Interview:

2006-02-25 Dark Fortress (BM)

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Es gibt im Wesentlichen zwei Arten von Black Metal - Fans: die einen stehen auf avantgardistische, bombastische Soundwände, die anderen auf fiesen, schrammeligen Krach. Wenn es überhaupt eine Band schaffen könnte, beide Welten zu vereinen, dann sind das die Landshuter DARK FORTRESS, die mit ihrem Überwerk "Séance" einen weiteren Hammer abgeliefert und gezeigt haben, dass auch eine Welt jenseits von albernen "true - oder - nicht - true" - Definitionen existiert. Gitarrist und Hauptsongwriter V. Santura gibt jedenfalls nichts auf selbst auferlegte Limitationen und überlässt die Argumentation lieber der Musik. Und mit einem neuen Label im Rücken ist man sowieso guter Dinge…InterviewWie geht es Euch denn im Moment so?



Ja, danke, gut. Es ist ein geiles Gefühl, jetzt, wo das neue Album draußen ist. Ich muss aber dazu sagen, dass ich das Album noch gar nicht richtig gehört habe, da alle Exemplare an unseren Sänger gingen. Da muss ich mir die CD noch abholen, und ich bin schon sehr gespannt, endlich das finale Produkt in den Händen zu halten.



"Stab Wounds", Euer Vorgängerwerk von 2004, hat ja überall positive Kritiken eingefahren. Wie habt Ihr es geschafft, "Séance" so schnell fertig zu bekommen?



Das war eine ganz normale Produktionsdauer, immerhin mehr als eineinhalb Jahre. Ich denke, eineinhalb bis zwei Jahre sind für uns ein ganz gewöhnlicher Veröffentlichungsrhythmus, und man schafft es auch, innerhalb dieser Zeit ein wirklich gutes Album zu schreiben. Der Songwritingprozess hat auf jeden Fall über ein Jahr gedauert, das war für uns kein Problem.



Viele Bands lassen sich da deutlich mehr Zeit, und Eure letzten beiden Alben haben jeweils über eine Stunde Spielzeit. Von daher…



Ja, aber es ist nicht so, dass ich allein in der Band für das Songwriting zuständig bin, sondern es haben mehrere Leute einen kreativen Input. Da ist die Last schon gut verteilt, und wenn man wirklich will, dann ist es echt kein Problem, in dieser Zeit ein neues Album zu schreiben.



"Séance" (der Titel spricht sich übrigens französisch - Anm. d. Verf.) ist meiner Meinung nach etwas experimenteller ausgefallen als der Vorgänger. Es finden sich verstärkt langsame Passagen, Gruselparts mit fast schon Soundtrack - Tauglichkeit, und in dem Song "Incide" sind sogar sowas wie Schmerzensschreie zu hören.



"Incide" ist sowieso ein spezieller Song, der stammt gar nicht von uns; ein befreundeter Komponist namens Morian hat ihn geschrieben. Mit ihm spielen unser Drummer Seraph und ich noch in einer anderen Band, die NONEUCLID heißt. Er lebt seit einigen Jahren in Rotterdam und hat dort klassische Komposition studiert. Wir haben ihn gefragt, ob er nicht Bock habe, ein Stück zu unserem neuen Album beizusteuern, und dabei kam dann "Incide" heraus. Der Song hat natürlich nicht mehr viel mit klassischer Musik zu tun, wobei ein recht anspruchsvoller Streicherpart enthalten ist. Wir haben diesen fünfstimmigen Satz noch zwei Tage lang mit echten Streichern aufgenommen. Morian hat auch einen Metal - Background und steht auf abgefahrene, kranke Sachen. Er hat daher mit "Incide" etwas wirklich Krankes verbrochen, haha!



Ein anderer Song, der etwas aus dem Rahmen fällt, ist "While They Sleep", denn dort sind Tribal - artige Sequenzen drin!



Ja, genau! Ich denke auch, dass "While They Sleep" eine sehr eigene Atmosphäre besitzt und vom Feeling her sehr archaisch ist. Das kommt gerade daher, da es sehr spärliche melodiöse Anteile hat und im Mittelteil von Tribals und Percussion getragen wird.



War diese Experimentierfreude auf "Séance" denn von vornherein geplant?



Die ist mehr oder weniger einfach so entstanden. Wenn wir versucht hätten, "Stab Wounds 2" zu schreiben, dann hätten wir uns vermutlich wiederholt und auch nicht mehr so ein starkes Album abgeliefert. "Stab Wounds" ist für mich nach wie vor stimmig, und ich würde auch im Nachhinein nichts daran ändern wollen. Ich stehe nach wie vor hinter dem Album, aber die Stücke bewegten sich doch in enger gesteckten Kompositionsschemata. Teilweise waren wir simpler vorgegangen; ein Riff kam etwa nur viermal vor, und auch die Abfolgen der Akkorde waren nicht so komplex. Aus diesem Schema wollten wir ein wenig raus und eigenständigere, originellere Sachen machen. Es ist deswegen eine ganz natürliche Entwicklung, dass wir diese neuen Elemente eingebaut haben, und alle Bandmitglieder sind in den letzten Jahren mehr "open - minded" geworden, was manche Musikstile betrifft. Das führte dazu, dass wir uns etwas von den Genre - Grenzen gelöst haben, und uns nicht mehr fragen, was man darf und was man nicht darf als Black Metal - Band. Wir haben einfach gemacht, worauf wir Bock hatten, aber wir haben nicht auf Teufel - komm - raus experimentelle Parts eingebaut, denn es ist noch genug straightes Material auf dem Album vorhanden. Wenn wir Bock auf primitive Sachen haben, dann spielen wir sie auch, zum Beispiel bei "To Harvest The Artefacts Of Mockery".



Das ist auch auffälligerweise der kürzeste Song der ganzen Platte! Waren die anderen Songs eigentlich so geplant, dass sie Überlänge haben, oder ist das beim Songwriting unabsichtlich so entstanden?



Es passiert bei uns auf ganz natürliche Art und Weise, dass die Stücke so lang sind, weil sie eigentlich auf Atmosphäre basieren, weniger auf vordergründiger Aggressivität. Die Atmosphäre muss sich einfach aufbauen, und die Melodiebögen, die wir benutzen, sind ziemlich lang und ausladend. Einen Song wie "Ghastly Indoctrination" kann man nicht in drei Minuten herunterspielen; es dauert einfach, bis er sich aufbaut. Das ist der Grund, warum fast alle Stücke so lang sind!



Würdest Du sagen, dass DARK FORTRESS und "Séance" überhaupt noch "True Black Metal" sind, wenn sie es denn jemals waren?



Ob wir als "True Black Metal" angesehen werden, ist mir relativ egal! Das ist nicht unser Anspruch, und es ist auch die Frage, was man als "true" und was man als "nicht true" bezeichnen kann. Man muss sich selbst gegenüber true sein, das ist das Einzige, worauf es ankommt. Es muss aus dem Inneren kommen, man darf sich nicht auf das beschränken, in was man von einer Szene hineingepresst wird. "True Black Metal", wie ihn MAYHEM mit "De Mysteriis Dom Sathanas" begonnen haben, war eine komplett andersartige Musik, die Grenzen gebrochen hat. Und daraufhin kam diese Szene daher und meint, man müsse heute so klingen wie vor 10 oder 15 Jahren, was völlig in den Hintergrund gedrängt hat, was ursprünglich die Idee dahinter war, nämlich radikal andere Musik zu machen. Das führt zu einer Selbstbeschränkung der Szene, weil ständig darüber nachgedacht wird, was "true" oder "untrue" ist. Es steht einfach im Gegensatz zu dem, was diese Bewegung am Anfang ausgemacht hat!



Wie seid Ihr denn vom recht kleinen Label Black Attakk, über das ja noch "Stab Wounds" erschien, zu Century Media gekommen?



Das hat sich über einen längeren Zeitraum angebahnt. Wir hatten schon seit einiger Zeit Kontakt zu einem Mitarbeiter von Century Media, Philipp Schulte, den wir schon seit dem "Party.San" - Festival 2003 kennen. Er hat selbst auch ein kleines Label, Imperium Records, gegründet, und das anfangs nur, um "Stab Wounds" als Doppel - LP herauszubringen. Hauptberuflich ist er bei Century Media, aber er ist ein so großer Fan dieser Platte, dass er dafür extra eine eigene Plattenfirma gegründet hat. Er hat dann auch den Namen "Dark Fortress" bei Century Media eingebracht, und außerdem hatten wir prominente Fürsprache von den schwedischen NAGLFAR und auch von Götz Kühnemund vom "Rock Hard", die sich für uns eingesetzt haben. Sie haben das Label dann überzeugen können, und so ist der Deal zustande gekommen!



Empfindet Ihr Euch jetzt als "kommerziell"? Wobei Du diesen Punkt ja schon teilweise abgehakt hast…



Unser stärkstes Argument ist einfach das neue Album! Abgesehen davon, dass wir jetzt bei einem größeren Label beheimatet sind, kann wohl niemand behaupten, der sich "Séance" unvoreingenommen anhört, dass das Album "kommerziell" oder "angepasst" klingt. Wir haben einen schweren Weg beschritten und eine ziemlich abgefahrene und krasse Platte gemacht! Wenn wir auf Kommerz aus gewesen wären, dann hätten wir auch einen viel leichter zugänglichen Stil auf "Séance" wählen können, was wir eben nicht gemacht haben. Das sollte Beweis genug sein, dass wir nicht dem Kommerz verfallen sind.



Ihr werdet oft sogar als die "deutschen NAGLFAR" bezeichnet. Findest Du diesen Vergleich gut oder eher nicht?



Ich mag NAGLFAR und finde die Band klasse, auch persönlich! Es ist eine sehr gute Band, aber ich denke, dass wir doch anders klingen als sie. Wir haben beide unseren eigenen Stil! Wenn wir erstmal länger dabei sind und mehr Alben verkauft haben, werden andere Bands vielleicht auch eines Tages mit DARK FORTRESS verglichen werden. Ich finde aber, dass wir eine Ecke "norwegischer" klingen und nicht so sehr vom schwedischen Black Metal beeinflusst sind. Wir haben eine andere Art von Melodiösität und klingen in gewisser Hinsicht düsterer oder mystischer. NAGLFAR sind etwas melodischer als wir. Wir sind nicht fieser oder böser, klingen aber doch irgendwie anders, aber ein Vergleich mit ihnen ist grundsätzlich sicher nicht das Schlechteste, haha!



Ihr hattet auf "Stab Wounds" auch eine Coverversion von KATATONIA´s "Endtime", und exklusiv auf der LP stand zudem noch ein Cover von EMPEROR´s "I Am The Black Wizards". War das eine einmalige Aktion? Auf "Séance" habt Ihr ja auf so etwas verzichtet.



Bis jetzt, haha! Bei "Stab Wounds" war von vornherein klar, dass eine Digipak - Version herauskommt. Da hatten wir uns überlegt, dass die limitierte Erstauflage etwas Besonderes sein sollte und entschieden uns für einen Bonustrack. Wir wollten aber nichts Klischeehaftes verarbeiten, wie z.B. einen gängigen Black Metal - Klassiker. Das haben aber dann doch mit dem Song von EMPEROR, haha! Auf KATATONIA kamen wir, weil der Song aus einem anderen Genre stammt, aber trotzdem ein Feeling transportiert, das gut zu DARK FORTRESS passt. Wir wollten ihn so umstrukturieren, dass er sich gut in unser Material integriert. Das ist uns wohl auch gut geglückt, weil wir eine eigene Version daraus gemacht haben! Bei EMPEROR war der Hintergrund, dass wir einen speziellen Bonustrack für die LP haben wollten. Wir hatten "I Am The Black Wizards" zuvor schon einige Male live gespielt, und da beschlossen wir, noch mal kurz ins Studio zu gehen und den Song für die Platte einzuspielen.



Dann können wir davon ausgehen, dass "Séance" auch als LP erscheinen wird?!



Wahrscheinlich schon! Ich hoffe und gehe davon aus, dass dies wieder über "Imperium Records" geschehen wird.



Habt Ihr dafür auch schon einen Bonus im Auge?



Es muss einen Bonus geben, schon aus dem Grund, dass "Séance" über 60 Minuten lang ist. Auf eine LP - Seite passen ja nur maximal 30 Minuten, so dass es wohl sowieso eine Doppel - LP werden wird. Und wegen fünf Minuten wäre das witzlos, so dass man die Spielzeit aufstocken muss. Erst dann lohnt sich eine Doppel - LP. Wir überlegen schon, was wir im Fall einer eventuellen Veröffentlichung verwenden werden; es könnten durchaus ein oder zwei Cover - Versionen sein. Spruchreif ist bislang aber noch nichts!



Immerhin gut zu wissen, denn so können sich potentielle Käufer schon vorab für die Vinyl - Version entscheiden.



Ja, aber die können sich das Album auch erstmal so kaufen, hahaha!



Sehr ungewöhnlich für eine Black Metal - Band ist auch, dass Ihr zum zweiten Mal Travis Smith als Cover - Zeichner gewinnen konntet. Wie kam das denn zustande?



Bei "Stab Wounds" war es so, dass unser Sänger Travis Smith per E - Mail kontaktiert hatte. Die Kontaktadresse war leicht über seine Homepage herauszufinden. Wir sind generell schon immer von seinen Arbeiten begeistert gewesen, auch von dem, was er beispielsweise für OPETH oder KATATONIA gemacht hat. Ich bin sogar über Travis Smith erst auf KATATONIA gestoßen! Ich dachte mir, wenn die Musik das hält, was das Artwork atmosphärisch verspricht, dann könnte es echt interessant werden. Und so war es dann auch! Ich bin auf diesem Weg auf "Tonight´s Decision" gestoßen. Vor Allem unser Sänger wollte für "Stab Wounds" unbedingt ein Cover von Travis Smith haben, was dann auch geklappt hat. Er hat uns Entwürfe gezeigt, und wir haben einen davon ausgewählt, den er dann nur noch ausgearbeitet hat. Bei "Séance" war es aber etwas anders. Da waren wir gerade im Songwriting - Prozess, und da hat, wieder mal, unser Sänger das jetzige Cover des Albums auf der Homepage von Travis Smith entdeckt. Das war, unabhängig von uns, schon fertig gestellt! Wir waren sofort der Meinung, dass es genau das Cover war, das wir gerne haben wollten, weil es absolut zur Atmosphäre und zum Konzept des Albums passt. Wir haben ihn dann gefragt, ob wir es nutzen dürfen, oder ob es schon vergeben sei. Es gab aber kein Problem, und wir haben die Zusage bekommen! Die gesamte grafische Gestaltung, auch die des Booklets, stammt von ihm, und es wirkt alles wie aus einem Guss! Er hat alles gemacht, und es ist sehr stimmungsvoll.



Es gibt ja im Black Metal - Bereich nicht allzu viele hochwertige, wegweisende Bands. Ich nenne Dir jetzt mehrere Genre - Bands, und Du sagst mit wenigen Worten, was Dir dazu einfällt?!



Das kann aber eine undankbare Aufgabe sein, weil ich mich nicht gerne negativ über Kollegen äußere, haha!



EMPEROR:


Da triffst Du gleich ins Schwarze! Für mich die göttlichste Black Metal - Band aller Zeiten! "Anthems To The Welkin At Dusk" ist mein absolutes Lieblingsalbum überhaupt!



MAYHEM:


Auch eine absolut wegweisende Band! "De Mysteriis Dom Sathanas" ist ein Meilenstein und hat quasi die zweite Black Metal - Welle eingeläutet! Das Album schlechthin, aber ich finde auch ihr letztes Werk sehr stark!



DARKTHRONE:


Kultige, auch wegweisende Band, wobei ich die beiden Erstgenannten jedoch noch lieber mag. DARKTHRONE mag ich aber auch, gerade die älteren Sachen, weil sie ein sehr intensives Feeling haben, speziell durch die Primitivität der Musik. Das macht für mich den Reiz an dieser Band aus!



Hmm, meiner Meinung nach war DARKTHRONE´s "A Blaze In The Northern Sky" sogar das allererste Werk der "Zweiten Welle", noch vor MAYHEM.



Eigentlich ja, das stimmt! Ein absolut krankes Feeling!



IMMORTAL:


Ich finde ihre zweite und dritte Platte gut, danach wurden sie für mich etwas uninteressanter. Auf die neueren IMMORTAL fahre ich überhaupt nicht ab, weil die frostige, klirrende Kälte nicht mehr vorhanden ist, die etwa "Battles In The North" noch ausgemacht hat. "At The Heart Of Winter" hat das überhaupt nicht mehr, aber ich habe mich mit dem jüngeren Material auch nicht mehr groß beschäftigt.



Eure Fast - Namensvetter DIMMU BORGIR:


Ja, haha! DIMMU BORGIR sind im Black Metal - Underground völlig verpönt. Andererseits muss man aber respektieren, dass die Band unglaublich kreativ und professionell zu Werke geht. Ich bin auch überhaupt nicht neidisch auf deren Erfolg, weil es eine hochklassige Band ist. Ich bin nicht sicher, ob man sie überhaupt noch als Black Metal bezeichnen kann, aber als extreme Metal - Band betrachtet, sind sie eine der wichtigsten und auch besten Bands unserer Zeit!



SATYRICON:


Wieder eine meiner Lieblingsbands! Ich finde von ihnen die ganz alten, wie auch die ganz neuen Sachen total geil! Eine der ganz wenigen Bands, von denen ich alle Full - Length - Alben besitze.



Ein meiner Meinung nach völlig unterbewerteter Exot: LIMBONIC ART:


Von denen habe ich ein Album! Sicherlich eine gute Band, aber vielleicht sind sie nie so richtig erfolgreich geworden, weil das Songwriting etwas zu konfus ist, finde ich. "In Abhorrence Dementia" hat teilweise eine richtig düstere Atmosphäre, aber an anderen Stellen machen sie es wieder kaputt. Daher fahre ich nicht unbedingt auf die Band ab.



Noch eine Band, Landsmänner von Euch: CRYPTIC WINTERMOON:


Die kenne ich fast gar nicht, daher kann ich kein Statement abgeben.



Ok, so weit, so gut! Wie sehen denn Eure näheren Zukunftspläne aus?



Wir planen gerade eine Tour für den April, was auch schon gut aussieht. Es sind noch keine Dates konkret, aber wir hoffen, im Frühjahr auf Tour gehen zu können. Dann müssen wir den Kopf freibekommen und können demnächst auch wieder Ideen für ein neues Album sammeln.




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