich kommt Oli vorbei und wir schauen mal über die Tracks, die ich in der letzten Zeit so geschrieben habe, und verändern oder erweitern dies und jenes. Wenn ich das Gefühl habe, dass ein Song fertig ist, stelle ich das dann dem Rest der Band vor. Bei Gefallen proben wir dann, schauen wie umsetzbar das alles so ist, und wenn er sich da bewährt, wird er vorproduziert. Die Songs, die den Test dann auch bestehen, gehen ins Studio. Insgesamt gehen in diesem Prozess sicherlich die Hälfte der Kompositionen verloren, oder werden zumindest auf Eis gelegt. Mit alten Songs kann ich dann auch nicht mehr viel anfangen, wir recyceln kaum alte Sachen. Auf dieser Platte gar keine.

 

• Wieso habt ihr dieses Mal auf deutsche Lyrics verzichtet?

Frank: Die deutschen Texte auf der N.O.A.H. sind ja beim Publikum sehr gut angekommen. Und beim Thema Grimm haben sich deutsche Lyrics natürlich geradezu aufgedrängt. Aber vielleicht wäre das auch zu typisch gewesen.

Niklas: Genau das! Ich finde, es wahrt eine gewisse Distanz zur Thematik.

Frank: Am Anfang wollten wir sogar deutsche Texte schreiben. Aber das Ganze war halt ein dynamischer Prozess, die Grundidee war da, es folgte eine Auswahl abgefahrener Märchen, die sich mit Gefühlen, Gedanken und Erfahrungen vermischten und plötzlich hatten wir englischsprachige Texte, die uns sehr gut gefielen.

 

• Es ist bemerkenswert, dass ihr seid eurer Gründung 2003 mit dem gleichen Line-Up unterwegs seid. Gab es da nie Probleme, dass jemand wegziehen musste, etc.?

Frank: So ganz stimmt das nicht. 2010 gab es einen Wechsel am Keyboard und seitdem steht Hannes bei uns hinter den Tasten, mit dem wir allerdings auch schon seit Jahren unsere Metal-Jugend verbracht hatten. Eine Alternative bot sich da eigentlich nicht an, denn das gemeinsame, freundschaftliche Erlebnis ist das Wichtigste bei KadavriK. Klar, eine Fernbeziehung bringt immer gewisse Komplikationen mit sich – jeder hat woanders seine Bude, seinen Job, Studium, Freundin... Viele Bands verlaufen dadurch einfach im Sande, einige aber auch nicht. Und wir erst recht nicht.

 

• Ihr habt in dieser Saison einige Konzerte geplant – Auf welches freut ihr euch am Meisten?

Frank: Natürlich auf unsere Release-Party am 3. Juli, wo wir mit vielen alten Freunden abfeiern werden. Das Tank mit Frank hat einen klangvollen Namen, das scheint eine richtig geile Party zu werden.

Niklas: Am Tag drauf spielen wir dann bei den Summernights in Mechernich. Wir haben einen guten Slot, und schon Donnerstag sind wir wohl als Gäste auf dem Dong Open Air, wo wir unsere Freunde von Words Of Farewell unterstützen werden. Das wird grandioses Festival-Hopping!

 

• Dreht ihr zu „The Grimm I & II“ auch mal ein Musik-Video? Sowas gab es bisher ja noch nicht von euch.

Niklas: Was im Metal an Videos produziert wird, ist ja nun wirklich mau. Belphegor’s Geistertreiber sehe ich da als traurigen Höhepunkt an. Da steht zwar immerhin keine Band vor einer Industrieruine und zockt ihr Stückchen, aber… ach schaut es euch einfach an.

Frank: Die meisten Musikvideos im Metal-Bereich fanden wir immer peinlich. Wenn etwas richtig gut aussehen soll, brauchst du halt richtig Asche. Wir waren aber auf der anderen Seite auch der Meinung, dass es bei GRIMM I & II mal an der Zeit wäre. Wir haben dann ein No Budget-Video zum ersten Akt der „Armless Maiden“ gedreht, also zum Opening Track „Wither Away“. Das Konzept dazu haben wir mit Fabian Fischer, einem Filmemacher aus Münster, entwickelt, außerdem waren noch der unermüdliche Kameramann Bastian Worrmann und die Schauspielerin Joana Landsberg am Start. Die Zusammenarbeit mit den Dreien war einfach großartig, jeder brachte sein Können und seine Kreativität mit ein, sodass ein richtiger kleiner Kunstfilm aus dem Dreh wurde. Ohne Kohle, nur mit Spaß an der Sache, einer Kiste Equipment und 60 Metern Blut in Form von Satinstoff. Bei den zwei Tagen im Wald sind viele tolle Szenen zustande gekommen, seht es euch mal an!

 

• Dafür dass es euch schon so lange gibt und ihr schon recht viel rausgebracht habt seid ihr doch (laut der tollen Facebook-Fanpage) noch recht unbekannt. Wie könnt ihr euch das erklären? Der Sound gerade eurer letzten Alben ist gigantisch und klingt so gar nicht mehr nach „Underground“ und eure Songs haben definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient.

Niklas: Gute Frage. Zunächst: Die Anzahl von facebook-Freunden sagt heutzutage nicht mehr viel über den Status kleinerer Bands aus, weil man sich facebook-Freunde kaufen kann… aber du hast recht, wir sind auch nach fast zwölf Jahren Bandgeschichte noch relativ unbekannt.

Frank: Danke für das Kompliment, Lisa. Unsere Musik hat zwar viele Freunde, aber die Szene kann immer weniger damit anfangen. Das liegt vielleicht daran, dass wir beim Musizieren nicht strategisch denken, sondern einfach alles ausprobieren wollen, unseren Ideen freien Lauf lassen – und dann kommt etwas dabei raus, was manche Rezensenten im Fall von GRIMM I & II „progressiv“ oder gar „avantgardistisch“ nennen. Eben absolut nicht massentauglich. Für mich ist das aber eigentlich auch wieder ein Kompliment. Metal, der nix Neues mehr zu bieten hat, nervt mich. Ich liebe progressive, verstörende Musik, Musik, die deine volle Aufmerksamkeit braucht, die dich fordert. Niklas ist da fast noch krasser drauf. Wir befassen uns viel mit Musik, mit der viele Metalheads eben nix anfangen können. Aber mit der Musik, die wir jetzt machen, sind wir selbst einfach sehr glücklich. Endlich haben wir das Gefühl, ein richtiges Kunstwerk geschaffen zu haben.

Hannes: Und dazu, würd ich sagen, gibt es mehrere andere Gründe. Gute Musik zu machen alleine reicht nicht. Wir haben nicht die finanziellen Mittel um beispielsweise massig Werbung zu schalten, uns in Touren einzukaufen oder sonstwie in größerem Stil auf uns aufmerksam zu machen. Bisher hatten wir auch kein Label, das finanziell in der Lage gewesen wäre, uns so etwas zu ermöglichen. Letztlich braucht man natürlich auch Glück um erfolgreich zu werden, davon hatten wir bisher offenbar nicht genug.

 

• Was heißt eigentlich „Kadavrik“? Wie ergab sich euer Bandname?

Frank: Man beachte, dass das zweite K groß geschrieben wird. Das ist wichtig für die Looks. Zu deiner Frage: KadavriK ist ein Fantasiewort. Entstanden ist es aus dem Begriff „Kadavergehorsam“.

                                                         

• Habt ihr schon Matrial für ein Nachfolger-Werk?

Frank: Wir haben vor allem auch viele Ideen, und das Wichtigste: eine unbändige Vorfreude. Hinter so einem Album steht ein gigantischer Prozess, in dem ungemein viel passiert. Der Weg ist das Ziel – diese gute alte konfuzianische Weisheit stimmt hier wirklich mal. Die Arbeit am nächsten Album hält mich am Laufen. Selbst jetzt, kurz vor dem Release von GRIMM I & II sind wir eigentlich schon wieder ganz fickerig aufs übernächste Album.

Niklas: Ja, auf jeden Fall, seit der Deadline für Stücke für Grimm, habe ich weiterkomponiert. Ein Track hat es auch schon in den Proberaum geschafft. Vieles sind eher… naja Studien. Keine ganzen Songs, insbesondere mit formschönen Song-Enden tu ich mich oft schwer. Ganz verschiedene Genres sind das auch, das ist bisher halt noch nicht zielgerichtet auf ein Konzept hin komponiert. Insgesamt soll der Sound sich jedenfalls, so denken wir jedenfalls heute noch, weiter in eine natürlichere Richtung bewegen. Mehr Jams, mehr Homerecording, weniger Noten auf Papier.

 

• Da mir langsam die Fragen ausgehen: Hier ist noch Platz für eure letzten Worte. Ich freue mich auf eure Release-Party am 03.07.15 in Oberhausen!

Niklas: Cool, du kommst vorbei?

KadavriK: Passt gut auf, Leute! Die Metal-Szene, falls so etwas existiert, ist gespalten in konservative, alte Fettbäuche, die zu Musik die Pommesgabel in die Luft reißen, die irgendwo auf Schützenfestniveau herumseiert und so muffig riecht wie Oma unter’m Arm. Und dann gibt es noch viele junge, motivierte Künstler, die Klangwelten schaffen, die ihr noch nie gehört habt. Sucht nach ihnen und kauft ihre CD. Metal ist zu einer Comfort Zone geworden, brecht aus ihr aus!

 

Cheers Lisa / Metal-Inside