Interview:

2007-03-20 Celtic Frost

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Mit "Monotheist" haben CELTIC FROST das Metal-Comeback des Jahres 2006 hingelegt. Bei den darauf folgenden Festival-Gigs und der anschließenden USA-Tour bewiesen die Schweizer dann direkt, dass sie auch live noch lange nicht zum alten Eisen gehören, sondern - ganz im Gegenteil - druckvoller und intensiver klingen denn je. Grund genug also, sich die Hintergründe der Rückkehr der legendären Extrem-Metaller einmal persönlich schildern zu lassen. So traf ich mich vor dem Tour-Auftakt in Zürich mit Tom Gabriel Fischer im Backstage des Mascotte, wo ich mich mit ihm über die wieder auferstandenen CELTIC FROST, die Aufnahmen von "Monotheist" und sein gespaltenes Verhältnis zu seinem Heimatland unterhielt.InterviewIhr spielt heute Abend seit ziemlich genau 20 Jahren zum ersten Mal wieder in Zürich. Hat das eine besondere Bedeutung für Euch?


CELTIC FROST, wie die Band jetzt ist, ist etwas ganz anderes als früher. Es ist ein viel bewussteres Spielen, ein viel tieferes Spielen, als wir das jemals gemacht haben. Das klingt wie eine Plattitüde, aber jeder Gig ist wirklich etwas ganz Eigenes. Ich hab ein bisschen Mühe mit Zürich, ich find die Leute hier nicht so gut. Aber der Rest der Band freut sich glaube ich ziemlich, hier zu spielen. Die Leute in Zürich haben mir jeden erdenklichen Stein in den Weg gelegt, als ich begonnen habe, und das kann ich auch nach 25 Jahren nicht vergessen.


Ihr geltet weltweit als wegweisend für den extremen Metal und werdet von vielen großen Bands als Einfluss genannt. Nur in der Schweiz scheint Euch diese Anerkennung bislang versagt geblieben zu sein. Hat sich das mittlerweile geändert?


Das hat sich mit "Monotheist" geändert. Aber es gibt immer noch eine kleine Gruppe von Ewig-Negativen, die es darauf abgesehen haben, uns nach Möglichkeit öffentlich runterzumachen. Das ist offenbar ihr Lebensinhalt. Na ja, jeder muss ja was haben... Es kann halt nicht jeder eine Band gründen, und deshalb macht man dann eben so was.


Wie kam es überhaupt dazu? Hat die Schweiz ein Problem mit Metal oder nur mit Euch?


Erstens gab´s ja noch gar keine extreme Metal-Szene, als wir begonnen haben. AC/DC waren damals die größte Metal-Band der Erde. Der extreme Metal, das waren MOTÖRHEAD und vielleicht noch VENOM und wir. Die ganzen anderen Leute, auch die Metal-Musiker, haben nur gelacht und gesagt: Das ist nur Lärm, das wird niemals irgendwo hingehen. Das ist keine Musik, das klingt ja nicht, die können nicht spielen und so weiter. Das ist heute vielleicht gar nicht mehr nachzuvollziehen, jetzt wo Bands wie METALLICA und SLAYER diese Musik geprägt haben. Und zweitens ist das schon auch ein Schweizer Ding. Die Schweiz ist halt sehr gut im Neidisch-Sein, denn es geht hier allen gut, und das fördert nicht unbedingt das Zusammenarbeiten, sondern mehr den Neid. Jeder will´s noch besser haben, das sind alles verwöhnte Leute. Ich weiß jetzt nicht, ob das nur Schweiz-spezifisch ist, aber das wird hier sicherlich gefördert.


Ihr habt ja schon eine Festival-Tour und eine komplette Nordamerika-Tour hinter Euch. Wie ist es für Euch, wieder auf der Bühne zu stehen und alte CELTIC FROST-Songs zu spielen?


Das ist genial, es ist besser als früher! Ich habe das Gefühl, ich bin heute viel bewusster an der Gitarre. Sicherlich auch, weil ich älter bin und mehr Lebenserfahrung habe. Ich spiele heute ganz anders als früher. Ich nehme jeden Moment war. Ich bin auch viel authentischer auf der Bühne. Es macht unheimlich viel Spaß mit der Band auf der Bühne. Die Band ist viel stärker und hat viel mehr Power.


Was für Leute kommen zu Euren Konzerten? Sind das vor allem die alten Fans, oder habt Ihr auch junge Fans dazu gewonnen?


Das Publikum ist eigentlich erstaunlich gemischt. Es gibt unzählige sehr junge Fans, die uns unmöglich schon in den 80er Jahren gesehen haben können. Es kommen natürlich auch die ganzen Fans von früher, es ist ungefähr in der Mitte.


Vor den Aufnahmen zu "Monotheist" wart Ihr lange Zeit nicht im Studio. War die Arbeit an dem Album schwierig?


Ja, das war das schwierigste Album, das ich je gemacht habe. Wir wollten kein geschauspielertes Comback-Album machen, wie es viele andere Bands machen. Wir wollten nicht so eine goldene Jugendzeit wieder aufleben lassen, die gar nicht mehr existiert, so tun, als wären wir noch Dieselben und unsere Musik selber kopieren, die wir in den 80er Jahren gemacht haben. Wir wollten CELTIC FROST neu gründen und so gründen, dass wir das Gefühl haben, dass es heute ist. Wir wollten die Band modern neu erfinden. Wir wollten ein jetziges Album machen, wir wollten die Band so zeigen, wie sie jetzt ist. Das ist aber nicht ganz einfach. Wir hatten schon damals sehr eigene Gedanken, jeder von uns. Und wenn Du über 40 bist und viel erlebt hast, dann wird das noch viel stärker. Es ist nicht ganz einfach, sich dann als Gruppe zu finden und eine Einheit zu werden. Und dazu hatten wir sehr lange nicht miteinander gearbeitet. Und auch wenn die ersten Stücke, die wir zusammen geschrieben haben, sehr interessant waren, war´s einfach nicht CELTIC FROST. Wir haben unzählige Stücke aufgenommen, z. T. wirklich auf Album-Qualität, aber wir haben sie nicht verwendet, denn das war nicht CELTIC FROST, wie wir es im Kopf hatten, wie wir wussten, dass es klingen muss. Wir wollten keinen Schnellschuss, sondern ein richtiges Album machen. Jetzt hat´s halt viereinhalb Jahre gedauert, es hätte auch drei oder zehn dauern können.


Das Album wurde durchweg begeistert aufgenommen. Hattet Ihr an irgendeiner Stelle Angst, dass es nach hinten losgehen könnte? Gab es von außen Erfolgsdruck?


Nein, denn das Album haben wir wirklich nur für uns gemacht. Bei jeder CELTIC FROST-Platte haben wir unsere ganze Karriere aufs Spiel gesetzt, weil wir ja nie auf Nummer Sicher gemacht haben, weil jedes Album radikal anders war als das vorherige. Und deshalb war "Monotheist" eigentlich gar nicht anders als die anderen. Wir haben uns viereinhalb Jahre mit diesem Album befasst, um das Album so hinzukriegen, wie wir es wirklich wollten. Wir haben unsere eigene Plattenfirma und unseren eigenen Musikverlag gegründet, also waren wir nicht unter Druck, das Album rauszuwerfen, seitens einer Plattenfirma oder des Managements, und mussten keine Kompromisse eingehen. Als Martin (Martin Eric Ain, Bassist von CELTIC FROST - Anm. d. Verf.) und ich am allerersten Tag hier in Zürich im Restaurant zusammen gesessen und über dieses Projekt geredet haben, haben wir gesagt: Wir gehen erst aus dem Studio, wenn dieses Album für uns, im Bauch, nach einem CELTIC FROST-Album klingt. Und das war nach viereinhalb Jahren der Fall. Als wir aus dem Studio gingen, waren wir überzeugt, dass das Album das richtige für uns ist. Was nachher passiert, das können wir eh nicht beeinflussen. Das hat mich persönlich auch nicht so gekümmert. Das Album war vor allem wichtig für mich. Ich habe mit CELTIC FROST in der Vergangenheit unheimliche Fehler gemacht, und das wird mir nie mehr passieren. Deshalb war es sehr wichtig für mich, das Album so hinzukriegen, dass es wirklich ein CELTIC FROST-Album ist. Alles, was nachher geschieht, das ist mir eigentlich egal. Es war für mich ein sehr persönliches Ding.


Man könnte denken, mit dem Alter wird man ruhiger und gesetzter, doch Ihr klingt böser denn je...


Du wirst ruhiger und gesetzter, wenn Du mit Deiner Musik Millionär geworden bist. Aber unser Leben in den Jahren zwischen der Auflösung von CELTIC FROST und der neuen Platte war alles andere als ein Zuckerschlecken, beruflich wie auch persönlich. Mein Leben hat sich seit 1998 absolut und bis ins letzte Detail verändert, und zwar nicht durch meine Wahl. Ich fühlte mich manchmal wie ein Spielball des Schicksals. Ein radikales Ereignis hat das nächste gejagt, und ich bin nicht der Einzige in der Band, der durch solche Dinge durch ist. Ich habe in den letzten paar Jahren wirklich alles, was mir in meinem Leben etwas bedeutet hat, verloren. Das so etwas auf die Musik Einfluss hat, ist klar, denn die Musik kommt ja aus Deinen tiefsten Emotionen heraus. Und wenn Du ein ehrliches Album machst, ein emotionales Album, dann wirst Du das halt hören.


Wenn man liest, wer Euch alles als Vorbild nennt, von Kurt Cobain, über METALLICA und SEPULTURA, bis Marilyn Manson - steigt einem das nicht irgendwann zu Kopf?


Nein, ganz im Gegenteil. Ich komme aus einer komplett kaputten Familie, meine Jugend war die Hölle. Dazu waren wir noch arm. Es gab hunderttausend Dinge, die dagegen gesprochen haben, dass ich jemals Musiker werden würde. Dann hat noch jeder in der Schweiz versucht, uns zu stoppen oder uns lächerlich zu machen. Das Ganze hat so bescheiden und in so kleinem Ausmaß begonnen, dass wir eh nie gedacht hätten, dass wir berühmt würden. Wir haben gedacht, wir machen einfach unsere Musik und das ist es. Dass es jetzt heute so ist, dass ist für mich fast nicht zu glauben. Ich will mich eigentlich gar nicht so viel damit befassen. Das, was ich mache, ist etwas sehr Persönliches für mich, das ist mein Leben. Die Musik und die Texte der Band gehen mir sehr nahe. Es wäre ziemlich prätentiös, wenn ich zu hause rumsitzen und mich damit befassen würde, wer uns als Einfluss nennt. Manchmal, wenn wir einen Gig spielen, dann kommt jemand zu mir und sagt mir so was. Dann bin ich vielleicht ein paar Minuten stolz, aber es ist wirklich nicht etwas, das ich mit mir rumtrage.


Was haltet Ihr von neueren Strömungen im Metal? Die Schweizer CATARACT sind ja ganz groß, die habt Ihr ja auch irgendwie beerbt...


CATARACT finde ich persönlich nicht so stark. Aber aus der Schweiz finde ich zum Beispiel DARKSPACE absolut phänomenal. So eine Verbindung aus Black Metal-Elementen mit Ambient und modernem Metal, das begeistert mich unheimlich. Aber es gibt unzählige gute moderne Bands!


Ihr geht jetzt mit KREATOR auf Europa-Tournee, die ja ihrerseits wegweisend für den deutschen Thrash Metal waren. Kennt Ihr Euch?


Ja, natürlich. Wir waren ja früher auf demselben Label, auf Noise Records, und die wurden genauso von Noise Records gefickt wie wir. Und das hat uns natürlich schon damals verbunden. Und dann waren sie 1987 noch Special Guest von uns auf einer England-Tour. Und Mille hat auch in den 80er Jahren mal ausprobiert, ob er Gitarrist bei CELTIC FROST wird. Es gibt unzählige Verbindungen zwischen beiden Bands.


Wie geht´s mit CELTIC FROST nach der Tour weiter? Ist das Thema dann abgeschlossen....?


Nein, wir machen weiter! Nach dieser Europa-Tour gehen wir noch mal zurück in die USA, für etwa 25 Konzerte, dann nach Griechenland und dann sollen Australien und Sommer-Festivals folgen. Und im Laufe des Spätfrühlings und Sommers werden wir mit der Arbeit am nächsten Album beginnen. Inzwischen wird´s dann noch ein Mini-Album geben, mit sehr viel unveröffentlichtem Material von den "Montotheist"-Sessions, anderen Versionen, Demos und so weiter. Und es gibt ja auch noch die ganze HELLHAMMER-Geschichte, das HELLHAMMER-Buch wird erscheinen und so. Also, es läuft sehr viel, und wir arbeiten definitiv an einem neuen Album.

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